RUBBERSLIME, DIE MIMMI´S, A.C.K., PASCOW, KACKOPHONIA, AZRAEL, RAMP-AGE
D-Bad Nauheim, Stoll-Gelände - 28. August 2004
Nach wochenlanger Sendepause lud Terror, Mitglied von A.C.K. respektive der Konzertagentur „Brachial Booking“, überraschend zum einem größeren Punk-Festival ein. Am letzten Sonnabend im August sollte es steigen. Im verlassenen Werkshof der Karosseriebaufirma Stoll in Bad Nauheim. Mit den Slime-Nachfolgern Rubberslime als Speerspitze... Wie die gesamte Attitüde, spottete auch der Himmel dem Namen der Veranstaltung. Ende August herrschte nicht der Hauch von „Summertime“. Die Wetterau gebärdete sich dunkelgrau, es goß in Strömen. Um zwei traf ich mit meinem Mädel ein. Mit einem Taxi hatten wir das Gelände am Ortsrand von Bad Nauheim ausfindig gemacht. Punker saßen im Schmutz der Straße, Polizei sicherte die Zufahrt. Unsere Chauffeurin wünschte vorab noch einen „Schönen Tag“ und kratzte hurtig die Kurve. - Eigentlich lief das Fest unter der Devise „Umsonst & Draußen“. Am Eingang wurde jedoch um eine Spende von zwei Euro gebeten. Nach Spende und Rucksackfilzen waren wir im Hof von Stoll. Grob gepeilt achtzig Punker und Punketten, stahlkappenbestiefelte Oi!-Glatzen, Anarchisten, Terroristen, Gammler und sonstige nicht Gesellschaftsfähige trotzten dem Regen. Da waren Ketten- und Nietenbehangene in schwarzen Lederjacken, in Miniröcken und mit Löchern in den Nasen und Strumpfhosen, dazu mit buntem Haar (bevorzugt in Irokesenform). Auch einer Handvoll Opas aus der Kriegsgeneration stand der Sinn nach Aufruhr.
RAMP-AGE (14.00- 14.40)
Ramp-Age, drei Jungpunker aus der Wetterau, rappelten bereits. Den „City Man“ hauten sie uns um die Ohren. Und das „Bastard Asshole“. Schenk, Sidiropoulos, und Wildenhuis dürften sich intensiv mit Bad Religion befasst haben. Sie waren bunt gekleidet und machten schnellen Melody Punk im Stile der Leitfiguren aus dem „Golden State“ Kalifornien. Das instrumentale „Death of Blast-Boosting Thunder Hell´s Evil“, ein mit Ska durchsetztes, erstmals vor vier Jahren mit einem gewissen Basti gespieltes Teil, sowie „I Love You Dead“ waren keine Abweichler in dieser Reihe. Das war ein ganz achtbarer Auftritt, Ramp-Age!
 
Ein Punk hatte sich die Parole „Jung kaputt spart Altersheime“ verinnerlicht und lag bereits in den frühen Nachmittagsstunden blitzeblau im nassen Schotter. Ein Sankra rollte vor. Und fünf Hunde streunten durch den Stollhof. Einer von ihnen (äußerlich eine Hyäne, vom Wesen aber ein Harmloser) soff aus einer Pfütze und würde später noch zu einem Hauptdarsteller werden. Ein anderes Vierbein (schöneres Antlitz) wurde wegen dessen gelbem Crew-Ausweis am Halsband von einer Punkette befragt: „Na, willst du angeben?“ Und ein Filzkopf füllte seine Wasserpfeife in der Lache, aus der zuvor die Hyäne gesoffen hatte.
AZRAEL (15.10-15.50)
Als Nächste waren die selbsternannten „Snob-Punks aus der Gosse“ dran: Supa-W, Tom Tomate, Kinn Louis sowie der Lochmüffler. Der mit Kilt und kriegerischer Stachelfrisur aufmarschierte Supa-W verkündete: „Wir fangen mal mit was ruhigem an: I Love You!“ Man ahnte es schon: Es folgte ein ruppig-rüder Punkrocker erster Kajüte. Und da der Bass nicht laut genug war, gleich noch mal von vorn. Der Vierer aus Frankfurt riß die Menge mit großem Enthusiasmus aus der Starre, und etliche der nun hundert Piepel pogten ausgelassen zu „Riot“ und der Ode an das Reinheitsgebot von 1516 sowie die Frankfurter Bierbrauer „5,3 vol%“, zu „TV Screen“, „Middle Class Hero“ und „Day by Day“. Für den Rest hatte Supa-W die schnippische Bemerkung: „Wer nicht tanzt, ist Offenbacher!“ Und er fügte hinzu: „Wir kommen aus der Stadt daneben, der Stadt mit dem größten Abschiebeknast Deutschlands, die sich so multikulti und liberal gibt: Welcome to Frankfurt, Paradox City!“ Die Punks aus Mainhattan tranken viel Bier und sangen Wüst-Wütendes wie „Stay rude! Stay Punk! Stay Oi!“ und „Superpunk“. Supa-W stellte seine Mitstreiter vor: „Sechs Saiten, scheiß Gesicht: Tom Tomate. Zwei Saiten weniger, Langhaarskinhead: Kinn Louis.“ Und sich selbst: „Wilhelm Frank Otto.“ Das nächste widmeten sie denen, die wegen dem Aufnäher angezeigt und freigesprochen wurden, die berühmte 4-Skins-Provokation „A.C.A.B.“. Azrael hatten noch was für eine Person in Rotenburg an der Fulda, sie sangen es auf englisch: „Different from You“. Und weil es so fein war auch noch mal auf Hessisch: „Anners als du“. Den Abschluß schließlich machte ein knallharter Pogo Punker namens „Fuck You!“.
 
