PARADISE LOST, SAMAEL
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 21. Februar 2010
Die Gier der Batschkapp, die 27 Euro Eintritt verlangte (Euro, nicht Mark!), hatte mir Kopfzerbrechen bereitet. Hingehen oder ignorieren? Andererseits: Worin liegt überhaupt noch der Wert des „Lebens“, wenn selbst eine Zusammenkunft mit alten Helden am Wucher der Anderen scheitert?! Also habe ich mich an jenem Sonntag im Februar aufgemacht - in die parasitäre Krachhalle in Frankfurt-Eschersheim. Fünfhundert schwarze Schäfchen und Schrapnelle hatten sich eingefunden und damit das große Gedränge in der Kapp sichergestellt. In der Masse befand sich auch Promotusse Eve, die mir vom Ende der „Extremen Music“ und aller dazugehörigen Projekte erzählte; sowie „Powermetal“-Reporter Jaeger, den ich am Bühnenrand kennenlernte und der bestens mit den neuen Platten von Paradise Lost vertraut war (nicht jedoch mit den Altigkeiten, die ihm zu hart und zu düster waren).
Punkt 21 Uhr begann es mit „Rain“ und den Industrial Dark Metallern SAMAEL. Wenngleich Legende seit 1987, haben Samael mich nie kratzen können. Samael waren in meinen Augen immer nur auf Fränklis aus - und sind so was wie Rammstein für Arme geblieben. Das war und ist meine ganz persönliche Meinung! Gigantisch erhöht mußte sie auch in Frankfurt sein, die Keyboard- und Schlagzeugbatterie. Dazu trugen die Künstler elitäre Kluft in schwarz, weiße Stroboskopstrahlen blitzten in die Halle, und Lichtermeere tauchten sie in Rot. Zuweilen rotierte eine Triskele über die Wand, dann wieder ein umgedrehtes Pentagramm. Okkulte Symbolik war da, demagogisches Gehabe und Pomp und Pathos im edlen Goten-Look. Aber das alles war nur Schein ohne jede Tiefe. Eingeleitet von schablonenhaften Ansagen schwankten Vorphalack, Makro, Masmiseîm und Xytraguptor eine Dreiviertelstunde zwischen teuflisch Cool und schrecklich Belanglos. Da war das maschinengewehrschnelle „Black Hole“, es gab eine heavy-dunkle Altigkeit mit „Into the Pentagram“ sowie etwas Neues zum Thema Freiheit und Gleichstellung namens „Slavocrazy“. Wie gesagt: alles bis ins Detail perfekt abgestimmt, aber auch ohne Seele runtergespielt. Nach dem schwarzmetallisch rasenden „The One Who Came Before“ räumte das Ensemble aus der Schweiz das Feld. Es folgte eine dreißigminütige Kunst- und Konsumpause. Denn ein Umbau fand nicht statt. Die Kulisse blieb unverändert gleich.
Mit ihrem Album 'Gothic' hoben PARADISE LOST 1991 die ganze Welt aus den Angeln. 'Gothic' begründete nicht nur ein ganz neues Musikgenre mit Namen Gothic Metal, sondern war durch seine bittersüße (und nie wieder erreichte) Endzeitaura mehr Doom als alles was sich damals „Doom Rock“ und „Doom Metal“ schimpfte. 'Gothic' stieß für mich in hohem Maße das Tor zum Doom auf und Paradise Lost zählten damals zu meinen absoluten Helden (mit Abstrichen auch noch über die im Jahresabstand folgenden 'Shades Of God' und 'Icon'). Einige Jahre später bot sich die Möglichkeit, die Uhren um zwei Dekaden zurückzudrehen. Würde es gelingen, alte Gefühle neu zu beleben? Ich hätte es wissen müssen: Wunder gibt es nicht. Die Gelegenheit ließ die Verlorenen zu Kommerzhuren werden, die ihre todessehnüchtige Vergangenheit leugneten. Obgleich sie manchmal beteuern, die Seitensprünge ins Weiche seien Geschichte. Mit „Pity the Sadness“, „As I Die“ und „Eternal“ dachten Paradise Lost heute nur dreimal an die alten Tage (die Alben 'Lost Paradise' und 'Icon' waren völlig vergessen, und Rufe nach „True Belief“ mißachtet). „As I Die“ wirkte zumindest leidlich glaubwürdig. Letztlich kann man auch nicht Nacht für Nacht neu sterben. Zudem mußten die Engländer mit einem seltsam schwachen Klang leben. So hallte „Pity the Sadness“ eher engelsrein als grottentief durch die Batschkapp. Ferner würdigten sich die Protagonisten selbst keines Blickes. Untermalt von faden Lichtspielen zogen Nick Holmes, Greg Mackintosh, Aron Aedy, Steve Edmondson und der frisch rekrutierte Trommellegionär Adrian Erlandsson (u.a. At the Gates, Cradle of Filth und vom Merch-Boy als „He is nice“ charakterisiert) ihre Schau Solitären gleich ohne Auge für den anderen durch. Geld verdirbt leider auch das Wesen. Funken flogen für mich nur bei „Eternal“. „Eternal“ wurde unter Verdunkelung zelebriert, es war verwunschen und es war im Inneren berührend schön. Vielleicht auch durch seine besondere Ankündigung, die die Seelen für einen Moment ungewollt öffnete. „Eternal“ allein war den Eintritt (fast) wert. Der große Rest war Einlullung in Moll und seichte Vergnügung für die Masse. Vor den Überstunden haben sich Scharen davongestohlen. Aber wie orakelt es das jüngste Werk von Paradise Lost? ........ GLAUBE TRENNT UNS - TOD EINT UNS!
 
 

Heiliger Vitus, 24. Februar 2010
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
SAMAEL
(21.00-21.45)
1. Rain
2. Solar Soul
3. Reign of Light
4. Infra Galaxia
5. Western Ground
6. Ceremony of Opposites
7. Black Hole
8. Into the Pentagram
9. Slavocracy
10. The Ones Who Came Before
 
PARADISE LOST
(22.15-23.30)
1. The Rise of Denial
2. Pity the Sadness
3. Erased
4. I Remain
5. As I Die
6. The Enemy
7. Eternal
8. First Light
9. Enchantment
10. Frailty
11. No Celebration
12. One Second
13. Requiem
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14. Faith Divides Us - Death Unites Us
15. The Last Time
16. Say Just Words