LOST IN MUNIN, BOOTLEG VERSION, CLIFFSIGHT, DECADE OF AGGRESSION
D-Frankfurt am Main, Die Halle - 26. Januar 2007
Freitagabend. Zeit, die Fesseln abzuwerfen, die Anlage aufzudrehen, einen zu trinken und dorthin zu düsen, wo man seinesgleichen findet. „Die Halle“ sollte es sein. Es war unser erster Gang in den neuen Klub im Frankfurter Osten. Er befand sich im Hinterhof eines Lagerhauses mit der Neonreklame „Bike Hall 84“. Zusammen mit den Akteuren hatte es anfangs 26 Leute in den rückseitigen Keller verschlagen. Später waren es rund vierzig, die sich im Dämmerlicht verirrten. Merkwürdige Gestalten lümmelnd an der Theke, voll bis zum Gehtnichtmehr - oder schon tot: So und nicht anders präsentierte sich „Die Halle“. Man sichtete Langhaarige, Hardrocker, Freundescliquen und Chaoten. Verwirrte betranken sich im düsteren Licht, andere saßen in Loungesesseln. Herzliches Personal tat ein Übriges, um die Fechenheimer Metalnacht zu einer besonders schönen werden zu lassen. 200 Meter für 200 Eisenfresser, absolutes Sperrgebiet für den Rest - und schon jetzt mein neuer Lieblingsklub in der Revolverstadt! Der Katzenjammer war programmiert, und bevor alles verschwamm, gab es noch ein Erfolgserlebnis: In Zusammenarbeit mit Klubchef Christoph hatte ich den befreundeten Doomgruppen Versus The Stillborn-Minded und Spancer einen Auftritt für den letzten Montag im März klargemacht!
 
ACHTUNG!
Am 26.3.2007 zum Doom in Frankfurt, Wächtersbacher 84, kommen! Es treten auf:
Blood Of The Sun, Versus The Stillborn-Minded, Spancer und Smokedown
DECADE OF AGGRESSION bliesen um neun als Erste zur Attacke. Ein Rudel aus Offenbach (O-Ton einer Besucherin: „Oh nein!“), die wir zum zweitenmal in sechs Wochen sahen. Sirene Poi, die Sechssaiter Nico und René, Bassist Damian und Schlagzeuger Viktor hämmerten heute einen ungleich geileren Gig in die Nacht. Den Auftakt machte der Hardcore-Thrasher „Dedication“. Nicht weniger spannend gestaltete sich das „Bypass Purgatory“. Schlingerte Poi in der Vergangenheit noch etwas unentschlossen zwischen singendem Himmel und grunzender Hölle hin und her, so setzte es heute durchweg Fegefeuergegrunze im morbiden Geiste Sabina Classens. Wobei es schon sehr erstaunlich ist, daß aus einem winzigen (und heute zudem sehr verführerischen) Persönchen wie Poi so ein animalisches Grunzen kommt. Dieses Organ, dazu extrem kräftige Bassläufe, gepaart mit dem amoklaufenden Körpereinsatz der Saitenmänner (besonders Damian fiel durch irre Kampfsport-Tritte auf): das alles machte die Schau wirklich eindrucksvoll. Meine Konzertkumpeline kam dann auch nicht umhin, ein begeistertes „Die gefallen mir zu gut!“ auszustoßen. Poi verkündete einen „Song für alle Weiber“ ( „Outrageous“, samt der unvermeidlichen „Ausziehn! Ausziehn!“-Rufe), und „Roots“ machte nach einer halben Stunde die Schau voll. Deutschlands neue Holy Moses kann ich nur glühend empfehlen. Das war der Ritterschlag, D:O:A!!
„Schönen guten Abend, wir sind CLIFFSIGHT“: Es folgte der komplette Gegenentwurf zu D:O:A - die introvertierte Psychokiste: psychedelisch bekiffter Stoner Rock! Fabriziert von vier etwas bedrückt und blaß um die Nase ausschauenden Jünglingen. Doch stille Wasser sind tief - und Cliffsight hielten den Kontrast zu den spektakulären Vorgängern geschickt in Grenzen. Sie starteten mit der eher grungig treibenden Variante des Stonerrocks... um im Verlauf einen Bogen hoch über die Klippen zu spannen... und von dort in die ausufernde Psychedelika sonnenwarmer Wüstenlandschaften zu springen. Kyuss grüßten schön, es wurde ein toller Trip! Zwischendurch gab es einen Kuß für die „kleine Sängerin mit der beeindruckenden Stimme“ (Thaigirl Poi), ein „Dankeschön an alle, die trotz des kalten Wetters hergekommen sind: 'Felix, du solltest das sehen)!“, und mit der Verlängerung - einer Fuzz-Gitarren-Improvisation mit dem schicksalsweisenden Namen „The Great Depression“ - hatte die Formation aus der neuen hessischen Metalhochburg Hanau schließlich auch meine Unheiligkeit als Meditierenden zu ihren Füßen. Um es mit Cliffsight zu sagen: „Peace, Love and Empathy!“
 
