DEATH ANGEL, VICIOUS RUMORS
D-Frankfurt am Main, Zoom - 16. Juli 2017
Es gibt so Tage, da wäre man besser im Bett geblieben. Zumindest wüßte man dort, warum man da ist. Der dritte Sonntag im Juli war einer davon: Eine Bekannte hatte zwei Freikarten für das Konzert von Death Angel in Frankfurt abgestaubt - und da ich gerade im Westen war, mich als Eskorte eingeladen. Immerhin hatte das wilde Pack von den Philippinen in den trashigen Achtzigern und Neunzigern zu meinen Lieblingsgruppen gezählt - THrash Metal war damals Religion! - schien nun aber nicht mehr so recht in die Zeit zu passen: Die meisten der langhaarigen Bombenleger von früher sind heute Männer mit Bäuchen und schütterem Haar (oder schon tot). Von der neuen Generation, die damals noch gar nicht auf der Welt war, interessiert sich sowieso niemand für Metal, geschweige denn Thrash. Und nicht zuletzt führt auch mancher der Protagonisten schon lange ein Leben jenseits der Musik. Aber wir wollten fair und ohne Vorbehalte noch mal die Vergangenheit aufleben lassen... Nachdem sich im letzten Sommer die Bay-Area-Thrasher Exodus im „Zoom“ die Ehre gaben, waren es diesjahr also ihre Nachbarn Death Angel und Vicious Rumors, die ihre Tingelei durch halb Europa ins Zoom führten. Dummerweise fand in unmittelbarer Nähe der „Christopher Street Day“ statt. Das ganze Gesindel an Schwuchteln, Transen und Lesben war aufgetaucht und hatte die Laune vor und nach dem Konzert versaut. Dazu kam die kalte, abstoßende, auf Party-Volk ausgelegte Klublandschaft des Zoom mit ihren miesen Getränken: entweder Becks in Frauengröße aus der Flasche zu 3,50, oder Wein im kleinen Kelch zu verschlagenen 4,50 Euro. Mit knapp zweihundert Leuten fanden sich bei Death Angel deutlich weniger ein als bei Exodus. Es war ein Pöbel aus sichtbar betagten, graubärtigen oder enthaarten Kuttenträgern, lärmigen Prolletten und fürchterlichen Narzissten. Zu allem Ärger hatten wir keine Kamera dabei. Aber der Eintritt (27 Euro pro Person!) war gespart. Kurzum: Noch bevor es losging hatte ich mich innerlich von diesem Tag in Frankfurt verabschiedet!
Am Abend nach dem „Bang Your Head“-Festival im württembergischen Balingen beehrten die 1979 im kalifornischen Santa Rosa formierten VICIOUS RUMORS die Stadt am Main. Deren Kopf Geoff Thorpe hatte sich in den Minuten vorm Start von allen unbemerkt neben mir auf einem Treppenabsatz sitzend warmgespielt, die sorgenvolle Frage des Personals mit einem entspannten „We are in time“ beantwortet - nur um im nächsten Moment ein schallendes „HELLO MOTHERFUCKERS!“ ins Mikro zu schreien! Mit seinem treibenden, von hoher Sirenenstimme getragenem Power Metal, der aus der Zeit gefallenen Aufmachung, und seinen martialischen Gesten, begeisterte das fünfköpfige Rudel um Frontmann Thorpe die Meute im Zoom-Klub. Die stand allerdings zugleich auch etwas mit der Hand in der Hose rum... so, als ob sie nur auf Death Angel warte. Von deren Buddys war aus der Urbesetzung nur noch der Leadgitarrist mit dabei. Thorpes einziger langjähriger Gefährte, Sänger Carl Albert, war 1995 - ein Jahr vor einem Konzert in Offenbach - tödlich verunglückt. Außer der Eintrittskarte ist mir von damals nichts geblieben. Auch von dieser Nacht wird wenig bleiben. Die alles überglänzende Heavy-Hymne „Soldiers of the Night' und das einst von Carl gesungene - und nun ihm gewidmete - „Don´t Wait for Me“ markierten das Ende eines Auftritts, der eher mitriß als berührte.
Tod den Hipstern! Scherzend durch den Park! Oder: Ein Thrasher läßt das Thrashen nicht! Oder? Unter welchem Schlachtruf sollte die Nacht mit DEATH ANGEL stehen? Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als Death Angel 'Act III' rausbrachten, und mit Liedern wie „Veil of Deception“ oder „A Room With a View“ verwunderten. Nichts gegen die beiden ersten Alben 'The Ultra-Violence' und 'Frolic Through The Park', aber mit ihrem teils ergreifend sensiblen Drittling aus dem Jahre 1990 revolutionierten die Todesengel aus San Francisco den Thrash erheblich. Auch die nachfolgende Abspaltung The Organization war das Leben durchaus wert (wohingegen alles ab 2004 eher uninteressant ist). Wie Vicious Rumors waren Death Angel tags zuvor tief im Südwesten - auf dem „Baden in Blut“ in Weil am Rhein - unterwegs. Aber wie ihre Landsmänner strotzten die langhaarigen Mark Osegueda, Rob Cavestany, Ted Aguilar, Damien Sisson und Will Carroll vor Lust und Energie (insbesondere der studiogestählte Blondschopf am Bass). Und sie besaßen auch noch ganz feine Antennen! Death Angel hatten nur folgende Makel: Sie quatschten zuviel, der Roadie tauschte nach jedem dritten Stück die Gitarre, der Vokalist gaukelte mit einer Schnapsflasche den Rockstar vor, und: zwei Drittel ihres Sets entsprangen der Zeit nach der Reunion. Schade drum! Denn speziell 'Act III' bietet so viele Ideen und originelles Material... Sympathisch war die Performanz der Gruppe aus ehemals fünf blutsverwandten Philippinos, von denen nur Cavestany und Osegueda übrig sind, trotzdem. Letzter mahnte die Fans: „Stay metalheads! Till the end of your fucking life!“, rief Osegueda... und nannte seinen Cousin Cavestany geradezu herzzerreißend seinen „Partner in crime - HELL AND BACK... hell and back... hell and back!“ Neben einem Cover von Black Sabbath als einzig beseelter Langsamkeit bleiben drei aggressive Wirbelsprenger aus alten Tagen im Gedächtnis: „The Ultra-Violence“, „Seemingly Endless Time“ und „Kill as One“!
 
 

Heiliger Vitus, 17. Juli 2017
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
VICIOUS RUMOURS
(20.00-20.42)
1. Worlds and Machines
2. Digital Dictator
3. Out of the Shadows
4. Let the Garden Burn
5. Murderball
6. Dust to Dust
7. Chemical Slaves
8. Down to the Temple
9. Hellrazor
10. Soldiers of the Night
11. Don't Wait for Me
 
DEATH ANGEL
(21.12-22.42)
1. The Ultra-Violence (nicht komplett!)
2. Evil Priest
3. Claws in So Deep
4. Left for Dead
5. Father of Lies
6. Son of the Morning
7. Caster of Shame
8. Thrown to the Wolves
9. Seemingly Endless Time
10. Breakaway
11. Lost
12. Falling Off the Edge of the World [Black Sabbath]
13. Kill as One
14. Relentless Revolution
15. The Moth