Strippenzieher Terror lief an mir vorbei. Wegen meines abrasierten Bartes hatte er mich nicht sofort erkannt. Terror hatte das Festival zusammen mit zwei Youngstern aufgezogen. Sie hatten mit 1500 Leuten gerechnet. Und es regnete... und regnete... und kein Ort zum Unterstellen! Wir drehten eine Platzrunde. Es gab drei Verkaufsbuden von Bands, zwei von Händlern (Platten, Kassetten, Klamotten und Schmuck), ein Zelt mit Bier, Wasser und brauner Brause, einen Stand mit Vegi-Pampe, einen mit „Antifasoli-Cocktails“ (Rum und Wodka), sowie neun Plumpsklos.
KACKOPHONIA (16.05-16.45)
„Wir sind Kackophonia aus Darmstadt - Das Ende der Unschuld!“: Die Bandvorstellung gab den Startpeng für die wilden Rempeltänzer. Mit dem schnellen „Teufel fliegen“ zeigten die vormaligen Arschgebuiden, wo´s langgeht. Kackophonia waren die Hools von Nauheim. Aggressiv wie freie Pitbulls, aber keine bösen Schläger. Jörg (Roter Kopp), Kossi (4er Apparillo & Loses Mundwerk), Nouki (Verzerrtes Dingsbums) und Basti (Knüppel) sind Gestandene. Und zwei von ihnen (Jörg und Basti) sitzen für die Unabhängige Fraktion Freier Bürger Aufrecht Spontan Subkulturell Eigenwillig, kurz UFFBASSE (Aufpassen), gar im Darmstädter Stadtparlament! Jörg wußte, daß Bertolt Brecht zwar ein alter Sack war, aber gute Texte hatte. Ihm zur Ehre ein vertontes Gedicht und ein neues Liebeslied namens „Brutal“ hinterher. Weil die Kackos aus Darmstadt kommen, und die Kicker vom Böllenfalltor ebenso drittklassig sind wie sie selbst, setzten sie ihnen mit „Allez les bleus!“ ein Denkmal in Hardcore Punk. „Heroin“ war ein Song gegen Drogen, die falsch machen, und bei „Sinn des Lebens“ mischte sich gar entspannter Reggae in den derben Sound. Nur um in „Die Zeit ist reif“ wieder wütend über die Bretter zu toben. Zwei Mißklänge hatten die Männer noch. Zum einen das mit A.C.K.-Terror kredenzte, atemlose Vorkriegsjugend-Cover „Aufstand im Ghetto“. Zum anderen den Titelsong für die eigene Partei „Uffbasse!“ Jörg beendete den Auftritt mit knappem Punk-Charme: „Gegen das Wetter! Gegen Petrus! Gegen Gott!“ Außer einer Split-Aufnahme mit der Skeleton Army existieren keine Tonträger von den Kackophonierern, nur Stoff aus dem Übungsraum.
 
