BEEHOOVER, WOLFBIRD TWINS
D-Frankfurt am Main, Ponyhof - 30. November 2023
Beehoover und Wolfbird Twins waren ein weiteres Konzi, bei dem Gräfin „Goddess of Doom“ Peanut die Triebfeder war. Mein Mädel wollte hin - und hatte dann plötzlich Bedenken. Zeitgleich zum Doom im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen war Europapokal-Abend mit Eintracht Frankfurt gegen PAOK Saloniki. Nach den Randalen vorm Spiel gegen Stuttgart drohte neues Ungemach gegen die heißblütigen Griechen. Doch außer einem Fanmarsch zum Waldstadion verlief sowohl die An- und Anreise in der S-Bahn wie auch der Aufenthalt im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen friedlich und ohne besondere Vorkommnisse. Schwein in der Anreise hatten auch Beehoover. Denn nach einem Wintereinbruch zeigten sich die Straßen erst heute wieder schneefrei. Allerdings schien das Waldstadion Gäste vom „Ponyhof“ abgezogen zu haben. Mit dem Freundeskreis der Gruppen - ein Dutzend - war der kleine Klub in der historischen Klappergasse sehr überschaubar. Darunter befand sich womöglich der Trommler der Neunzigerjahre-Alternative-Metaller Rinderwahnsinn. Die Rädelsführer Beehoover hatten sich wiedermal über Facebook einen Support geholt. Unter zwei Bewerbern fiel die Wahl auf Wolfbird Twins. Vielleicht spielte der Hang zu Tieren eine Rolle - Bienen, Wölfe, Vögel, und aktuell Hunde, die sich gegenseitig am Hinterteil beschnuppern - vielleicht die gleiche Aufstellung als Duo mit Trommel und Gitarre. Eine grandiose Entscheidung für Wolfbird Twins war es allemal! Und damit hinein ins Geschehen...
Daß in Frankfurt eine Doom-Gruppe existiert, war mir bis heute noch nicht bewußt. Aber die große Stadt am Main hat eine! Und was für eine! Die WOLFBIRD TWINS hatten uns jede Menge Stoner und Sludge Doom mit einer Prise Psych und Nostalgie mitgebracht. Dabei sah es auf den ersten Blick nach einer Kollision der Generationen aus. Während der Schlagzeuger ein frischer, hochenergetischer Heißsporn war, erinnerte der Sechssaiter und Sänger eher an einen kauzigen, grauen Eremit. Beide hatten ausgemergelte Körper und literweise Schneckendoom im Blut. Und dieser Doom war echt, tief und lebendig. Was die Beiden in der folgenden Dreiviertelstunde kredenzten, zählt zum Intensivsten, was mir im letzten Jahr unter die Augen kam. Natürlich spielte dabei auch der intime Klub, die mit Trommeln, Wah-Wah-Pedalen und minimalistischen Speakern bestückte Bühne, das stimmungsvolle Licht, und der Kontakt fast Nasenspitze an Nasenspitze mit den Akteuren eine Rolle. Um im Bild zu bleiben - und weil die Namen unbekannt sind - nenn´ ich jene mal Wolf und Bird. Während die winzige Schar also dem Wolf hauteng zusehen konnte, wie er von flammenwerferartigem Nebel forciert tief über die Trommeln geduckt sein Instrument derart malträtierte, daß mehrmals jemand das Becken richten mußte, fauchte, schrie und krächzte der Bird mit hochgerissenem Bart und seherischem Blick über den Untergang der Welt und das Chaos hoch oben im Himmel. Dabei riss er mit den Zähnen an den Trossen. Die letzten Klänge endeten als Rückkopplung mit einer am Lautsprecher gekratzten Gitarre. Auch so ein instinktgesteuertes Detail, das unter die Haut ging. Noch existieren keine Tondokumente von den sieben Liedern der Wolfbird Twins. Aber das war ein Zeichen. DOOM in seiner ureigensten Form!
Um neun waren dann die Verrückten los. Nachdem sie seit Oktober schon über England und ganz Europa gerollt waren, „räumten BEEHOOVER heute sauber auf in Frankfurt“. Es gab was auf die Zwölf - pur und ohne Mätzchen! Doc Petersen und Claus Halmich kamen wie die Wolfbird Twins zu zweit - nur im Turbotempo. Gleich der Aufgalopp mit dem Ende des Neuwerks 'Low Performer', „Hell is Paradise“, machte klar, wohin die Reise heute ging. Württembergs Freigeister hatten sich vor Krawumm strotzenden Hardcore Stoner (oder Stoner Hardcore) auf die Fahne geschrieben. Die Härte von Mantar paarte sich mit der Barfüßigkeit der Akteure, einer Armstulpe, verschiedenen zwischen den Zähnen eingeklemmten Plektren, und den immer wieder vom Schemel nach oben gezogenen Beinen des Bassisten - kurz: den nerdigen Macken von Beehoover. Zur gewohnten Selbst-Zerstörung, den pochenden Tiefsequenzen und sperrigen Schreien, gesellte sich heute fast schon Pärchengeplauder zwischen Ingmar und Claus. Etwa der Schreck, daß man „neunundvierzig oder fünfzig wird und zu alt für dieses Leben ist“. Beehoover machten diesmal kurzen Prozess und waren nach einem hemmungslos heruntergedroschenen Noise-Kreuzfeuer von der Dauer einer Dreiviertelstunde mit der Altigkeit „Charlie Brown“ durch. Im Anschluß herzte Ingmar mich völlig verschwitzt und erkundigte sich: „Mein Freund, hat es dir gefallen?“ Etwas mehr vom honigsüßen Stoner aus alten Tagen hätte den Bienensaugern gut getan. In Sachen Härte und Versponnenheit bleiben Mantar und Dÿse das Maß der Dinge.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
WOLFBIRD TWINS
(20.02-20.45)
1. Down On Ground
2. 1000 Years in Rain
3. Rain on Earth
4. Skyhigh in Chaos
5. On Mountain
6. 47 Six 11
7. 20 21 22
 
BEEHOOVER
(21.05-21.52)
1. Hell is Paradise
2. Heavy Zooo
3. My Mixtapes Suck Big Time
4. Stanislav Petrov
5. Pain Power
6. Counted is Bygone
7. The Sun Behind the Dustbin
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8. Dance Like a Volcano
9. Damn You, Charlie Brown
Nachdem sich der Ponyhof rasend schnell leerte und die Musiker im oberen Stockwerk verschwunden waren, hatten Peanut und ich noch Lust auf eine Dritte Halbzeit im „Speak Easy“. Altsachs kenne ich wie meine Westentasche. Selbst mit einigen Apfelweinen im Blut waren wir zielsicher von der Klapper- durch das Labyrinth aus schiefen Fachwerkgassen in die Große Rittergasse hinein navigiert. Rhein-Mains Treff der Metalheads, Kultstätte des Wahnsinns seit 1987, gab sich heute entseelt. Wie schon im Ponyhof verlor sich im Easy nicht mehr als ein Dutzend Gesichter. Motörhead, Priest, Metallica, Megadeth beschallten die heiligen Hallen. Noch Fragen?... Wie auf der Hinfahrt begegneten uns auch auf dem Heimweg Fußballanhänger. Sie schwiegen. Frankfurt hatte gegen Saloniki verloren...
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 2. Dezember 2023