MARDUK, NAPALM DEATH, FINNTROLL, VADER, THE BLACK DAHLIA MURDER, BELPHEGOR
D-Frankfurt am Main, Café Royal - 16. Dezember 2004
Im Dezember 2004 zogen die Black- und Death-Metal-Kommandos Marduk, Napalm Death, Finntroll, Vader, The Black Dahlia Murder und Belphegor über Europa. Heute hielt der Tross in Frankfurt. Ursprünglich sollte das Ritual in der tausend Anhänger faßenden „Live Arena“ in Münster in der Pampa von Südhessen steigen. Dann hatte sich mit dem „Café Royal“ aber ein Objekt in bester Frankfurter Innenstadtlage angeboten.... In den Fünfzigerjahren als „MGM“ eröffnet, später als „Royal“ das stilvollste Kino der Mainstadt und Drehort für den Film „Schattenmann“, hatte der historische Bau 2003 den Kampf gegen die moderne Zeit verloren, wurde erst von Ravern entweiht, und heute hielt der Metal Einzug in den pompösen, rotsamtenen Saal. Der Eintritt betrug 28 Euro. Dank der befreundeten Organisatorin Frau (D)Evi(l)in durften Gräfin Peanut und ich jedoch umsonst rein. Halb sechs öfnete sich das Tor zur Eingangshalle. Scharen an Blackmetallunatics, Deathern, Kuttenträgern und anderen schwarzen Seelen standen da noch draußen Schlange. Und es wurden immer mehr! Rund siebenhundert! Darunter die „Rock-Hard“-Späher Albrecht und Buffo sowie die Düstermetaller Jörg und Erde von Soleïlnoïr. Pünktlich um sechs fiel der Peng......
Die nach einem mythischen Dämon benannten BELPHEGOR waren aus Salzburg angerückt. Wo zwei Jahre zuvor „Der Herr der Ringe“ zu Tränen gerührt hatte, lärmten heute vier in Kampfuniformen und Stiefeln steckende und mit Kreuzen, Drudenfüßen und schwarzen Tätowierungen verzierte Langhaarige. Wegen im heimischen schwarzen Raum war uns ein Teil der infernalischen Riffs und Berserkerschreie entgangen. Sah man vom typisch morbiden Austria-Humor wie „Vor vier Toagen ho´ms uns a E-Gitoarrn gstohln - Fukk the Blood of Christ!“ ab, erwiesen sich die gestandenen Death-Metaller aus Rot-Weiß-Rot als durchaus achtbar. Fronter Hel Helmuth röchelte wie am Spieß, und Trommler Nefastus sowie die besessen headbangenden Gitarristen Sigurd und Barth metzelten mit großer Hingabe räudige Aggressionen durch den Äther. Final hieß es kurz und schmerzlos und mit gereckten Fäusten: „Dankeschön Leute, bye!“ Ach ja, Gasmasken hatten die Kameraden aus der Ostmark mitgebracht: auf 999 Stück begrenzt, 35 Euro das Stück. - - Hallihallo mit Meister Buffo, Plappern über die lausige Beschallung im voluminösen Konzertsaal, und Vernichten von Binding Nulldrei für Dreifuffzich. Wer sich draußen versorgte, durfte nicht mehr rein!
„We are THE BLACK DAHLIA MURDER from Detroit, Michigan“ lautete die Vorstellung der Zweiten. Gefolgt von der Anstiftung „Come on everybody, I wanna see you move!“ Auf der Rampe standen fünf Mittzwanziger, die sich nach einem bestialischen Mord an einer Schauspielerin in Los Angeles benannten, dem die Mundwinkel zerschnitten wurden. Das ließ Unheilvolles vermuten, es fing mit „Unhallowed“ auch drückend an - verflachte aber erheblich. Trotz wildem Schädelschüttelns und irrer Veitstänze fabrizierten die USAler einen recht matten Mix im Dunst zwischen melodischem Death und modernem Metalcore. Samt dem Sänger Trevor Strnad, der seinen Kopf mit zwei anderen Persönlichkeiten teilte: einem keifenden Hysteriker und einem grunzenden Dämon. Die Lieder hießen „Closed Casket Requiem“, „Miscared“ und „Thy Horror Cosmic“ - und außer einem Dutzend Bangwilliger vermochte der neuzeitlich-neurotische Bastard niemand mitzureißen. Entsprechend sauer reagierte Strnad: „Come on, you fucking pussys, let´s go!“ und „Come on motherfuckers!“ Auch sollten wir Shirts der Band kaufen, um die Tour zu unterstützen. Es folgten noch „When the Last Grave has Emptied“ und die unter vielen Teufelsanbetungen zelebrierte „Blackest Creation“. Mit einem „Thanks, good night!“ beschloßen die Vertreter des Sternenbanners ihre erste Schau im Abendland.