Eine Horde aus fünfzig Punkern fiel in der fünften Stunde ein: die Haare bunt, die Klamotten schwarz, zwei Einkaufswagen voller Bier. Auch der Hyänenhund hatte Kackophonia interessiert verfolgt und geworfene Flaschen artig apportiert.
PASCOW (17.00-17.45)
„Wir sind Pascow mit P aus Baltensweiler mit B.“ So lautete die lakonische Vorstellung vier junger Saarländer mit kryptischer Scheiße im Hirn. Das Quartett aus dem Südwesten ging wesentlich eleganter zu Werke als die räudigen Hessen. Pascow machten flotten, schwedisch angehauchten Punkrock, mit poetischen deutschen Texten und Vokalen, die gelegentlich an Campino erinnerten. „Bukowski Pop“ nennen sie diesen Stil, und 'Richard Nixon Discopistole' hieß ihr Debüt. Davon im Stollwerk rausgedroschene Stücke hörten auf Titel wie „Ich hab´ Hollywood besiegt“, „Eiszeit droht (Punk ist tot)“, „Häuser der Reichen“, „Pathos auf´s Brot“ und „Ich, Jello Biafra und das verdammte WOM“. Pascow stehen auf Charles „Fuck machine“ Bukowski und sind Mitglieder im „Charles Bronson Gay-Club“. Pascow waren aber nicht nur schwer treibend und mitreißend. Nein, manchmal gründelten sie auch etwas tiefer und versprühten subtil Trauriges. Besonders bei den finalen „Schiffbruch“ und „Trampen nach Norden“, den vermutlichen Höhepunkten im bisherigen Schaffen des jungen Rudels. Ach ja: Auch Pascow wurden frenetisch abgefeiert!
 
Immer mehr unter den nunmehr 400 Punkern litten aufgrund giftiger Stimulanzien unter schweren Navigationsproblemen. Um nicht zu sagen: Sie konnten sich kaum noch aufrecht halten. Viele schafften es gar nicht auf die Freiluftveranstaltung, weil sie vorm Einlaß ihre Pullen leeren mußten. Glas war verboten. Drin und draußen war es ein Rein und Raus zwischen 700 und 800 Personen.
A.C.K. (18.00-18.45)
„Was ist los, ihr Assis? Ich bin voll. Ich hoffe, ihr seid genauso voll wie ich! Macht nicht so viel Krach. Ich will tanzen! Wackelt eure Ärsche! Hier sind A.C.K. aus Frankfurt und Umgebung!“ Das Allgemeine Chaos Kommando in Gestalt von Mosti rief zu einer Dreiviertelstunde adrenalingeladenem Hardcore Punk galore - und „1933“ gleich zum Auftakt. Erstmals ließen die Himmelsgötter die liebe Sonne erstrahlen! Mit „Falsche Freunde“, „BGS (Bullen-Gesetze-Staat)“ und „Wut im Bauch“ setzten A.C.K. ihren Rundumschlag gegen Führertum und Krieg, gegen Polizei, Staat und den Polizeistaat sowieso, fort. Protest hatten die Hessen sich schon 1985 auf die Fahne geschrieben. Und die halten sie auch in den Zeiten der Neuen Deutschen Armut hoch! Mit schroff jagenden Speedpunk-Krachwänden hatten Mosti, Ole, Terror und Martin die Meute im Handstreich genommen. Mosti verkündete: „Das nächste Stück ist für unsre baskischen Freunde, die für ihre Freiheit kämpfen! Auch für die in Palästina. Viva Palestina!“ Das Teil hieß „Baskenland“. „Achterbahn“ folgte. Den zerschmetternden Punkhammer darauf schenkte der eingedeutschte Afghane seinem „Freund, Dschordschie Dabbeljuh, den Bushtrommler 'Opfer'.“ Welch´ beißende Gefühle! [Während ich diese Zeilen niedertippe, herrscht Krieg in Afghanistan.] „Widerstand“ folgte. Bei „Nazis“ wiederum pöbelte Mosti: „Wo seid ihr Nazis? Faschoschweine! Scheiß brauner Mob!“ Die gleiche unerbittliche Thematik bei „Wie lange noch“. Kochender Haß, den erst der Gitarrist mit dem ergreifend gesungenen „Vorstadtrebell“ runterholte. Mosti konstatierte gegen Ende kurz und schmerzlos: „Danke, wir waren A.C.K.!“ Doch die alten Kämpen mußten noch mal ran. Neben dem Ska-Shuffler „Oliba“ hatten sie noch zwei Neuvertonungen: Bertolt Brechts „Solidarität“ und Slimes „Polizei, SA/SS“. A.C.K. waren Krieg von der ersten bis zur letzten Sekunde!
 
