ACTRESS, DEAD FLESH FASHION, HAVING TROUBLE BREATHING
D-Frankfurt am Main, Elfer Music Club - 18. Mai 2007
„Wenn der Affe zuschaut, pflanze ich keine Erdnüsse.“ Treu dieses Denkspruchs von Dead Flesh Fashion ging es im Elfer gegen die Gestalten, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Zum Ende der neunten Abendstunde war ich mit meiner Flamme in den Keller der Batschkapp hinabgestiegen. Während zwei Stockwerke höher der „Idiot Ballroom“ den Laden wie üblich aus allen Nähten sprengte, herrschte im Liveclub eine triste Kulisse. 22 Piepel zählte ich anfangs, später könnten es dreißig gewesen sein.
Mit unserer Ankunft um 21.50 Uhr legten HAVING TROUBLE BREATHING los. Mit Emocore. Emotionales Gewinsel um Verlustängste, gescheiterte Beziehungen und Furcht vor dem Leben überhaupt: Das ist das Klischee vom Emotional Hardcore, dem hip hinterfragenden Sound der Generation Y. Having Trouble Breathing waren eine der originellen Gruppen im explodierenden Screamo-Angebot. Der Krach der Lüdenscheider bezog einen ganz speziellen Reiz aus der starken Hingabe und Intensität, mit der sie zu Werke gingen. Verzerrte Gitarren prallten auf ein punkig polterndes Schlagzeug sowie eine umfangreiche Synthesizerbatterie. Getragen wurde dieser Sound von einem zweistimmigen Schlagabtausch aus verzweifelten Kastratenschreien und agnostischem Todesgeröchel. Das Ganze rauschte sehr schnell durch die Verstärker. HTB waren voller subtiler Spannung und dürften damit nicht nur Eingeweihte beeindruckt haben. (Mithin die hochaufgeschossenen Kerle mit ihren poppigen Frisuren und engen Shirts auch diverse Damen verwirrt haben könnten.) Als Wirkungstreffer müssen „Annie & The Fear of Loss“ und das nach vehementen Zugabeschreien zelebrierte „Don´t Let Me Down“ genannt werden. Zum Dank für meinen CD-Erwerb schenkte mir der exzentrische Dreadlockenkerl von der Orgel im Wortsinne sein letztes Hemd: ein pastellblaues vom „Midsummer Open Air 2006“. - - „Dich mit deinem Burzumshirt hab ich mir gleich gemerkt! Haben die nicht mal einen umgebracht?“ In einer Mischung aus Respekt und Abscheu gewährten mir die Türsteher nach einem Stopp am Tresen die Rückkehr in den Klub...
Wie die Gruppe aus dem Sauerland, boten auch DEAD FLESH FASHION aus Wiehl den neuen Sound der harten Musikwelt. Nur deutlich brutaler und körperlicher. Die Horde aus dem Oberbergischen Land zerstörte das imaginär vor der Bühne baumelnde Schild „Mind the Gap“, indem sie mit dem ersten Takt die Gegenoffensive ergriff, und das Publikum als Chaos-Mosher von der Front verjagte. Wobei besonders der schweißtriefende Frontbulle Patrick als amoklaufender Elefant im Porzellanladen umherwütete. Mathcore ist das Kleid der Dead Flesh Fashion. Ein schräges Gemetzel, Gegröle und Gekreische mit schleppendem Sludge und überfallartigen Crust-Attacken. Wobei jedes Teil mit einer sehr eigenen, akustisch an die irre Mörderpuppe Chucky erinnernden Stimme, angekündigt wurde. Irgendwie unheimlich. Ihre finalen Nummern widmete die Quinte aus dem Bergischen Land der Vorgruppe ( „weil sie bei XYZ rausgeflogen sind“ ), dem nachfolgenden Hauptakt (einer „Schmuseband“), dem ausrichtenden Klub ( „der die kleinen Sachen erst möglich macht“ [die Nummer wurde in einen blechernen Mülleimer gekotzt]), sowie der Meute ( „für die die Band das alles macht“ ). Nach einer knappen Stunde waren DFF durch.
Und weiter ging´s mit Noise, Nahkampf und Posthardcore - durch die 2005 als The Porn Industry formierten ACTRESS aus Wiesbaden. Actress waren als Topact ausgelost und starteten ihren Endzeitbringer mit einem Dank an Dead Flesh Fashion ( „die nettesten Spastiker, die wir kennengelernt haben“ ) und an Dimmu Borgir ( „die uns sehr beeinflußt haben“ ). Auch die Westhessen wußten mit einer visuellen Eigenheit aufzutrumpfen: Denn treu des abgewandelten Sprichworts „Wenn der Affe zuschaut, wird die Luft zum Atmen zu dünn“, lieferten Actress ihr volles Programm mit dem Rücken zur Meute. Im Übrigen gestaltete sich - Gleich und Gleich gesellt sich gern - alles wie gehabt: Actress waren laut, chaotisch, (selbst-)zerstörerisch, beklemmend und mit ihrem schabigen Gefauche und frostigem Gekrächze zudem leicht surreal und halluzinierend. Nach 26 überschallenden Minuten waren Bremer, Ingo und Eichmann durch und der letzte Schrei aus der geschlossenen Anstalt verstummt.
 
 
Heiliger Vitus, 21. Mai 2007
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
HAVING TROUBLE BREATHING
1. Feel Me Bleed
2. By the Sacred Radiance of the Sun
3. Coloured Haze
4. Break-up Song
5. Greener
6. The Gorgeous Dawning
7. Annie and the Fear of Loss
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8. Don´t Let Me Down
 
DEAD FLESH FASHION
1. Of Needles and...
2. Every Breath You...
3. Trophy
4. Jealousy is a Demon
5. The Morning
6. I Left My Brain at The Gunshow
7. Carcass1 and Vulture2 in Love
8. Stampede
9. Apocalypse Accessoir
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10. Rotten Chaos