LOW FREQUENCY ASSAULT XII SPANCER, SATOR, GREEN BOOTS CAVE, VERWERFUNGEN D-Nürnberg, Z-Bau (Kunstverein) - 8. Dezember 2018 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vorwort In Europa, wenn nicht sogar auf der ganzen Welt, stand der LOW FREQUENCY ASSAULT als die Pilotveranstaltung in Sachen Sludge, Stoner, Death und Drone Doom. Seit der Premiere im Januar 2004 ermöglichte die Organisation um Boris, Sebastian und dem Nürnberger Kunstverein e.V. einer kleinen Hundertschaft einen jährlichen Treff mit tief untergrundigen Gruppen im Z-Bau der Südkaserne. Für manche hatte der LFA die gleiche Anziehungkraft wie die großen Festivals (für die Anhänger des „richtigen“ Doom strahlte er sogar noch heller!). Der LFA war kein Festival - er war ein Ritual! Dann folgte jedoch viel Auf und Ab. Im Dezember 2018 wurde mit der zwölften Edition das Ende einer Ära eingeläutet. In unsterblicher Erinnerung bleiben der unbehaune, tief in die Nacht reichende Erstling mit Spancer, Thee Plague of Gentlemen, Low Man's Tune und Versus The Stillborn-Minded. Letzte zeigten sich viermal auf dem LFA; dito die durchgebrannten Niederländer Heavy Lord. Zum Establishment zählten auch Sachsens Dreaming respektive Petrified. Mit Mirror of Deception und Naevus gaben sich die Doom-Metal-Pioniere aus Stuttgart die Ehre. Die destruktivsten Auftritte lieferten Frankreichs Caldera, Rorcal (mit dem Inferno aus der Schweiz sollte der LFA eigentlich schon 2011 enden), sowie Black Shape of Nexus (jene werteten Nürnberg 2007 gar als ihre Sternenstunde überhaupt). Überwältigende Auftritte hatten auch Mills of God und Finnlands Caskets Open. Die unbekannten Space Pilgrim und Sator ließen uns in staunender Ehrfrucht zurück. 2010 und 2016 erstreckte sich das Fest über zwei Tage. Der Eintritt betrug über all die Jahre immer nur zehn Euro (hier auch „Doomkostenbeitrag“ genannt). Vor der finalen Nacht konnte der Gast ein exklusives Festivalshirt bestellen (2012 - als die Veranstaltung mit Kalmen nicht als LFA firmierte - wurden zehn Henkelbecher verkauft). Neben Plakaten aus den Anfangsjahren hing zur zehnten Ausgabe im Eingang eine Fotoausstellung mit allen aufgetretenen Gruppen. Geistigen Auf- und Abbau spendeten ploppendes Kanone und Ammerndorfer Hell. Das Sahnehäubchen setzte die doomige Pausenbeschallung, die hundertpro den eigenen Geschmack traf. Und dann diese brüderlichen Umarmungen, Herzungen und Abschiednahmen mit den Machern und Leuten, die man so kennt. Wie immer gab´s auch diesmal bei der Organisation etliche Probleme. Mit den Düsseldorfer Death-Doomern MORAST und Berlins Sludgern MEDICIN NOOSE hatten zwei Gruppen in letzter Minute aus privaten Gründen abgesagt (bei Morast war es ein krankes Kind). Wenigstens war auf Italiens Sator Verlaß. Damit änderte sich das Drehbuch allerdings komplett. Die Stelle des Hauptakts Morast nahmen Spancer; zwei Rudel aus der Umgebung füllten den Abend auf. Das Jahr war wieder mal rum - und mir diesmal schon vor der Reise nach Franken sehr schwer ums Herz... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sonnabend, 8. Dezember Ein Sturmtag mit Regen verlieh dem finalen Ritt den passenden Rahmen. Schon auf den ersten Metern auf Nürnberger Boden kollidierten meine alten und neuen alten Ideale auf schmerzliche Weise, denn der Weg entlang der Frauentormauer zur Unterkunft führte am Radcafé „Eddy would attack!