DOOM OVER NUERNBERG II
 
REVEREND BIZARRE, THE GATES OF SLUMBER, CENTURIONS GHOST, BIBLE OF THE DEVIL, DOOMRAISER
D-Nürnberg, Z-Bau (Kunstverein) - 1. November 2006
Es ist immer schön, in eine andere Zeit zu reisen, und Epochen nacherleben zu können. Eine endete mit den letzten Ritualen der Doomgötter REVEREND BIZARRE im Herbst und Winter 2006. Seelisches Geleit lieferten mit The Gates Of Slumber und Doomraiser zwei weitere große Gruppen der geliebten Doom-Shall-Rise-Festivals. Neben der Abschiedstour der Wahnsinnigen aus Lohja endete für Goddess of Doom Peanut und mich auch die Zeit der Marathons in diesem Jahr. Nach dem körperlichen Drill sollte die Seele gereinigt werden. Das ist ein Problem. Denn Wandlern zwischen den Welten wird ein hoher Grad an Leidensfähigkeit abverlangt... Die Veranstalter Sebastian (Earth Flight) und Boris (Versus The Stillborn-Minded) hatten uns das Tor zum Doom geöffnet. Der nette Onkel Boris hatte uns am Mittwochvormittag in Frankfurt angerufen, wo und wann wir uns einfinden sollten. Fünf Stunden später waren wir in der vertrauten Herberge in der Nürnberger Südstadt. Dort hingen schon zwei Langhaarige nebst Dame in Schwarz im Kanapee herum: die heute als Roadies für Doomraiser fungierenden Vortigan aus Österreich. Nach einer Lagebesprechung beim Bierle sind wir rübergestiefelt zum Schauplatz Südkaserne. „Zwischen sieben und halb acht“ sollte es laut Boris losgehen. Kurz nach sieben hatten wir die zweimal zehn Euro Eintritt hingeblättert. Schade, zu spät!...
... DOOMRAISER standen seit 18 Uhr 55 auf der Kanzel. „Shoooooot me! In my head!...“ Ausgerechnet vom Überlied „The Age of Christ“ erlebten wir nur das Ende. Als Nächstes zelebrierten Roms „Heavy Drunken Doomer“ dann das geschätzt viertelstündige Teilchen mit dem gewagten Wortspiel „Doomalcoholocaust“. Wie gewohnt in einer leidenschaftlichen Mixtur aus Saint Vitus, Cathedral und Death SS (klanglich), Motörhead, Reverend Bizarre und Korn (äußerlich), dazu der traditionell kreisenden Gallone mit dem türkisen Inhalt (Pfefferminzlikör). Purer Kult - doch - uh no!!! - heute nicht die Macht. Obwohl zu fünft, und obwohl Furchtlockenfronter Cynar wie ein Rumpelstilzchen durch das ekstatische Kuddelmuddel seiner Komplizen sprang, klafften im Sound einige Löcher, Macken und Hakler. Der Stimme fehlte die Tiefe und beim geplanten „Doomraiser“ gab auch noch einer der ohnehin zu schwachen Gitarrenverstärker den Geist auf. Sodaß Cynar, Molestius, Drugo, BJ und Pinna das Lied strichen und nur noch die Zeitlupennummer „Metamorphosis“ kredenzten. Welche dann aber - uh yeah!!! - einfach nur geil war! Nach dreißig Minuten war´s für die Chaoshorde aus der ewigen Stadt schon finito. Ein Ende mit Paukenschlag. Denn mit dem finalen Riff purzelte der rechte Saitenmann stockbetrunken von der Bühne. In Doom we trust - and in alcohol, too!
 
