RECKLESS, DECADE OF AGGRESSION, WRATH REMAINS
D-Frankfurt am Main, Elfer Music Club - 8. Dezember 2006
„Jetz´ erzählste aber scheisse!“ *burp* Dies die Auskunft des heißen Drahts der Batschkapp auf meine Frage nach dem Konzertbeginn im Elfer. Auch drei Jahrzehnte nach Gründung der Frankfurter Tanz- und Konzerthalle ist alles wie gehabt. Man gibt sich cool, in einem der führenden Klubs der BRD. Auch an einem Jubi-Tag: Die Batschkapp wurde heute dreißig! - Man hatte es also wieder mal mit lauter netten Menschen zu tun auf den drei Ebenen der Maybachstraße 24. Im Obergeschoß wurde beim „Idiot Ballroom“ abgetanzt (Ü30er genossen freien Eintritt), im Parterre wurde gesoffen, im Keller stieg ein Konzert. Oben viele Partysanen, unten viele Partysanen: Der Elfmeter war brechend voll mit „Bad-Soden-Pack“, wie Miss Peanut die Scheißeschwafler aus Frankfurts Speckgürtel nannte. Sechshundert Gesichter in der Batschkapp, zweihundert in der Elfer-Kneipe, aber nur fünfzig unten im Liveclub - wo noch ein Paradox wartete: Der Einlaßstempel trug die Lettern Pit Bull. Ebenjenes Symbol, mit dem ich in grauer Vorzeit wegen dessen rechten Rufs bei den Türstehern zum „Idiot Ballroom“ abgeblitzt war (eine Hose mit dem Pit-Bull-Logo verwehrte damals den Zutritt). Heute war man Hundefreund...
Nachdem der verschollene Gitarrist aufgetaucht war, machten WRATH REMAINS aus der Brüder-Grimm-Stadt Hanau um 21.50 Uhr den Anfang. Es gab modernen Metal, angesagten Metal, straight ins Maul gehenden Angstkinder-Metal, kurzum: Nu Metal. Im Handumdrehen war die Tanzfläche von zig Teens und Twens erobert, die selbige fortan als Bühne für ihre nicht ganz ungefährlichen Ringelpieze mißbrauchten. Unter all den Milchgesichtern kam ich mir wie hundert vor. Wrath Remains agierten dreistimmig. Wobei sich der Leitvokalist mit seinem wütenden Deathgeschrei ein manisch-depressives Scharmützel mit dem klar singenden Gitarrenduo lieferte. Die vokalistischen Duelle waren zugleich der Spannungsmoment im Sound von Wrath Remains. Im Übrigen fand ich den Fünfer etwas matt und gleichförmig.
22.50 Uhr folgte das Rudel mit dem Slayermusik verheißenden Namen DECADE OF AGGRESSION. Es gab jedoch keine infernalischen Metalriffs, sondern melodisches Hardcore-Gebolze mit Haß-Attitüde und Girlie-Power aus Offenbach. Mit Poi stand dabei an vorderster Front eine kleine Frau mit asiatischer Herkunft, die inmitten der wild moshenden Kerle, Stagediver und Crowdsurfer wie eine kleine Schwester der Yakuza-Schwertkämpferin aus Kill Bill wirkte, und die stimmlich zwischen glockenreinem Elfengesang und bösem Gegurgel hin und her wogte. Der Aktion nicht genug, stiftete Miss Poi auch noch eine kleine Wall of Death an... Alles wirklich knallhart. Aber für mich eher an den Nerven zerrend. Weshalb ich die Zeit bis Reckless in der Kneipe am Tresen killte. Ganz so, wie man es seit 1976 in der Batschkapp tut. Frisch aufgeputscht ging´s anschließend wieder eine Treppe abwärts in den Keller, wo D:O:A nach dreißig Minuten ihre finale Nummer zündeten: die „Decade of Aggression“.
 
Während Miss Poi nach getanem Job mit Damenhandtäschchen den Schauplatz verließ, machte sich die letzte lokale Jugendabteilung im Bunde locker...
23.25 Uhr war die Zeit reif für RECKLESS. Auch die stammten wieder aus Hessen (Frankfurt), und kämpften zu fünft im winzigen Ring. Reckless schmiedeten unter halsbrecherischer Geschwindigkeit, mit einer Blackmetal-Wolfsröhre am Mikro und einem Langhaarigen (!) am Sechssaiter, den geradlinigsten, explosivsten und echtesten Metal der Nacht: Metal im Graubereich zwischen brutalem Thrash- und Death Thrash; Stoff, der auf der zwei Stock höheren Mainstream-Bühne Anfang der Neunziger in Ungnade fiel. Womit Reckless allen Hoffnungen auf geilen Undergroundmetal - wie es „Godlike“, „Wounds Heal No More“ und „Killing Machine“ sind! - voll gerecht wurden. Nicht zu vergessen: der vom Schlagzeuger getragene Fetzen der Amis Lamb of God, deren Sänger neulich äußerte, daß 99,9 Prozent der Menschheit wertlos und überflüssig sind. Wer so einem Mann huldigt, kann kein böser Mensch sein. Nein, da konnten mir auch die aggressiv wütenden Halbstarken das Headbangen vor der Bühne nicht verderben. Der energiegeladene Auftritt von Reckless war so was wie ein versöhnendes Ende auf drei Dekaden Batschkappsaufen. Zur Geisterstunde fand der Gig zum Jahrestag der Kapp ein Ende...
 
... und abermals waren die von einstigen Spontis, Rebellen und Subversiven zu Speichelleckern, Kleingeistern und Windelknechten Abgefallenen, all die Schafe und Untertane überlebt.
 
 

Heiliger Vitus, 12. Dezember 2006
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
WRATH REMAINS
1. ... Confidence
2. Taking Shape
3. Fall Deep
4. The Whisper
5. Until I Revolt
6. Of Embrace and Decay
7. Nothing Stays the Same
 
RECKLESS
Intro
1. Godlike
2. Killing Machine
3. Against Time
4. Braindead
5. My Bloody Revenge
6. Firebomb
7. Wounds Heal No More
8. Rope Around My Neck