In der Pause betraten ein Marilyn-Manson-Klon und eine groteske Gestalt mit schwarzer Melone und weißen Glacéhandschuhen (!) die Szenerie...
Kurz vor elf gab´s Heavy Drunken Blues respektive „The Heavy Blues Experience“, wie BOOTLEG VERSION ihre Musik selbst bezeichnen. Bootleg Version (auch aus Hanau) hatten für ihren Auftritt die „Goldene Mitte“ gewählt, und kamen mit Frontmann Thorstens Worten „Trinkt mehr Bier!“ und „Kein Spaß für alle!“ bei der warmgetrunkenen Meute auch prompt prima an. Viel mehr kann und will ich über die in Hessen bekannte Horde nicht sagen. Denn - obwohl sie schon mit den genialen Stonerrockern The Great Esacpe die Rampe teilten -: Alternativ-Rock bleibt mir fremd! Aber ich will nicht der Hallenweise sein. Vielleicht hatte ich mir nach dem Konsum von „The Money Train“ und „Love Hurts“ auch mehr Stoner-Stoff erhofft. Zudem hatte der Teufel Alkohol schon arg die Krallen nach mir ausgestreckt. Also nicht weiter drüber nachdenken! Bootleg Version trieben, schoben und brezelten eine Dreiviertelstunde lang ehrliche, erdige Rocker durch die Speaker. Ein Dutzend dankte mit wildem Headbanging.
 
Derweil sich die Mitglieder von Decade of Aggression auf und unter dem Kanapee bei Fight-Club-Simulationen die Schnauzen polierten, mißbrauchte ich die Zeit zu einem Plausch mit dem schlaksigen Cliffsight-Basser. Nikolai bat mich um eine musikalische Ausrichtung für Cliffsight, empfahl „mir als Metaller die Kollegen von Lost in Munin schwerstens zum Reinziehen“, und warf mir schließlich zum Aufbruch noch ein Peace-Zeichen zu!
Zum Schluß ließen es die nach dem von Odin ausgesandten Raben benannten LOST IN MUNIN krachen. Wobei jene kein schwarzer Spähtrupp aus der nordischen Ahnenwelt waren, sondern dem mystisch umhauchten Hanau in Hessen entstammten. Woher auch sonst? Ich gestehe, ein Helles zuviel getrunken zu haben. Und so ist es schwer zu beschreiben, was die mit Furchtlocken, Piercings und schwarzem Fummel bewehrten Gestalten getrieben haben. Etwas Alternativmetallisches. Einen sehr unorthodoxen Mix aus ursprünglichem Death und Thrash, avantgardistischem Hardcore und modernem Metal, mit zweistimmiger Propaganda, schnell und hart gespielten Gitarren, und einer gotisch bizarren Grundmelodie. Die Lieder trugen Titel wie „Shallow Ground“, „Even the Angels“ und „Mechanical Life“; Lost in Munin haben geknallt wie Sau, Vitus hat getanzt wie ein Berserker, und nach einer Zugabe war um 0 Uhr 40 Schicht im Schacht. Metal up your ass, Riederwald!!!
 
Wieder unter freiem Himmel, hatte die Natur ihr Winterkleid angelegt. Es schneite! Peanut schaffte mit mir gerade noch die Lumpensammler-U-Bahn heimwärts nach Rödelheim. Dort wurde Stunden später - am Ufer der Nidda (faktisch vor der Haustüre) - ein 22jähriger Drogenhändler durch einen Kopfschuß getötet.
 
 
Heiliger Vitus, 30. Januar 2007
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DECADE OF AGGRESSION
(21.00-21.30)
1. Dedication
2. Bypass Purgatory
3. Outrageous
4. Fairground of Death
5. Remember this
6. Briefcase
7. Roots
 
CLIFFSIGHT
(21.50-22.35)
1. (Intro) Crusade
2. So High Again
3. Dream Valley
4. Illusion
5. Green God
6. The Great Depression
 
BOOTLEG VERSION
(22.55-23.40)
Titel unbekannt
 
LOST IN MUNIN
(23.56-0.40)
Titel unbekannt