BLUENECK, PAPER PLANES
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 30. August 2010
Angenehm normale Figuren waren wieder mal ins „Bett“ gekommen. Aus anfänglich zehn wurden im Laufe der Nacht dreißig. Peanut äußerte, es sei „wie in einem Konzertsaal, so anständig.“ Nun, heute stand Postrock auf dem Programm. Jener Stil, der mehr von Klängen und Bildern als von Worten lebt. Hofften wir... Zumindest ich...
Voller Anmut und Zerbrechlichkeit, leicht wie eine Feder, war der Start, den die PAPER PLANES hinlegten. Weit über die Fünf-Minuten-Marke hinaus hatte das instrumentale Experiment zum Auftakt angehalten. Mit zwei psychedelisch im Äther umherschwebenden Gitarren, dazu Baß und Schlagzeug, und einem gelegentlichen Klavier- oder Rückkopplungseffekt. Mehr nicht. Nur der Bitte ans Auditorium, es möge doch näher an die Bühne rücken (gerne auch mit Stuhl). Damit waren die Wolken durchbrochen und Jan, Hanno, Ben und Fred spielten noch fünf weitere Stücke, die ohne Atempause eins ins andere übergingen. „Architect of the Seas“ und „Trading Cupcakes for a Better World“: den Grips und die Suspense der Titel trug auch die Musik der Paper Planes. 33 Minuten hatte es angehalten, dieses Spiel mit der Unendlichkeit. Final wurden alle zu einem gemeinsamen Konzert mit den Norwegern Youth Pictures Of Florence Henderson in die Offenbacher „Kommune 2010“ eingeladen; und man konnte für zwei Euro eins der handgemachten Demos ergattern. Die Jungen aus Frankfurt waren gewiß nicht die Neuentdeckung des Postrocks, aber auch Papierflieger können eines Tages zu Kampfbombern werden. Bombt es!
Für die aus Bristol stammenden BLUENECK bedeutete Frankfurt die erste Etappe einer langen Tour, die sie bis zum November übers halbe Festlandeuropa führen sollte. Im Gepäck hatten sie ihr Zweitwerk 'The Fallen Host'. Den „Soundtrack zu einem der großartigsten Filme, die nie gedreht wurden“, wie ihn die Journaille schon vorab anpries. Zur neuen „Spitzengruppe des Postrock“ war das Quintett aus England erhoben worden. Doch der Abend entwickelte sich in eine ganz andere Richtung... Attwood, Green, Sadler, Paget und Horswell starteten mit einem melodramatischen Feuerwerk namens „Seven“... wurden in der Folge aber ruhiger... um mit „Oig“ auch schon früh den Kodex des Postrock - den Verzicht auf Sprache - zu brechen... und ihn durch „Low“ nahezu völlig zu zerstören. Ursache hierfür war Meister Attwood, der zentrale Egomane im Ensemble aus drei Gitarren, Baß, Schlagzeug und E-Piano, der sich im Gegensatz zum Album seine Melancholie in einem ungefilterten Endlosstreifen von der Seele sang - und damit die Macht der Instrumente zer - - sang! Schade drum. Denn speziell der unter einer Feldmütze versteckte dritte Saitenmann hatte mit einem skurrilen, fast regungslosen und doch hoch konzentrierten Reiben kleiner Teile auf der immergleichen Stelle einer Saite, alles für eine gewisse Einzigartigkeit getan. Nein, Blueneck entpuppten sich wahrlich nicht als welche der blaugepausten Postrocker. Indie mit einem Schuß Postcore könnte man jene von Stimmen zersetzten Explosionen wohl treffender nennen. Und manchmal - wie in „Lilitu“ - trugen diese Klänge auch etwas Keltisches in sich. Mit kraftstrotzenden Trossen und knalligen Trommeln zu „Revelations“ beendeten die Tommys ihr reguläres Programm - und mit zwei äußerst schwachen Gutenachtgeschichten namens „Judas! Judas!“ und dem als „a nice song for bed“ angesagten „Amoc“ entließen sie uns nach siebzig Minuten in die Dunkelheit eines sich abschaffenden Landes.
 
 

Heiliger Vitus, 2. September 2010
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
PAPER PLANES
(21.05-21.38 / unvollständig)
1. Architect of the Seas
2. Trading Cupcakes for Better Life
3. Monochrome
 
BLUENECK
(22.05-23.15)
1. (Depart from me, you who are cursed)
2. Seven
3. Oig
4. Low
5. Lilitu
6. Le:465
7. Venger
8. Ub2
9. Revelations
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10. Judas! Judas!
11. Amoc