Barney von Condemned To Suffer begrüßte mich. Doch ich wandelte bereits in Doomraisers Pfaden... Kanone Hell schmeckt eben total Kanone...
... und totale Kanone, volle Granate ging´s weiter. BIBLE OF THE DEVIL hatten das Geviert erstürmt. Aber es hagelte nun weder Black Metal (wie der Gruppenname vermuten ließ), auch keinen Doom, sondern bösen alten Heavy Metal. Die Bibles waren auch nur zum Fest des Doom gekommen, weil sich deren Wege bisweilen mit der Paralleltour kreuzten. Indes es eine große Freude war, wie die Rotte aus Chicago die Hackordnung durcheinanderwirbelte. Denn mit ihrer Stilrichtung und dem Langeisen 'The Diabolic Procession' drehten Bible of the Devil die Räder der Zeit um zwei Dekaden zurück, und entführten in eine Welt, in der Metal noch Metal war. Und das taten sie durch und durch echt. Der vom Bassisten getragene Metallica-Metal-up-your-ass-Fetzen sprach es aus! Die Amis kredenzten Stahlgewitter wie zur Zeit der NWOBHM. Und zwar unter wildestem Headbanging, gespickt mit einem Schlag Kraftmetall. Zwei melodisch jaulende Sechssaiter, ein wuchtiger Bass, ein schepperndes Schlagzeug, dazu ein metalchurchiges Organ - und über allem thronend: das von der Meute mitgejohlte, nostalgisch-mysthische „Angel Witch“ von Angel Witch. Es war echt der Wahnsinn. Hail Metal, ihr Gehörnten Bibelisten aus Amiland! Nach einem „Enjoy Reverend Bizarre! It´s going a crazy night!“ war Feierabend. „Angel Witch“ summte Peanut noch tagelang...“ \m/
 
Zweihundertfünfzig Leute stellten am bajuwarischen Feiertag „Allerheiligen“ die Kulisse. „Knapp hundertfünfzig Zahlende“, verriet die Dame vom Einlaß zwischendurch. Bei 180 wurde später das Zählen eingestellt und die Kasse abgebaut. Mit Akteuren, Crew und der Gästeliste waren rund zweihundertfünfzig dabei. Und dank straffen Zeitplans waren auch die Pausen im blauen Dunst zügig durchlitten.
Waren es die Geister, die ich rief? Nicht jedenfalls die halb neun aufkreuzenden CENTURIONS GHOST. Schon nach wenigen Augenblicken wußte ich, daß die nach einem kräftigen dunklen Yorkshire-Ale benannten Londoner nicht mein Fall sind. Rein instrumental zwar - wenngleich wenig einfallsreich - ganz doomig, ganz ordentlich, wäre da nur nicht der schrecklich unbegabte Live-Vokalist gewesen. Dieser kurzgeschorene Scurr, dessen hochaggressives, neurotisches Gekrätze sicher nicht nur mich abschreckte. Die fünf Tommys zockten kruden Sludge, der sich nicht so recht entscheiden konnte: mal schnell wie die schrillen Cathedral daher kam, mal massiv wie die bleiernen Crowbar. Und am Ende nichts von alldem war. Zu passionslos, zu kalkulierend wirkte die Chose. „Och, nee!“: Die Reaktion eines Mädels auf die vom Fronter verkündete Zugabe sprach mir aus der Seele. Nach einer Dreiviertelstunde war dem häßlichen Geistergespann aus Engeland die Kette von den Rädern gesprungen.
 
In der Pause kam es zu einem kurzen „Hallo!“ mit einem völlig zerrütteten (oder deprimierten) Albert Witchfinder von Reverend Bizarre...
Halb zehn war das Geviert frei für die echten Doomer, Mitglieder des „Circle Of True Doom“ (C.O.T.D.), für die Doom-Metal-Schlachtrösser THE GATES OF SLUMBER aus USA. Nach dem unbeseelten Langwerk 'Like A Plague Upon The Land' hatte ich schon geglaubt, der Kulttrupp aus Indianapolis hätte den Hut genommen. Von wegen! Karl Simon, Jason McCash und der neue Trommler „Iron“ Bob Fouts standen sehr leibhaftig vor uns. Sie waren in den totalen Krieg gezogen, wollten Nürnberg mit metallisch-peitschenden Doom in Schutt und Asche legen. Ein Unternehmen, zu dessem Zweck sich Oberfinsterling Simon erstmals ohne seine legendäre Lederhaube präsentierte. Womit der heroische Sänger zwar einen skalpierten Schädel entblößte, das arschlange Resthaar dann in der Folge aber ohne Rücksicht auf Verluste durchbangen konnte. So wie es auch sein Kontrapart McCash tat. Und wie es der Menge nicht vergönnt war. Zu dicht drängte sie sich in der heiligen Halle. Kein Raum, den Kriegern aus dem „Land der Indianer“ zu huldigen. Kaum Raum für Abdoomen zu Kulthits wie dem phänomenalen Malmer „Burial“, dem Zombieschlachtruf „The Awakening“ oder dem alles zermetzelnden „Executioner“ (dem Schlaglicht der Nacht überhaupt). Gemessen am Doom Shall Rise vor zwei Jahren waren die Gates heute furios. Ihrer Wucht schadete das nicht. The Gates of Slumber sind eine vernichtende Macht! Die Schlacht endete nach einer Stunde.
 
