TRIP FONTAINE, AYEFORE
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 23. Dezember 2009
Trip Fontaine hatten wie immer zur Wintersonnenwende einen Auftritt vor Heimkulisse - der er diesmal nicht war. Denn Trip Fontaine haben Hessen verlassen, um ihr Glück in Berlin zu finden. Alle Wege führten aber nochmal ins Zentrum der westdeutschen Geldstadt, das heute unter einer schmutzigem Eiskruste lag. Ganz im Kontrast dazu sollte der Keller unter der „Konsti“ stehen. Denn dort wartete die überschäumende Energie aus knallbunten Rockgitarren! - Um neun sollte es losgehen - um neun war ich im Klub. Doch bis zum ersten Riff sollte es sich ziehen. Mehr als eine Stunde lang!... Was tun, wenn man allein kommt, keine Sau kennt und noch nicht mal was trinken kann, weil man sich für den Silvesterlauf kasteit? Viele waren da. Zweihundert machten das „Nachtleben“ ordentlich voll mit Endzwanzigern in Turnschuhen, bunten Shirts und gewählter Ausdrucksweise. Und alle waren miteinander per du. Es war wie das große Klassentreffen von Rodgau...
Um zehn erlöste die Durchsage: „Hallo, wir sind eben angekommen. Durch Schnee und Eis aus Sankt Gallen in der Schweiz. Wir freuen uns, heil heim zu sein zum Fest!“ Wie um die verlorene Zeit zurückzuholen, starteten AYEFORE mit einem treibenden Hammer namens „World´s Fail“. Auf den Tag drei Jahre zuvor hatten Ayefore schon mal für Trip eröffnet. Damals klang ihr Rock nach Orient und Weltmusik. Aber das ist nun Geschichte. Ayefore fanden zum Prog Rock. Mollschwere Melodien paarten sich heute mit wuchtigen Gitarren die manchmal fast schon den drückenden Fuzz des Stoner Rock trugen. Dazu schlingerte der Fronter zwischen klaren und garstigen Vokalen hin und her. Eine Geschwindigkeit war nicht festzumachen. Mal ging es im mittleren Bereich dahin, mal im hohen Frickeltempo, und mal tänzelte man im Bar-Jazz von Bohren. Inhaltlich lagen die Frankfurter dabei zwischen Phantasie (wie in „Dinos“, in dem es um Urzeitechsen und weiße Seekühe ging), Science Fiction (wie „Floaters“, das vom Wasser handelte) und der Vergänglichkeit des Lebens (mit „Golden Dawn“, welches einem Freund gedachte, der diesjahr wie aus heiterem Himmel 32jährig in Benin starb). Leider trübten die Lyriks die Freude. Etliche Passagen waren von verhirnten Worten überladen. Aus Zeitnot wurde das Programm um die gedachten Zugaben gestutzt. Nach einem knappen Stündlein hieß es: „Frohes Fest, Guten Rutsch und Tschau!“
Weiß der Himmel, was man TRIP FONTAINE in der neuen Heimat im Osten ins Glas füllt: Trip Fontaine haben sich zur abgefahrensten und facettenreichsten Truppe entwickelt, die ich kenne. Daß sich zwei Mitglieder unentwegt an Schlagzeug und Gitarre abwechselten (einer von ihnen steuerte sogar noch die krude Zweitstimme bei), das war schon mal zumindest etwas merkwürdig. Daß einer wie der exhumierte Jimi Hendrix aussieht: nun, dafür kann er nichts. Aber wenn auch noch der eine Schlagzeuger aus der Abspielliste der Vorgänger einen Papierflieger faltet, um diesen ins Publikum zu schleudern, wird das schon etwas seltsam. Rein künstlerisch bewegten sich die früheren Iron Cow heute zwischen jenseitig verdrogtem Psychedelic Rock, krachigem Grindcore und zartbitterem Britpop mit einem Schuß Einstürzende Neubauten. Trip Fontaine sind inzwischen eine Wundertüte, bei der man überhaupt nicht weiß, was drin sein könnte. Mal knisterte es leise, mal hallten weltenfremde Echos durch die Luft. Aber meistens bumste es, rumste es und es haute tüchtig auf die Glocke. Perforierend harte Gitarren trafen auf polternde Trommeln und wilde Schreie, dazwischen stifteten krautrockige Synthesizer-Experimente hirnverkehrende Momente. Alles ging um abstrakte, düstere Visionen und Allegorien. Und manchmal wirkte das alles auch schon fast ein wenig zerfahren. Aber auch das ist Kunst! Als was soll man dieses Treiben, diesen Rabatz bezeichnen? Post Hardcore? Avantgarde Rock? New School Core? 'Dinosaurs In Rocketships' hieß das vorgestellte Zweitwerk. Und das pillepalle verkaterte „Rio, How Nice...“, das scheißwütende Totalchaos „Echolalia“ und die abgedreht-melancholischen „Failures of Repute“ waren für mich die Herausstecher in der einstündigen Seance.
 
Trip Fontaine verteilten vorweihnachtliche Geschenke - und wurden selbst den ganzen Abend lang mit Handschlägen, Herzungen und Küsschen bedacht (besonders der Sohn von Jimi Hendrix). Zu den Gaben der Neuberliner zählten lose in eine Kruschelkiste gelegte Bandshirts für einen Fünfer, große Ansteckplaketten für einen Euro und durchscheinende Schallrillen (begrenzt auf 196 Stück) für einen Zehner. Das besondere dabei: Die Plattenhüllen waren schon mal Verpackung für andere Interpreten gewesen. Sie waren derart wiederaufbereitet, daß das vormalige Äußere nun nach innen gestülpt war. Mit der inneren Bedruckung ergab sich eine absolute Einzigartigkeit. So hatte mein Exemplar mit der Nummer 81 im ersten Leben den Volksmusikanten „Die Lustigen Oberkrainer“ als Hülle gedient. Wenn das keine schmissige Zukunft verheißt......
 
 

Heiliger Vitus, 26. Dezember 2009
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
AYEFORE
(22.05-22.58)
1. World´s Fail
2. Dreamers
3. Dinos
4. Dry Too Long
5. Break Out Hero
6. Floaters
7. My Diamond
8. Fox Devil´s Wild
9. Golden Dawn
10. Spread Life
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11. Outro
12. Sow Bay
 
TRIP FONTAINE
(23.15-0.15)
1. unbekannt
2. Moon Balloon
3. Shine On You Lazy Liaison
4. Some Use Many Eyes
5. Cachacha
6. Rio, How Nice...
7. Echolalia
8. Astronaut
9. Vicemagazinegestalt
10. Failures of Repute
11. unbekannt
12. unbekannt