DUTCH DOOM DAYS XII
 
KARMA TO BURN, ARGUS, FUNERALIUM, DESERT STORM, DOOMED, DRESDEN/LENINGRAD
NL-Rotterdam, Baroeg - 20. Oktober 2013
Sonntag, 20. Oktober (2. Tag)
 
Goedemorgen Rotterdoom! Es ging einem schon mal besser... Nach einem reinigenden Läufchen auf der Erasmusbrücke über die Maas nach Feijenoord und wieder zurück, nach Körperpflege, Hygiene und zwei Vaasjes bei Johnny an der Bar, war man bereit zum Teil zwei der Doom Days. Immerhin fiel heute kein Regen. Trotzdem taten sich im Baroeg ozeanische Weiten auf. Die Firma Grau hatte trotz mauem Andrangs erneut ihren Kramstand aufgezogen. Zwei Mädel bauten vor der Bühne ihr Filmgerät auf. Eins zeigte mir, wie man möglichst viel aus wenig Licht holt. Ansonsten standen höchstens dreißig Gestalten im dunklen Raum herum. Traurig, traurig!
Ab 14.45 Uhr erfolgte die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs aus Sicht der Niederländer. Trotz des geisterhaften Auftritts beim „Towers of Madness“ im deutschen Stuttgart, als alle völlig neben sich standen, war mein Glaube an IsAan, Highnis und von der Straße nach wie vor ungebrochen. Mit „De Widdedood“ (Der weiße Tod) fingen DRESDEN/LENINGRAD gewaltig an. Die Klänge schleppten sich zäh dahin, nichts störte die Atmosphäre, kein Licht, kein Nebel, kein Zuviel an Menschen. Und so ging das weiter. Ferner hatte man sich erweitert und agierte manchmal mit einer zweiten und dritten Stimme am Mikro. Aber so weltentrückend schön das Trio aus Amsterdam auch klang, so matt, fast verzagt wirkte es erneut in seiner Körperlichkeit. Da war nichts, keine Berührung mit dem Publikum, kein Zwinkern, keine Hingabe, kein Stolz, nichts um zu bewegen. Manchmal möchte man auf die Bühne steigen und die Leute antippen, um sie aus der Starre zu reißen. Beim nächstenmal mache ich das. Bis dahin bleibe ich der deutsche Bruder im Geiste von Dresden/Leningrad.
Schade, daß die beiden größten Fans von DOOMED den Einstand ihrer Helden nicht erlebten. Don Nihili war fünf Monate zuvor ins Himmelreich gegangen; seine Witwe Antonietta schon auf dem Wege zum „Malta Doom Metal“-Fest. Und ausgerechnet jetzt gaben die Zwickauer ihren ersten Auftritt. Besonders der Bassistin war das Kribbeln im Bauch anzumerken. Doch kurz nach vier fiel der erlösende Peng, und die drei Jungen und das Mädel aus Sachsen legten mit „Sun Eater“ einen großartigen Auftakt hin. Mit „Collapsing Guts“ ging das auch so weiter! Sensible, von den blitzenden Augen ihres Frontmanns geführte Seelen, zelebrierten Doom, nichts als urelementar schweren Doom. Die einzelnen Teile begannen immer tief funeralig, mit höllischem Grunzen und teerschwarzen Inhalten - und schwollen ab der Mitte zu einem phänomenalen, alles zermalmenden Panzergedröhn an. In diesen Abschnitten klangen Doomed wie Bolt Thrower auf Kriechtempo. Doomed trafen nicht bloß bei mir mitten ins Schwarze, sie sorgten für Staunen, und bestimmt waren Pierre und Yves Laube, Frenzy Pfeifer und Andreas Böse sich ihrer Wirkung bewußt. Trotzdem blieben die Sachsen völlig ruhig und echt. Eine gerissene Saite und der Ausfall der zweiten Gitarre beim dritten und vierten Teil passten da perfekt ins Geschehen. Nichts konnte Doomed auf ihrer Reise in die Tiefen der Seele stören. Mit „In My Own Abyss“ belferten die Sachsen final noch eine schnellere Todeskapsel raus, und nach 48 Minuten lagen sich die neuen Helden alle im Arm.
Ein schlichtes „We are DESERT STORM from England“ paßte ins Bild der Nächsten. Desert Storm lieferten stampfenden Hard- bis Heavy Blues Made in Oxford, UK. Eine kratzige Whiskyröhre kopulierte mit mittelschnellen, kruden Gitarren und hackenden Trommeln zu einem atemraubend häßlichen und zotigen Bastard von der Straße. Wie fast alle Gruppen waren die Briten als volles Ballett zu fünft auf den Planken. Wobei Vokalist Ryan als besonders verrottet und ein bißchen durchgedreht noch hervorstach. Kann jemand normal sein, der in Winterjacke und Landstreicherhose steckt und aus einer Fünf-Liter-Gallone „Ashbeck“-Wasser säuft? Wie von Engländern gewohnt, gaben Desert Storm alles. Das neunte und letzte Stück mit dem schönen Titel „Enslaved in The Icy Tundra“ erinnerte etwas an die alten Hellhound-Sachen, aber wirklich Doom war das nicht.