Die ersten richtig guten Klänge schmiedeten VADER aus Allenstein im Masurenland. Schon beim Stimmen der Trommeln hagelte es Jubelstürme. Stuka-Sirenen, Flakfeuer und detonierende Bomben leiteten die folgende Dreiviertelstunde ein. Doch gleich beim ersten Schlag auf die Gitarre sprang eine Saite. Das Problem war flink behoben, und nach einem akzentfreien „Frankfurt, guten Abend!“ ging der Death Metal nach alter Masche ungehemmt ab. „Dark Transmission“ und „Silent Empire“ hießen die ersten schweren Geschütze, die auf die siebenhundertköpfige Gefolgschaft niederprasselten. Auch das Geschwader aus Ostpreußen gab sich uniform schwarz gekleidet und mit Haaren bis zum Arsch die Ehre. Vader taten sich schon 1983 zusammen, liefen aber erst nach vielen Besetzungswechseln 1988 vom Speed Metal zum Death/Thrash über. Peter, Mauser, Novy und der verletzungsbedingt durch Daray ersetzte Trommler Doc wurden durch Beharrlichkeit nach oben gespült, und zählten heute zu den führenden Deathern weltweit. Ihr Stil ist ein Mix aus rohen Possessed, apokalyptischen Slayer und brutalem Geröchel. Mit „Dark Age“ ließ das ungestüm mähnekreisende Kommando das ungestüm schnelle und zugleich betagteste Ungeheuer nach vorne abdonnern. Dazu den „Firebringer“. Und immer wieder hagelte es euphorische Abfeierungen durch die Menge und Dankesworte in Germanisch durch Peter: „Vielen Dank! Danke!“ Mit „Crucified Ones“ waren es acht Wirbelsprenger, die Vader abfeuerten. Peter salutierte „Vielen Dank! Wir kommen zurück! Auf Wiedersehen, macht´s gut! Danke!“ Und eine Zugabe war drin - vom Erstlingswerk ein letzter gnadenloser Schädelspalter, und ein letztes „Vielen Dank, Deutschland!“ - - In der Pause drängten zwei Fräuleins ins überfüllte Knabenklo. „Entschuldigung“ - „Is mir scheißegal, ich muß pissen.“
Halb neun füllte sich die für den Untergrund viel zu groß geratene Bühne endlich mal auf - durch das sechsköpfige Ensemble FINNTROLL. Was soll ich sagen? Auch die steckten alle in rabenschwarzer Kluft, hatten nur andere Töne im Gepäck. Die Trolle aus dem kalten Norden köchelten aus Black Metal, nordischer Volksmusik und der finnischen Polka-Version Humppa ein sehr eigenwilliges Gebräu - das nicht jedem schmeckte (aber die Promillezahl weiter steigerte). Zwei deathige Teile machten den Anfang im Programm der von Schicksalsschlägen gebeutelten Finnen. Auf vereisten Pfaden ging´s in trinkselige Synthie-Schunkelei mit „Fiskarens Fiende“ und „Trollhammaren“. Dann in etwas Finsteres mit „Jaktens Tild“. Stampfend weiter mit „Nattfödd“. Und auch ein Abstecher in schwarzmetallische Gefilde mit „Long Winter Tail“ und etwas Folklore mit „Eliytres“ waren im Spiel. Die Zugabe bildeten ein neues Beelzebub-Ständchen - „a bit different“ nach Wikinger-Art mit Gekeif und Teufelshörnern unterlegt -, sowie eine rockige Nummer, die nach etwas Geklautem klang.
NAPALM DEATH. Meine achte Begegnung mit den Urhebern des Grindcore? Nachdem die Haare fielen, fehlte heute ausgerechnet der Langhaarigste überhaupt mit einem Alkoholproblem, der Urheber des Begriffs „Grindcore“: der mexikanische Gitarrero Jesse Pintado. Beharrlich an Bord hielten sich unterdes Bassist Shane Embury (seit 1987), Mark „Barney“ Greenway und Gitarrist Mitch Harris (beide seit 1989), sowie Trommler Danny Herrera (seit 1991). Zwei heftige Detonationen machten den Auftakt, und der traditionell in kurzer Hose und mit Kniebandage auflaufende Barney stellte die Horde ganz unspektakulär mit „We are Napalm Death from Birmingham“ vor. Für die Dauer einer Stunde krachte sie nun aus den Speakern, jene pfeilschnelle Haßmusik, die gar kein Erbarmen kennt. Der erste Fan hechtete bäuchlings über den Graben in die Meute. Barney fuchtelte, bellte und röchelte wie ein aufgescheuchter Hund übers Geviert, Harris fackelte stoisch die Loden schüttelnd harte Riffs ab, Herrera trümmerte die Kessel, und der „Pater“ mit der legendären Stromschockfrisur grinste nur still in sich rein. Napalm Death ehrten heute alte Weggefährten: Das erste ging an Cryptical Slaughter mit dem von Harris gekeiften „Lowlife“, Agnostic Front wurde durch „Blind Justice“ gedacht, „Nazi Punks Fuck Off“ galt den Dead Kennedys. Dazwischen propagierte Barney „The next is for my glorious England: 'God S(h)ave The Queen' „, sowie Versöhnung mit dem Festland durch ein „Prost Deutschland!“ (mittels Gänsewein). Im Mittelteil katapultierten uns die Briten „back to the eighties, around 1986/1987, to the titletrack which is called 'Scum'.“ Einen weiteren etwa einsekündigen Hieb setzte „You Suffer“; Napalm Death lieferten was vom deathigen Album 'Harmony Corruption' mit „Suffer the Children“, und nach „This is our absoluteley last song for tonight“ waren Lärm und Chaos und „Siege of Power“ verraucht.
 