Autonome aus Frankfurts Au trafen ein, und weitgereiste Sympathisanten aus Bautzen meldeten sich zu Wort. Dazu standen Sanitäter hilflos um einen reglos im Dreck liegenden Punk herum. Ein Kumpel spendete Bier - und der Typ bewegte sich wieder. Von der Horde mit den zwei Einkaufswagen voller Bier weilte bereits die Hälfte im Reiche revolutionärer Träume.
DIE MIMMI´S (19.00-20.15)
Es dunkelte. Scheinwerfer wurden angeworfen: Wie auf den Leib geschneidert für das Bremer Fun-Punk-Fossil Fabsi, der mit blondierter Bürstenfrisur, rotem Anzug und Schellenrasseln grell hervorstach. Die Mimmi´s gibt´s schon ewig. Drei Platten haben sie rausgebracht: 'Was´n hier los', 'Das ist meine Welt' und 'Alles zuscheißen'. Das Motto der Tour setzt sich aus dem Anfang und Ende zusammen: „Was´n hier los? - Alles zuscheißen!“ Von der Urbesetzung war allerdings nur noch Sänger und „Weser-Label“-Gründer Claus Fabian dabei. Eskortiert wurde der heute von zwei Deerns an den Saiten, von Hotti und Nici, sowie von seinem langjährigen Trommler Lars. Den Auftakt machten die Gute-Laune-Nummern „Das ist meine Welt“, „Uns gibt es immer noch“ und „Wir leben nicht zum letzten Mal“. Die Nordlichter erzählten, daß „die Anreise sieben Stunden gedauert habe, weil auf der Autobahn bei Olpe ein Tanklaster in den Vorgarten einer Omi gefallen sei. Darunter leiden müßten immer die Kleinen.“ Dies war zugleich die Ansage für „Der Arsch ist immer der kleine Mann“. Darauf stülpte sich Fabsi eine Papstmütze über und verkündete: „In der gegenwärtigen sozialen Situation können wir nur sagen: Halt´s Maul, Heiliger Paul!“ Die zierliche Hotti sang was Lustiges: „Ich will dich nicht verlieren“, und der auf die fünfzig zusteuernde Chef wurde nach der Länge seines besten Stückes gefragt. Die Penisverlängerung wurde noch nicht vermessen. Stattdessen entrollte Fabsi ein Plakat mit dem Hakenkreuzsymbol „Gegen Nazis“ und schoß das zornige „Gebt den Faschisten keine Chance“ nach. Auch in der Menge war´s nun Schluß mit Lustig: Der mutmaßlich geneckte Hyänenhund trieb einen Punker vor sich her, jener wehrte das Tier mit Pfeffer ab, ein getroffener Punk ging schreiend zu Boden, und holterdiepolter flogen die Fäuste von dreißig Personen. Die Mimmi´s machten mit dem drolligen „Kauft euch doch Bananen“, „Warum nur“ (gegen die Mauer in Israel), „Sag nicht nein“ (von Hotti geträllert) und dem plattdeutschen „Up´n Land“ sonnig weiter. Fabsi war stolz, in Holland für 43 Cent pfandfreies Bier erstanden zu haben, und er höhnte „Dosenbier wollen wir“. Während „Deutscher Meister wird nur der SVW“ flammten neue Schlägereien auf, die sich aber zum Parkplatz verlagerten. Ein Mob stürmte hinterher. Fabsi, dem die Jagdszenen nicht entgingen, bat: „Es kann nicht angehen, daß wir uns auf die Schnauzen hauen!“, und schickte einen Punkrocker hinterher, den sie auf der 79er Tour mit ZK spielten, und der großen Einfluß auf die Strassenjungs ausübte: „Hass“. Nach „Hör mal, haste mal ´ne Mark“ sollten alle „ganz tief auf die Kniee gehen, für die nächste Band“, die Labelkollegen Goldene Zitronen, die mit „Porsche, Genscher, Hallo HSV“ geehrt wurden. Nach dem Unken, daß schon morgen auf der Grünen Wiese Nauheims größter Kulturtempel errichtet wird - ein „Mc Murder“ - war Sense.
 
