THE BLACK DAHLIA MURDER, ABORTED, REVOCATION
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 10. Oktober 2013
Größer, höher, stärker... Es war weder die Nachbarschaft, noch behördliche Willkür oder höhere Gewalt, die die Batschkapp aus der Maybachstraße vertrieb. Offiziell war es Platzmangel. Inoffiziell das fette Geschäft. Frankfurts ältester Subkulturenklub expandiert vom beschaulichen Eschersheim im Norden ins industrielle Seckbach im Osten der Stadt. 1976 gegründet, über die Jahre Startrampe für Randgruppen und Untergrundrocker wie die Toten Hosen, Monster Magnet oder Nirvana gewesen (Hausverbot auf Lebenszeit indes für die Onkäls), in den Neunzigern mit der Unterzentrale „Nachtleben“ auch in die Innenstadt expandiert, war die „Kapp“ dem einstigen Mitgründer und jetzigem Chef im neuen Jahrtausend zu klein geworden. Mit der Verdoppelung der Eintritts- und Getränkepreise bei Einführung des Euro waren die meisten Besucher noch klargekommen (schließlich gab´s beim Rewe ums Eck Schnaps und Dosenbier), die Verweichlichung des Programms konnten viele nicht verstehen, die Geschäftssucht noch weniger, und Ende 2013 legten Scheffler und Konsorten die Karten auf den Tisch. Klotzen statt Kleckern ist das neue Konzept. Die Batschkapp öffnet sich endgültig dem Plebs und scheffelt in einer mittelgroßen Arena noch viel mehr Kohle. Der von „Warsteiner“ mitbezahlte Ortswechsel kostet 2 ½ Millionen, aber dafür faßt das ehemalige Kunststoffwerk in der Gwinnerstraße das Dreifache an Publikum. 1500 Partygänger und noch berühmtere Künstler und Literaten soll die neue, 675 Quadratmeter große und von einer Empore bekrönte Lokation ziehen. Der unter der Kapp liegende Musikklub „Elfer“ war samt Keller und Kneipchen schon Ende August in die Klappergasse in Sachsenhausen umgezogen. Nun atmete nur noch die Mutter ihre letzten Zügen unter den alten Bäumen beim Fluß Nidda - bevor sie einem Wohngebäude weichen soll. So siegt die Gier über Generationen und Erinnerungen......
Ganze Heerscharen haben im Gestank und Gedränge der Kapp ihre wilden und besten Jahre verbracht. Manche mußten wegen der falschen Kleidung auch draußen bleiben. Andere sind schon nach Valhalla gegangen. Die Anfänge von Death Metal, Grindcore und auch Doom hat man dort erlebt, zusammen mit Tankard wild die Haare gewirbelt und Bier vernichtet. Nach Mitternacht ist man rotzevoll zum letzten Bus gestolpert. Der Morgen begann mit Blackout, grausigem Kopfweh und Übelkeit. Im Grunde half da nur gleich weiter zu machen, oder für immer abstinent zu leben. Mein Mädel, der die Batschkapp noch mehr am Herzen lag als mir, die seit Mitte der Achtziger dort nicht nur auf unzähligen Konzerten sondern mit Schwesterherz und Freundinnen auch auf den legendären „Idiot Ballroom“-Tanznächten war, wollte ihren Lieblingsort gern noch mal sehen. Aufs Blaue hinein hatte Peanut an Verlosungen teilgenommen, und am 9. Oktober Post bekommen, daß sie gewonnen hat und auf der GÄSTELISTE für das Konzert mit The Black Dahlia Murder steht. Der Gewinn schloß eine Begleitperson ein. Einlaß war 19 Uhr, Beginn 20 Uhr. Die Gruppen waren ihr nicht so wichtig, aber 1. war es eine der letzten Vorstellungen in der Batschkapp überhaupt, 2. wahrscheinlich das letzte Mal, daß man dorthin geht, und 3. läßt man regulär 24,50 Euro Eintritt pro Kopf auch nicht sausen.
 
