2. SÄCHSISCHER SLUDGE-KONGRESS
 
EARTHBONG, 71TONMAN, BLACK MOOD, CROWSKIN, CEPHALODON
D-Dresden, Chemiefabrik - 30. Dezember 2023
Wenige Stunden vor Silvester stieg im Lieblingsklub Chemiefabrik ein Doom-Ritual - der SLUDGE-KONGRESS 2023: ein gefundes Fressen, das alte Jahr mit der großen Liebe zu begraben. Sechs Meter hoch stand die Elbe in diesen Tagen in Dresden. Ufer, Straßen und Wege waren in den Fluten abgetaucht. Zum Glück jedoch weder die „Chemo“ noch unsere Bude hundert Meter von der Elbe entfernt. So mußte ich mit Goddess of Doom Peanut auch nicht wie Noah durchs Wasser, sondern treu der Orga Elbsludgebooking unweit des „Elbschlamms“ entlang wandern. Einige Winterböcke hatte ich schon vor der heimischen Anlage kaltgemacht, als ich mich mit ihr ein letztes Mal diesjahr auf große Doomreise begab. Im Vorfeld hatten wir Karten zu je achtzehn Euro reserviert. Doch die Chemo war nicht ausverkauft. Maximal hundert Kunden füllten sie locker auf. Darunter Dicktator Soundz, seines Zeichens Promoter u.a. vom Eastclub Bischofswerda und der Dresdner Scheune, den ich Anfang des Jahrtausends im Netz und heute erstmals in natura traf. Die Stimmung war tiefenentspannt, zuweilen durchwehte Haschisch den Saal. Neben einem Stapel origineller Doom-Aufkleber an der Kasse waren umfangreiche Shirt- und Plattenstände aufgebaut. Ohne die Organisation von Elbsludgebooking hätte es das alles nicht gegeben...
Die sechste Rauhnacht begann treu der Parole „Wie verbrenne ich die Söhne der Stadt?“ Denn das Fest war auf die Minute genau um sieben gestartet. Und kaum daß wir die Füße in den Raum setzten, mußten die Dresdner schon wieder vom Geviert. CEPHALODON spielten eine gute halbe Stunde vor drei Dutzend Gesichtern. Ein Mädel vor der Bühne befand das Prog-Post-Death-Sludge-Metal-Projekt mit dem rätselhaften Namen als „manchmal etwas komisch, aber nicht schlecht“. Tja, doom gelaufen...
Zum Aufgalopp bekamen wir es dann gleich mit Stilsprengern zu tun: Post-Hardcore im Gewand des Doom. Erstmals erlebten wir CROWSKIN 2009 in Darmstadt beim Halloween Of Doom. Im selben Jahr und 2016 folgten zwei weitere Begegnungen beim Low Frequency Assault in Nürnberg [R.I.P.]. Die erste blieb die beste: ein radikales, vor Kraft und Leidenschaft strotzendes Ereignis. Das nächste große Doom-Ding. Dachte ich... Nun kreuzten die alten Krähenhäute aus Potsdam in Dresden wieder auf. Ihr Auftritt begann als ein für Sludge-Verhältnisse ziemlich stürmischer Anarcho-Krawall. Eine Dame zürnte und röchelte wüste Zerstörungsorgien. Dies war nicht die intensive Alexandra von und zu Bolz´n, sondern ihre Nachfolgerin Ulla. Ulla und Rastamann Sasch bildeten im fliegenden Wechsel das Duo am Mikro. Dazu gesellten sich Trossen im mittleren Tempo. Doch die vor zig Jahren eingerührte Soße scheint ausgelutscht. Dazu irritierten Crowskin mit einem undercover am Merchstand baumelnden Shirt, welches der Staatsschutz besser nicht erspäht hätte. Nach einer Dreiviertelstunde rief Ulla mit letzter Kraft und völlig außer Puste: „Wir waren Crowskin! Letzter Song. Der heißt 'Restroom' (sofern ich´s richtig verstand). Danke! Gute Nacht! Tschüss!“