Quer übern Platz torkelte ein Punk - mit dem Oberkörper in 45-Grad-Schräglage und schnurstraks auf uns zusteuernd. Ich hoffte, er schießt in die Hecke, aber er stolperte wie von einer mysteriösen Kraft gezogen direkt in meine Arme. Der Typ suchte nur was „zu fatzen“ (zu trinken). Zwei 3-mm-Schwänze pinkelten im Schutz der Dunkelheit wild auf einen Hügel am Zaun. Auf der Bühnenkante hockende Jungpunker krakeelten „Bullenschweine, Bullenschweine“, und ein Altpunk schickte „Grüße an alle GG-Allin-Fans“.
RUBBERSLIME (20.30-22.00)
Auf den Mob von draußen ging der Punk nun wieder auf den Planken ab. Die Hamburger Jongs Rubberslime machten Probe mit „Highway to Hell“ [AC/DC, sic], „Never Walk Alone“ und „Anarchy in the U.K.“. Rubberslime: Überbleibsel der Null-Bock-Generation, Pioniere des Anarcho Punk - heute im Lichthof von Stoll. Aufgestellt wurden sie durch Vokalist Dirk Jora (Ex-Slime), den Gitarristen Elf (Ex-Slime) und Minne (Ex-Rubbermaids), Reiner Titan am Bass, sowie Trommler Dynamike (Ex-Rubbermaids). Harmlose alte Männer? Das waren Rubberslime sicher nicht. Bevor´s losging, frug Dirk erstmal, ob USA bei Olympia rausgeflogen sei. Im Basketball hatten die Amis gegen die Gauchos verloren. Eine Nachricht, die Dirk ein freudiges „Argentina, Argentina, Argentina!“ abrang. Zum Auftakt gab´s dann gleich was für die Familie im Weißen Haus mit „Stupid White Man“. Nicht der Freudenspender, doch „A.C.A.B.“ wurde es umso mehr. „All Cops Are Bastards“: einer der Proto-Punker schlechthin. Serviert von den Urhebern! Dirk hat´s in den Arm geritzt, und die Meute stürzte in den Pogo: „A-C-A-B“: vier Buchstaben. Schnell rausgeschrien - und ebenso schnell vorbei. Klar, daß gegen den Kult um den Kiezklub die zarten „Eintracht“-Rufe völlig untergingen. Vorne wurde mit „Song 1“ der FC St. Pauli abgefeiert! Dirk frug auf Platt, ob es in Nauheim Wasser gäbe? Einen Fluß? Einen See? - Natürlich nicht. Und darum sang er vom Freibeuterkapitän, der seinen Kopf verlor, von „Störtebeker“. Die schnelle Maids-Nummer „That Rings a Bell“ und die Ballade „Ich liebe dich“ folgten. Darauf noch eine Slime-Altigkeit mit „Schicksalsspiel“, „Ohne dich wär´ alles schöner“, ein weiterer Slime-Kracher mit „Alle gegen Alle“, und einer von den Maids: „Viva St. Pauli“. Und Dirk hatte was aus dem „Nooorden“ mitgebracht, vom Steuermann „Klabautermann“. Die unsterblichen „Wenn der Himmel brennt“ und „Albtraum“ gingen von Bord. Dirk pestete gegen „die Deppen, die auf den Bühnengeräten rumtraten. Es rieche zu stark nach Hasch und es gäbe gleich Platzverweise.“ Der Ärger entlud sich im rauhen Rocker „Origin of Gin“. Bitte schön, gern geschehn: „Scheissfreundlich“. Voller Tatendrang richtete Dirk seine blonden Stacheln auf. Im Wissen, daß „Religion“ zwar Opium fürs Volk, aber heilbar sei. „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ folgte. Es gab noch ´ne Hymne auf St. Pauli, sowie das wegen der Zeile „USA-SA-SS“ umstrittene „Yankees raus“. Ja, und schließlich warnte „DJ Celtic“: „Es steht zu befürchten, daß wir dieses Lied solange spielen, bis Deutschland stirbt... „ - Die Zeit war reif für „Deutschland“. Hundert Punker mischten die Bühne mächtig auf - zu „Deutschland muß sterben, damit wir leben können!“ Rubberslime waren kriminell gut, und obwohl der Zeiger über 22 Uhr hinausgetickt war, konnten sie sich den „1,7-Promille-Blues“ nicht verkneifen. Final flatterten weiße Tauben in die Nacht!
 
22.15 Uhr erfolgte unser Abmarsch. Drei Punker hatten sich in den Straßengraben geschmissen. Auf dem Weg zum Bahnhof wollten wir noch einen Schluck nehmen - und trafen in der Pilsbar „Treff 22“ auf feindselige Blicke. Der Wirt gab uns zu verstehen, daß er schließe und knipste das Kneipenschild aus. Wir bekamen unser Bier aber im „Blauen Bock“. Auf dem Nauheimer Bahnhof waren drei Mannschaftswagen aufgefahren. Der Polizeifunk gab durch, daß in Richtung Friedberg 150 und in Richtung Gießen 20 Punks abzogen. Zwei Fenster waren zu Bruch gegangen. Nach einer Odyssee von zwei Stunden für fünfzig Kilometer erreichten wir unsere Behausung in Frankfurt. In Bad Nauheim gab es Anzeigen wegen Ruhestörung.
 
 

Heiliger Vitus, 31. August 2004; Bilder: Vitus und Oimel