“ vorbei (benannt nach Eddy Merckx, in den Achtzigern ein Bordell). Eine Stunde weiter schien der Grund unserer Reise ein anderer zu sein... Attack? Oder Assault? Es war Frau Peanut, die im hereinbrechenden Dunkel zum Aufbruch gen Südkaserne drängte... Halb acht kamen wir an. Es fanden sich letztlich doch einhundert Leute ein, die eine gewisse Neugier auf die neuen Gruppen mitbrachten. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ein langes, ohrenzerfetzendes, hohes Schrillen leitete die amtliche Zerdoomung des kleinen Saals im Z-Bau der Südkaserne ein. Rückkopplungen, Störgeräusche und Tieffrequenzen ließen auch im weiteren Verlauf die Trommelfelle bluten. Die Vorstellung der Gruppe lautete „Hallo, wir sind VERWERFUNGEN! Ist nicht gerade Doom, aber vielleicht könnt ihr euch damit arrangieren. Wir schon!“ Verwerfungen waren ein Quartett aus Erlangen mit neuem Namen (zuvor hieß man Reset Sequence) und neuem Gitarristen. Ihr Auftritt kam in drei sehr unterschiedlichen Akten. Nach einem zackigen, krätzigen Beginn in Post-Hardcore-Manier folgte ein gedrosseltes Drittel mit massiven Bässen im Stile Crowbarschen Sludge-Metals. Da waren gerade mal fünfundzwanzig Minuten rum. Es schlossen sich Zugaben an: eine halb planmäßige (bestehend aus einem unfertigen Grindcore-Geschoß kaum länger als eine Minute); und eine außerplanmäßige (durch die Wiederholung des ersten Lieds in entschleunigter Version). Nach einem guten halben Stündlein war das Kanonenfutter durch. Man sah schon schlechteren Ersatz! | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
GREEN BOOTS CAVE aus Nürnberg hatten was völlig Eigenes; einen Mix aus rein instrumentalem - lediglich durch einige rausgeschriene „Fuck“s durchbrochenen - Ambient Doom, Post Rock und Post Metal. Manisch pulsierende Klangmuster, die mit der Grundidee des LFA wenig gemeinsam hatten, hier aber durch zwei exzentrische Saitenmänner und insbesondere den wahnwitzigen Trommler brachial zusammengeknüppelt wurden. Welch massive Soundwand krachte da vom Geviert herunter. Die Dynamik von marschierenden Bolt Thrower traf auf knackige Blastbeats, postmetallische Gitarrenwände und etwas Pop. Mit wahnwitzigem Tempo und schier aufgekratzer Körperlichkeit kämpfte sich das Trio durch ein Programm, daß viele fesselte und dahinschmelzen ließ. Leider wirkte das Ganze nach einer halben Stunde aber auch wie ein delirierendes, rumsendes und bumsendes Grundgeräusch. Obendrein barst der Saal vor Freunden und Bekannten, die den Dreien am Ende zu Füßen lagen. Green Boots Cave wurden wie Helden gefeiert - und genossen sich auch selbst ausgiebig. Nach einer Stunde lagen sich alle selig im Arm. Alles Friede, Freude, Eierkuchen aus Franken? Aber das konnte man mal getrost vergessen, denn... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