Der Auftritt des langhaarigen Minirudels um Frontmann Sleeze und Trommler Izz entpuppte sich eher als schwermütiger Sludge Metal denn als „Underground and Anarchy“, wie es deren Netzseite androhte. Was überaus positiv zu verstehen ist! Denn Liedern mit Titeln wie „Toxic Hippies“, „Personal Addiction“ oder „Suicide Monkeys“ kann man sich schlecht von der Krawallseite aus annähern. Die seit 2007 existierenden BLACK MOOD aus Sondershausen brachten das Thema „Retro“ in den Sludgekongress. Ihr Fundament war auf dem riff- und schlagzeuggetriebenen Siebzigerjahre-Hardrock errichtet. Einige zünftige „Alright, motherfuckers!“ nebst tonnenweise Southern-, Stoner- und Doom Rock - und fertig war das schwere, dunkle Gebräu aus Thuringia, welches eine durch und durch gute Wirkung hinterließ. Der Abschied lautete kurz und bündig und fast schon entschuldigend: „Wir waren Black Mood! Noch ein Song, mehr ham wir nicht!“
Wie Crowskin spielten 71TONMAN vor Jahren beim Low Frequency Assault in Nürnberg, und hier in Dresden gab es jetzt ein Wiedersehen. Das Quintett aus Breslau fuhr in Sachen Härte und Lautstärke auf was ging, um dem Sludge neue Seiten abzugewinnen. Dabei wurden die Schlesier diesmal nicht von im Hintergrund wackelnden Schwarz-Weiß-Filmchen mit verstörenden Kriegsszenen unterstützt. Was der Darbietung einiges an Strahlkraft nahm. Überdies hatten sie einen neuen Vokalisten in ihren Reihen - den inzwischen vierten seit der Gründung vor zwölf Jahren. K.K. sang überwiegend mit ruhiger, dunkler Stimme - vergraulte die Meute aber immer wieder mit postapokalyptischen Schreiattacken. Analog des zeitlichen Ablaufs waren 71TonMan für meine Adjutantin die Zweitbesten der Nacht. Der Renner waren sie indes nicht. Am Ende stand eine Marter namens „Cyborg Jesus“.
Mit dem Hauptakt wurde der Sludge-Kongress seinem Namen nicht mehr gerecht. Denn EARTHBONG zelebrierten lupenreinen Stoner Doom, schwere Malmer im Schneckentempo, Dope Doom, Bong Metal, Riff Worship pur! Der Dreibund aus Kiel bestehend aus Vokalist und Viersaiter Selly, Sechssaiter Ogo und Trommler Tommy verzauberte mich vom Fleck weg. Ab 23 Uhr 40 versank ich im ersten Sturm am Bühnenrand in einem Meer wogender Haare. Schleppende, dunkel-magische Doomriffs, beseelt bumsende Trommeln, durchbrochen von spartanischen, orgiastischen Keiflauten, und dies untermalt vom ekstatischen Headbanging der Akteure, jagten mir wohlige Schauer nur so über den Rücken. Die Männer aus dem hohen Norden hingen sich voll rein, waren voller Herz und Manie, echte Fans, ganz natürlich. Vor allem, da sie eine lange Anreise von der Vornacht in Nürnberg, und vierunddreißig Konzertnächte mit zwanzigtausend Kilometern in den Knochen hatten. Ein Schelm, wer da an Cannabis und Rauschmittel denkt. Nach einer ungeplanten, aber vehement geforderten Verlängerung, endete ein achtzigminütiger Trip in eine andere Welt - die des geliebten DOOM. Am Ende gab´s nur strahlende Augen, total zerzauste Haare und völlig durchgeschwitzte Shirts. Ein würdiger Abschluß also: Mach´s gut, liebes Drecksjahr 2023! Unterwürfigen Dank, Church of Bong!
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 2. Januar 2024
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
EARTHBONG
(23.40-1.01)
1. Fathead
2. Bong Aeterna
3. Goddamn High
4. Wax
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5. unbekannt
ELBSCHLAMM (engl.: ELBSLUDGE) am 30. Dezember 2023 in Dresden-Kaditz