R.I.P. Im Sommer 2006 starb Jesse Pintado mit nur 35 Jahren an Leberversagen.
Der mesopotamischen Mythologie nach war MARDUK ein babylonischer Gott, der Himmel und Erde aus dem Leib des Ungeheuers Tiamat, der Mutter aller Wesen, schuf. Marduk in der Jetztzeit sind strittige Schweden aus dem Inneren Kreis des Black Metal. Marduk sind Kriegsfetischisten, sie stehen auf Devotionalien und Militaria aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Lieder handeln von Satan, Krieg und Tod. Marduk provozieren mit blasphemischen Titeln wie 'Fuck Me Jesus', „Jesus Christ... Sodomized“, „Death Sex Ejaculation“. Eine Plattenhülle landete auf dem Index. Marduk reizen mit Werken wie dem Heidrich-Lied „The Hangman of Prague“ und „Warschau“, mit dem Albumtitel 'Germania', mit Zeilen auf Germanisch wie „Tod und Vernichtung nach England“, mit ihrer Netzrubrik „Propaganda Ministerium“, und Marduk lassen auch mal einige in Deutschland ungern gehörte Aussagen zum „Dritten Reich“ ab. Marduk stehen auf Totenköpfe. Sie sammeln Totenköpfe, singen durch und trommeln auf Totenköpfe(n) Lieder ein. Nur Abgründiges war zu vernehmen über die Panzerdivision aus dem Nordland. 1990 von Morgan ins Leben gerufen, ist Morgan gleichsam der Führer bei Marduk. Vokalist Mortuus, Bassist Devo und Trommler Dragutinovic unterstützen ihn seit zwei Jahren. Und heute und jetzt standen sie vor uns - vier Schwarzgekluftete mit langen Haaren, schwarz-weiß getarnten Gesichtern, Eisernen Kreuzen, Drudenfüssen, Patronengurten und Stahlkappenstiefeln: die Legion Marduk auf dem 'Deathmarch'. Ein Hailsruf und ein triumphierend zum Himmel gerecktes Luziferzeichen schloß gleich am Anfang den Bund mit dem Teufel. Der Panzer „Marduk“ rollte - und nahm mich im Sturm. Aus den Lautsprechern prasselten hypnotisch rasende Trossen, hyperschnelle Trommeln und martialischer Haß. Der Gesang war eine Art Gekrächze und Geschrei mit Inhalten, die man so oder so nicht versteht. Marduk ist Ideologie, die man am Stärksten an vorderster Front spürt - beim Headbanging. Was nahezu aussichtslos war. Krallten sich doch zahllose Anfleher Raubtieren gleich am Bühnengitter fest. Damit blieb mir der Kult um „The Black“ und „Burn My Coffin“ nur beim Headbangen im Gefolge. In meinem Kreuz war ein Heer fliegender Mähnen. Auf meinem Rücken ein Gefühl, als ob andauernd jemand mit einem Besen drüberfährt. Und voraus: dieses Inferno aus ultraraserischem, ultraaggressivem, ultrabrutalem Schwarzmetall. Die Heilsbringer um Morgan blieben packend bis zur letzten Sekunde. Mitternacht war das Ritual vorbei und das alte Lichtspielhaus dem Untergang geweiht. Frau (D)Evi(l), Jörg, Erdkugel, Peanut und ich entfernten uns zusammen...
 