Nach etwas Zauberelixir vor der eigenen Anlage und einen letzten, knackigen Spaß beim Rewe, waren uns REVOCATION (Extreme-Metal aus Boston, USA) und ABORTED (Grindcore aus Beveren, Belgien) durch die Lappen gegangen. Einer, der Revocation ebenfalls verpaßt hatte, befand Aborted allerdings als ganz in Ordnung. Schade, Aborted hätten mich auch interessiert. Nun lagen die Hoffnungen auf der dritten und letzten Gruppe...
Mit THE BLACK DAHLIA MURDER konnte die Batschkapp noch mal einen fetten Namen des Melodic Death Metal präsentieren. Sänger Trevor Strnad und Sechssaiter Brian Eschbach hatten wir 2004 schon mal vor Marduk und Napalm Death erlebt. Das 2000 in Detroit, Michigan gegründete Quintett legte damals einen modernen, hektischen Auftritt im Ex-Lichtspielhaus „Royal“ hin. Ein langes Leben hatte ich den Schwarzen-Dahlien-Mördern nicht eingeräumt. Aber sie waren offenbar nicht totzukriegen. Mit Strnad und Eschbach haben zwar nur die Gruppenköpfe überlebt, aber Knight, Lavelle und Cassidy füllten die Horde heute wieder zum Fünfer auf. „Mit Texten, die Legionen von Horrorgeistern zum Schwitzen bringen“, wollte man ab 21.47 Uhr das Haus rocken. Bereits der maue Rahmen sprach gegen einen denkwürdigen Abend. Rund 200 Leute machten den Saal nicht mal zur Hälfte voll. Und von denen wird wiederum eine Hälfte das für sie mieseste Konzert des Jahres erlebt haben. Schnelle, stumpfe Rhythmen im Dunst von Hard- und Metalcore - jedoch nie in der Sprache des alten Death Metal! -, dumpfbackige Ansagen und das Stargebaren des dickleibigen Grobians am Mikro, ergaben die gleiche nichtigen Krawallaktion wie vor neun Jahren. Man wartete vergeblich auf Esprit... aber jedes Töpfchen findet bekanntlich sein Deckelchen. Selbst der Stumpfsinn aus Amiland stiftete final etliche zu einem Sprung von der Bühne an. So hatten wenigstens Strnad und seine Diver Spaß. Nach 75 Minuten war die Schwarze Dahlie verwelkt. Aber in neun Jahren wird es sie so oder so noch geben! 23.05 Uhr nahmen wir Abschied für immer von einer Klublegende.
 
Die letzten Flüssigkeiten im „Elfer“ entfielen. Den Elfer gab´s nicht mehr. Ebensowenig den Wetterauer Brezelmann. So sind wir an diesem pessimistischen und naßkalten Oktobertag mit einem Becherlein Bier aus der Batschkapp mit der S-Bahn heimgefahren. Mach´s gut, du schöne Zeit. Eine Zeit, die es so nie wieder geben wird............
 
 
Heiliger Vitus, 15. Oktober 2013
.:: ABSPIELLISTE THE BLACK DAHLIA MURDER ::.
1. In Hell Is Where She Waits for Me
2. Goat of Departure
3. Everything Went Black
4. On Stirring Seas of Salted Blood
5. Statutory Ape
6. Every Rope a Noose
7. Phantom Limb Masturbation
8. Moonlight Equilibrium
9. Funeral Thirst
10. Closed Casket Requiem
11. Raped in Hatred by Vines of Thorn
12. Into the Everblack
13. Necropolis
14. Deathmask Divine
15. I Will Return
16. Map of Scars
Gute Nacht Batschkapp
The Black Dahlia Murder sollten unser letztes Konzert in der Batschkapp gewesen sein. Genau zwei Monate später (am 10. Dezember) gaben Shantel & Bucovina Club Orkestar bereits das erste Konzert am neuen Standort in Seckbach. Am 31. Dezember 2013 besiegelte die schwarze Szene mit der Silvesterparty „Der Knall“ das Ende in Eschersheim. Vom 30. Januar bis 13. Februar 2015 wurde das Gebäude aus dem Ende des 19. Jahrhunderts (vormals „Wirtschaft am Bahnhof und „Filmtheater Metropol“) abgerissen.
 
Bilder: hr-online (Abriß) & Vitus (Ground Zero, das Loch im Vorderground war mal der Konzertkeller vom „Elfer“)