... es gab sie noch: Junge, geerdete und unglaublich beseelte Burschen, die Freude haben, mal raus zu fahren, die Welt und ihre Klubs zu sehen, und eine Brise Doom zu versprühen. SATOR etwa waren ohne große Erwartung aus Ligurien aufgebrochen, um mal zu schauen, ob mit ihrem eigenwilligen Stoff auch außerhalb des Valium-Studios in Genua jemand etwas anfangen kann. Als sie mit Beginn der elften Stunde ins Licht traten, hielt endlich der Doom Einzug. Gleich die ersten Riffs von „Funeral Pyres“ gingen runter wie Terpentin und waren ein innerer Reichsparteitag zugleich. Schlagartig hatten sich im Publikum die verschworenen Doom-Aficionados herauskristallisiert, der Rest in alle Winde zerstreut. Ich hatte echt Gänsehaut in Angesicht dieses Geschehens. Die Italiener lieferten nicht nur aggressiv-depressives Sludge-Gefauche, sondern auch magische Doomriffs im Geiste von Saint Vitus (und manchmal der verrückten Cathedral). In ihrer Kauzigkeit erinnerten Mauro, Michelangelo und speziell der eremitige Vokalist Valerio an Amerikas Sludge-Ikonen Buzzoven oder Weedeater. Hinzu kamen südländische Sprachfetzen aus dem Off, die jedem Lied zum Ein- und Ausklang einen okkulten Schauer verliehen. Einer klang deutsch, wie ein verzerrtes „Das wird vielleicht ein guter Mensch“... Ohne das Genre neu zu erfinden, hielten Sator die Spannung bis zum Schluß hoch. Die Performanz lebte nicht nur durch die wohlige Doom-Musik und die stimmungsvolle, kleine Bühne, sondern auch durch die Akteure, die schlicht und echt bis auf die Knochen waren. „Hail to Valves and Woods!“: Treu der Losung ihrer fantastischen Platte 'Ordeal' hatten Sator erst alles wie durch ein Ventil aus sich herausgeblasen - und sich anschließend in den äußersten Winkel zurückgezogen. Sator ist übrigens das lateinische Wort für „Sämann“, aber auch „Schöpfer“... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Herren Münz, Wiese, Wedemann, Kappe und Weihe aus Braunschweig, Bremen und Berlin hatten sich zuletzt sehr rar gemacht in der Öffentlichkeit. Weshalb ich auch eher skeptisch war, was Magie und Faszinosum anging. Nicht zuletzt nach meinem flauen Erlebnis 2007 in Frankfurt. SPANCER waren 1999 als Sludge-Doom-Kommando gestartet. Kein Rückschlag konnte es stoppen, es kam immer wieder mit den selben Leuten. Aber Dinge ändern sich, Familien werden gegründet, Mitglieder über verschiedene Städte Hunderte von Kilometern voneinander entfernt verstreut. Der Gitarrist lebte sogar schon in China. Immerhin schwangen Spancer sich im Unterschied zu anderen Zeitgefährten zum Schwanengesang für den Low Frequency Assault auf. Damit schloß sich der Kreis, der 2004 ebenhier mit ebenjenen fünf Jungen begann. Doch dafür mußten sie sich augenscheinlich erst mal wieder in die Materie einarbeiten. Nach dem schon viel besser erlebten „Master File God“ zum Auftakt, folgte im Mittelteil etwas Leerlauf... bis sich Münz und Kappe ihrer Fetzen entledigten, und mit klitschnaßen blanken Leibern zur treibenden Kraft der Crew wurden. Insbesondere der Schrat mit weißem Schopf und Wallebart am Bass bestach durch unbeschreibliche Lockerheit. Derweil der eher stille Weihe ebenso kaltschnäuzig seinen Dienst im Hintergrund tat. Wie erwähnt: Elf Jahre waren seit meiner letzten Begegnung mit Spancer vergangen. Die Zeit gab ihrem heutigen Auftritt mehr Ernst und Nachdenklichkeit. Obwohl sich der Enthusiasmus in Grenzen hielt, und die Kreativität und der sptzbübische Charme der frühen Jahre ausgegangen schien (auch die Chemie zwischen den Leuten), doomten Spancer wenigstens genauso untergrundig wie Sator. Der gemeinsame Nenner stimmte also. Spancer wirkten auch beseelt von ihren Vorgängern aus Italien, und versprühten - forciert durch zwei zusätzliche Bassgitarren - zumindest den Geist der Vergangenheit. Ab der Hälfte lief das Zusammenspiel wie geschmiert, und Spancer machten auch sonst keinen Gefangenen. Dazu kam das konspirative Angebot, daß im Anschluß auf der Bühne Shirts, CDs und Platten zu erwerben sind. Nur das alte Doom-Gefühl wollte sich nicht mehr so recht einstellen. Auch nicht beim letzten Lied des Low Frequency Assault überhaupt: „The Beat Goes On“...... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: ABSPIELLISTEN ::. VERWERFUNGEN (20.02-20.35) 1. Wave 2. Tappers 3. The Hive 4. Ghosttown 5. New Sixer 6. Hymne ****** 7. Eat the Flame / New Four 8. Wave GREEN BOOTS CAVE (20.55-21.50) 1. Dudädudu 2. Dädamdamdam 3. Neuer 4. Blackmetal 5. 6oller 6. 1er 7. Abgedampfter 8. Torns SATOR (22.08-22.46) 1. Funeral Pyres 2. Heartache 3. Sky Burial 4. Ordeal SPANCER (23.15-0.15) Master File God The Beat Goes On Rest unbekannt | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nachwort Sonntag, 9. Dezember Nach vierzehn wahnsinnigen und magischen Jahren war mit dem Low Frequency Assault auch der letzte geliebte Fixstern des Doom verglüht. Von 2004 bis 2018 haben Peanut und ich keine Spielminute verpasst. Der LFA überlebte das Doom Shall Rise (Crailsheim und Göppingen), die Belgian Doom Night (Gent), den November´s Doomsday (Langenzenn), Doom Over Nürnberg, Autumn of Doom (Obereuerheim), Halloween Of Doom (Darmstadt), Doom Over Edinburgh, Doom And Gloom (Hofheim) und vermutlich auch Doom In Bloom (Esslingen). Unsere Nürnberg-Reise war vorbei und wir sind wieder zu Haus. Jetzt sind wir um eine Last leichter - und wissen andererseits, daß wir immer wieder nach Nürnberg fahren können. Denn Konzerte von Low Frequency Assaults wird es weiter geben. Nur kein Low-Frequency-Assault-Ritual mehr. Deshalb ist es Zeit, Danke zu sagen für die große Zeit, die wir in Nürnberg immer hatten und - so die Dinge es wollen - haben werden... ... Dank und Gruß an Boris und Sebastian Die Tresencrew vom Kunstverein Die Leute, die mit uns zusammen waren Die 56 Gruppen, die wir alle sahen (sie stehen in der Hall of Fame) LOW FREQUENCY ASSAULT, WIR WERDEN DICH VERMISSEN! Doom, Fascination und Gewalt: ((((((Heiliger Vitus)))))), 11. Dezember 2018 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: HALL OF FAME ::. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
2004 Spancer Thee Plague of Gentlemen Low Man's Tune Versus The Stillborn-Minded 2005 Heavy Lord Dust Möse Earth Flight 2006 Caldera Golden Gorilla Versus The Stillborn-Minded 2007 Black Shape of Nexus Dreaming Tekhton The Walruz Down On Knees I'm Weak 2008 Toner Low Mirror of Deception Heavy Lord Mills of God 2009 Crowskin Lord of the Grave Gospel of the Future Space Pilgrim 2010 Beehoover Heavy Lord Caldera Dust Wall Petrified Versus The Stillborn-Minded Voodooshock Omega Soul 2011 Rorcal The Deep Blue Heavy Lord Starve Calliophis 2012 Keine Austragung 2013 Keine Austragung 2014 Keine Austragung 2015 Black Shape of Nexus Caskets Open 71Tonman Scythian Fall 2016 Naevus Crowskin The Tower Nikander Versus The Stillborn-Minded Lusca 2017 Bellrope Petrified Carrion Mother Smiling Buddha 2018 Spancer Sator Green Boots Cave Verwerfungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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