Für Nebengeräusche war erneut Meister Deathampdrone zuständig. Erst war´s aus mit Señorita Spitfire; dann taucht er körperlich völlig verrottet auf (um mich mich mit weiteren Getränken endgültig in die Irre zu führen); und am Ende pestete er auch noch gegen meine Feinde: „Vitus, was auch immer die anderen über dich sagen: Ich halte zu dir!“ (Dieser Treueschwur ging runter wie Terpentin!)
„Vor der Kaserne, vor dem großen Tor...“ Etwas Schicksalshafteres und Deprimierenderes als die Melodie und der Text vom Soldatenlied „Lili Marleen“, gesungen in deutscher Sprache, hätten sich REVEREND BIZARRE als Eröffnungszeremonie kaum einfallen lassen können. Nach zehn Jahren verschwand eine der einflußreichsten Doomgruppen aller Zeiten aus dem Leben. Mit ihrem „Death March“ gingen Sir Albert Witchfinder, Father Peter Vicar und Monsieur Earl of Void nach Valhalla. Um es mit Alberts Worten zu sagen: „This is our first and last time in Nuernberg!“ Reverend Bizarre waren (und sind!) eine der Formationen, die mir den Einstieg in den Doom der neuen Zeit versüßten. Ich erinnere mich noch gut an den Februar 2003 (Doom Shall Rise!), als Jochen Fopp mir im Licht eines Kaminofens sagte, Reverend Bizarre sei eine Gruppe, die den Doom lebt. So was vergißt man sein Leben nicht! Auch wenn die Finnen später nie mehr an die alten Zeiten von 'In The Rectory Of Bizarre Reverend' rankamen (kein Wunder bei diesem Werk!), waren sie stets purer Kult. Und wie als Abbild ihrer Karriere zelebrierten die Lichtgestalten aus dem kalten Norden auch auf ihrem Todesmarsch beide Gesichter ihres Dooms. Während sie sich - allen voran der mit weit aufgerissenen, beschwörenden Augen agierende Witchfinder - in der ersten Stunde mit neuen, durchgebrannten Heavybiestern vorm klassischen Heavy Metal verbeugten, so suhlten sie sich in der zweiten Stunde in der Vergangenheit mit manisch langsamen, radikal spartanischen Monolithen - dem wahren Wesen des Doom. Letztlich zogen die Bizarren einen wahren Doom-Marathon von 120 Minuten ab! Und ich ärgere mich maßlos, mit Erinnerungslücken Abschied genommen zu haben. (Dem Vernehmen nach soll im großen Finale mit Beherits „The Gate of Nanna“ ein Satanskult stattgefunden haben. Wir wissen es nicht so genau. Mein Schutzgeist filmte zwar mit, saß zu der Zeit aber auch mit einem Schwächeanfall am Boden. Aber ja, so könnte es gewesen sein.) Wie auch immer: Reverend führten Peanut und mich in den 14. Hochzeitstag. Wir alle sahen ins selbe Licht, hatten die gleichen Gedanken und Gefühle. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß wir uns wiedertreffen im Doomladen! Danke für die schöne Zeit, Reverend Bizarre! DOOM WHAT THOU WILT!
 
„It´s snowing!“ Als wir nach ein Uhr hinaus in den Kasernenhof stolperten, trafen wir dort auf Amerikaner und Italiener, die sich verwundert die Augen rieben. Nachdem vor vier Tagen der Spätsommer unseren Frankfurt-Marathon verdorben hatte, ließ Petrus plötzlich weiße Flocken vom Himmel rieseln......
 
 

Heiliger Vitus, 7. November 2006
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DOOMRAISER
(18.55-19.25)
1. The Age of Christ
2. Doomalcoholocaust
3. Metamorphosis
 
BIBLE OF THE DEVIL
(19.40-20.13)
Titel unbekannt
 
CENTURIONS GHOST
(20.30-21.15)
1. Corpses
2. Inductance
3. I Am God
4. Badboned
5. Requiem for the Haunted Heart
6. Empyrean (Circle of God)
7. Devils Disciple
 
THE GATES OF SLUMBER
(21.30-22.20)
Titel vom Album 'Suffer No Guilt'
 
 
REVEREND BIZARRE
(22.50-0.50)
Opening Ceremony: Lili Marleen
1. Cromwell
2. In the Rectory
3. Slave of Satan
4. Demons Annoyiung Me
5. Doom Over The World
6. The Gate of Nanna [Beherit]