Erst wurden sie vom Personal zur Eile angetrieben, und dann ruhten ab halb sieben alle Hoffnungen auf FUNERALIUM. Nachdem sie als „Ultra Sick Doom“ angepriesen wurden, und nach allen Hörproben im Cyberkosmos, thronten die Funeral-Doomer aus Paris auf meiner Liste ganz weit oben. Doch schon nach wenigen Minuten waren alle Erwartungen verblasen. Es waren aber weder die vier vor der Bühne aufgereihten Groupies (eins davon in Bluse von „Nocturnal Depression“), sondern die mit akurat gepflegten langen Haaren, eingeölten muskulösen Oberarmen und stringulierenden Beinkleidern aufgemachten Akteure. Jene gaben sich als Sympathisanten des Todes, waren aber nichts als selbstverliebte Klischeefiguren. Rein klanglich waren Funeralium ein ziemlich aufgesetzter und verkünstelter Versuch, wie Worship aus dem Vorjahr zu sein. Drei Teile in vierzig Minuten: über die Tiefe an sich braucht man nicht reden. Wären nur nicht diese zerrissenen Gefühle... Immerhin hatten Marquis, Asmael Lebouc, Berserk, Charlesward und A.D K´shon ihre Mädchen als Anhänger dabei. C'est la vie.....
Obwohl sie durch die Arktis voneinander getrennt sind, wirkten die nach einem Album von Wishbone Ash benannten ARGUS aus Pittsburgh, Pennsylvania wie amerikanisierte Solstice. Argus zelebrierten flammenden, heldnischen Epic Doom Metal im Stile der Alten Welt. Dabei hatte man mit dem vor Leidenschaft schier überschäumenden, unentwegt headbangenden Ex-Penance-Sänger „Butch“ Balich und dem wahnsinnigen Gitarrengespann Johnson & Mucio mehr als glaubwürdige Figuren im ersten Sturm. Leider wurde ich nach dem phantastischen Auftakt - allen vorn „By Endurance We Conquer“ - von einem Dealer aus der Nachbarschaft bedrängt, es mal mit LSD zu versuchen. In Verbindung mit den flüssigen Narkotika entging mir dadurch leider einiges. Da half auch eine zuvor heruntergeschluckte Kräutersuppe für verdammte zehn Euro nichts. Anderntags sollte mir auf der Heimreise einer aus Recklinghausen sinngemäß sagen, daß es „nach Argus nicht besser werden konnte“. Meine letzte Erinnerung an Argus ist deren Version von Iron Maidens „Phantom Of The Opera“.
Wer klettert schon gern am zweiten Tag als Zwölfter und Letzter aufs Geviert? Rund vierzig Leute hatten die Doomtage überlebt. Und die waren rotzevoll (mit was auch immer)... Den Schwarzen Peter hatten die instrumentalen Kraftrocker KARMA TO BURN aus Morgantown, USA, gezogen. Will Mecum, der von The Exploited geliehene Bassist Rob Irish, sowie Trommler Evan Devine machten sich aber keine Platte darum. Mecum schwofte die ganze Zeit mit einem bewußtseinserweiternden Zahnstocher in den Kauleistern über die Planken; dazu nutzten die drei aus dem prüden Appalachenstaat die Freiheit der Niederlande und pfiffen sich zwischendurch eine Tüte Mary Jane durch die Lungen. Karma To Burn waren zwar alles andere als Doom, aber mit ihrem verrauschten, knüppelharten Sturm aus hupenden Riffs und tiefem, durchgebranntem Gepolter - auch „Meisterhafte Qualität aus West Virginia“ genannt - war die Bruchlandung der Dutch Doom Days in letzter Minute abgewehrt. Und: Erstmals kriegten die Amis auch ihr Maul auf. Zwar blieben die dreizehn vorgetragenen Nummern konsequent auf Gitarren und Trommeln beschränkt, aber dazwischen gab es Worte voller Wumms und Witz. Mit dem herausragenden „Twenty“ brannten Karma To Burn nach achtzig Minuten locker ins Erleuchtungsziel.
 
