ORANGE GOBLIN, SKULLBOOGEY
D-Frankfurt am Main, Zoom - 4. Juni 2013
Der Sinkkasten ist tot, es lebe der Zoom. Nach der Pleite der siebziger Klubinstitution „Sinkkasten“ und seinem Rettungsversuch „Sinkkasten Artsclub“ haben sich Anfang 2012 neue Betreiber ins gemachte Nest in Frankfurts belebter Innenstadt gesetzt. Leider wendeten sich mit dem „Zoom“ die Geschicke zum Schlechten. Mit dem auf Massengeschmack ausgelegten Konzept erhöhten sich die Preise ziemlich frech (Eintritt heute 20 Euro, kleines Flaschenbier 3,50), der Durchgang zum entspannten Café „Treibhaus“ wurde zugemauert und ein grießgrämiger Saalschutz eingesetzt, der jeden Spaß im Keim erstickte und damit das Publikum verprellt (es herrschte Fotoverbot, einem Banker mit Aktenkoffer wurde sogar die Tür gewiesen). Da, wo sich immer zur Jahreswende 400 Leute vor Colourful Grey drängten, klaffte heute Leere. Genauso wie an der unterbesetzten, schlechtbestückten Bar. Zirka 50 Cityoten, darunter einige Wichte von der Insel, hatten sich bei Orange Goblin gefunden. Welch´ tiefer Fall... Dem Zoom geb´ ich noch ein Jahr, dann ist er tot.
Als Vorglüher und kleiner Abklatsch der Idole hielten ab 21.10 Uhr SKULLBOOGEY her. Gitarrist und Sänger Evil nebst seiner Combo aus dem Taunus lieferten Hardrock aus dem Groschenheft. Abgehalfterte Achtziger-Gitarren kopulierten mit frivolen wie belanglosen Inhalten zwischen Kirmeszelt und Sündenfall. Der Charme lokaler Vorstadtrocker war einfach nicht zu verdecken. Skullboogey mangelte es nicht nur Aura, sondern auch dem letzten Kick. Alles wirkte gewollt auf Staubtrocken-Rotzig getrimmt, die wild aufgerissenen Augen, die breiten Beine, die wilde Hatz über die Saiten dieser Welt. Wild ja, aber auch abgedroschen. Im Mittelteil gab´s was „für die geilen Frankfurter und Frankfurterinnen“ namens „Looking for Love“, die Nummer „Love War“ befaßte sich - Ei der Daus! - mit dem Thema Ficken, und am Ende eines Kaugummikonzerts von 37 Minuten stand ein „Monster“. Trotz einer Überdosis Testosteron waren Skullboogey keine Ausgeburt an Freude.
Ein Auftritt von ORANGE GOBLIN fängt immer gleich an, nämlich mit einer vom Sänger in die Luft gereckten Pulle Bier. Seit elf Jahren mit Ward, Hoare, Millard und Turner in unveränderter Besetzung, hat sich der Stil mit dem Neuwerk 'A Eulogy For The Damned' einen weiteren Schritt weg von Stoner Rock und Heavy Rock hin zum Stoner Metal bewegt. Um alle Kategorien ein für allemal zum Teufel zu jagen, nennen´s die Londoner ab sofort „Beer Core“. Von 22.06 Uhr an gab es achtzig Minuten lang das Original. Orange Goblin nahmen uns mit auf die Zeitmaschine und entführten uns ins Reich der Phantasie. Nach einem von Motörhead beeinflußen Auftakt setzte „Saruman´s Wish“ an der fünften Stelle für mich den ersten Wirkungstreffer samt dem Befehl zum Wirbeln der Haare eng an der Band. Viele folgten und nach der ersten halben Stunde und dem Frankfurt gewidmeten „Time Travelling Blues“ waren zwei Dutzend am Mähneschütteln, der Rest reckte - von Ben Ward angestiftet - die Fäuste empor. Überhaupt dieser Ward und seine Komplizen! Mit ihren Metalshirts, ihren Aufnähern, den langen Loden und Bärten, den tätowierten Armen, ihren Gesten und der exzessiven Liebe zu Bier und Headbanging, wirkten die Angelsachsen selbst wie Metalfans. Wie ehrliche Typen, mit denen man die berühmten Gäule stiehlt. Rein klanglich waren die „Kobolde“ nie schön, eher rauh, hart und krawallig. Ein Goblin-Konzert schäumt vor abgewrackten Charakteren und akustischem Schmutz nur so über - und ist dabei immer herrlich erfrischend zugleich. Für mich persönlich gab´s final noch eine weitere Sternenstunde durch die Walze „Blue Snow“ - bevor drei zwischen Schund und Kult angesiedelte Zugaben den Traum von Orange „fuckin´“ Goblin beendeten.
 
Ohne mein Mädel hätte ich diesen Abend überhaupt nicht erlebt. Lange hatten wir überlegt: Mudhoney am Montag, oder Goblin am Dienstag. Die Entscheidung war richtig. Eine Viertelstunde vor Mitternacht schnarrten uns zwei Gorillas vom Zoom ein „Dürfen wir die Romantik stören?“ entgegen. Aber wir hatten sowieso gerade ausgetrunken. Auf Nimmerwiedersehen, Schmierentheater „Zoom Frankfurt“!
 
 
Heiliger Vitus, 6. Juni 2013; Bilder: Peanut (Skullboogey, heimlich) und Vitus (O.Goblin, mit Genehmigung aus Engeland)
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
ORANGE GOBLIN
1. Red Tide Rising
2. Round Up the Horses
3. The Ballad of Solomon Eagle
4. Acid Trial
5. Saruman's Wish
6. Time Travelling Blues
7. Getting High on the Bad Times
8. Cozmo Bozo
9. The Filthy & the Few
10. Some You Win, Some You Lose
11. The Fog
12. Your World Will Hate This
13. Blue Snow
******
14. Scorpionica
15. They Come Back
16. Quincy the Pigboy