...und liefen im Außenbereich in einen Kessel Polizei. Drei Mannschaftswagen und ein Streifenwagen hatten die Schäfergasse von der Zeil abgeriegelt. Man ließ uns durch. Es folgten abschließende Getränke mit Cappuccino, Bohnenbrühe, brauner Brause, Energiebrause und Guinness in der Kneipe „Birmingham“, sowie die Heimfahrt in der Karosse von Jörg „Deprobeat“.
 
 
Heiliger Vitus, 21. Dezember 2004, Bilder: Vitus und Sub-Kultur.net (Publikum)
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
BELPHEGOR
(18.00-18.30)
u.a.:
Demonic Staccato Erection
Diaboli Virtus in Lumbar Est
The Goatchrist
Fukk the Blood of Christ
Swarm of Rats
Lucifer Incestus
 
THE BLACK DAHLIA MURDER
(18.45-19.15)
u.a.:
Elder Misanthropy
Contagion
 
VADER
(19.30-20.15)
u.a.:
Silent Empire
Carnal
Wings
Sothis
 
FINNTROLL
(20.30-21.15)
u.a.:
Fiskarens Fiende
Trollhammaren
Jaktens Tild
Nattfödd
Long Winter Tail
Eliytres
 
NAPALM DEATH
(21.30-22.30)
1. Instinct of Survival
2. Narcoleptic
3. Breed to Breathe
4. Taste the Poison
5. Continuing War on Stupidity
6. Lowlife [Cryptic Slaughter]
7. The Code Is Red... Long Live the Code
8. From Enslavement to Obliteration
9. Scum
10. The Kill
11. Deceiver
12. You Suffer
13. Blind Justice [Agnostic Front]
14. Neues
15. Life?
16. Suffer the Children
17. Nazi Punks Fuck Off [Dead Kennedys]
18. Siege of Power
 
MARDUK
(22.55-23.55)
1. Azrael
2. The Hangman of Prague
3. Burn My Coffin
4. With Satan and Victorious Weapons
5. Perish In Flames
6. Slay the Nazarene
7. Sulphur Souls
8. Panzer Division Marduk
9. The Black...
10. Warschau
11. Bleached Bones
12. On Darkened Wings
13. Throne of Rats
14. Wolves