Wie tags zuvor, war Reverend Bizarres „Doom Over The World“ der heimliche Star der Nacht. Die Fans haben es mitgeschrien! Zehn Minuten vor Mitternacht wurde die Beschallungsanlage abgestellt.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DRESDEN/LENINGRAD
(14.45-15.31)
1. Danst met De Wittedood
2. Niemandsland
3. Slaap
4. Herder
 
DOOMED
(16.03-16.51)
1. Sun Eater
2. Collapsing Guts
3. She´s Calling Me
4. Downward
5. The Ancient Path
6. In My Own Abyss
 
DESERT STORM
(17.20-18.09)
1. Ol´ Town
2. House
3. Astral Planes
4. Shadow of an Eagle
5. Sway
6. Queen
7. Forked Tongues
8. Bison Lung
9. Enslaved in the Icy Tundra
 
FUNERALIUM
(18.35-19.15 / Titel ohne Gewähr)
1. Hang These Bastards
2. 21st Century Ineptia
3. Deceived Idealism
 
ARGUS
(19.45-20.47)
1. By Endurance We Conquer
2. Boldly Stride The Doomed
3. The Hands of Time Are Bleeding
4. No Peace Beyond The Line
5. Pieces of Your Smile
6. Durendal
7. A Curse On The World
8. Devils, Devils
9. Phantom Of The Opera [Iron Maiden]
 
KARMA TO BURN
(21.25-22.45)
1. Nineteen
2. Eight
3. Thirty-Four
4. Five
5. Fifty-Three
6. Forty-Seven
7. Fifteen
8. Fifty-Four
9. Thirty-Six
10. Nine
11. Twenty-Eight
12. Thirty
13. Twenty
Epilog
 
Montag, 21. Oktober
 
Mit dem Montagmorgen begann der vierte gedoomte Tag hintereinander. Neben schweren Köpfen (Peanuts brummte mehr als meiner), blieb die Erkenntnis, daß die zwölfte Doom-Edition nicht an ihren Vorgänger rankam. Bartender Johnny, den wir seit 2007 kennen, machte den Aufbruch nicht unbedingt leichter. Und es sollte eine böse Odyssee von Rotterdam über Utrecht, Arnheim, Duisburg und Frankfurt quer durchs Abendland folgen. Da die Bahn ab Utrecht ihren Dienst verweigerte, wurden wir ab Arnheim von Ersatzbussen über die Grenze nach Duisburg gekarrt. Nach fünfmal Umsteigen und 6 ½ Stunden in unterschiedlichsten Fahrzeugen waren P. und ich in der siebenten Abendstunde zurück in der Wetterau.
 
Salutionen an
Organisator Pim
Die Crew vom Baroeg
Meine Adjutantin Peanut
 
 
>> DUTCH DOOM DAYS XII, TAG 1 <<
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 26. Oktober 2013