BEEHOOVER, ZOLLE
D-Dresden, Chemiefabrik - 5. September 2024
Seit einem Monat waren wir nun auf keinem Konzert mehr. Ein gemütlicher Abend mit Beehoover im Klub ums Eck sollte das Fan-Dasein auffrischen. Doch dann sahen wir dem Ereignis mit gemischten Gefühlen entgegen. Mein Mädel hatte wenig Bock, schließlich fand sie Beehoover zuletzt nicht so prickelnd. Ich selber steckte noch in der Radsaison, fand Klangproben von Zolle aber ganz passabel. Und Beehoover weckten immer Erinnerungen an schöne Zeiten, etwa ans Doom Shall Rise 2006... Der Abend sollte tiefenentspannt werden. Maximal dreißig Kunden verloren sich in der „Chemo“. An der Bar entfiel diesmal sogar der Pfand.
Kurz vor halb neun wurde der Abend eingeläutet. Und „eingeläutet“ war hier wörtlich zu nehmen! Denn der Gitarrist von ZOLLE zog mit einer Handglocke durchs Publikum. Gleich darauf ertönten ein paar Glocken vom Band. Anschließend brach ein Feuerwerk des Nothingcore los. Zolle waren zwei skurrile Typen aus einer lombardischen Gemeinde namens Bruzzelle im Südosten von Mailand: spontan, schlitzohrig, verrückt, voller Herz und Leben, reinste Energiebündel. Beide hatten lange Haare, trugen bonbonfarben glitzernde Beinkleider und rosa Hemden, und waren voller Adrenalin bis unters Dach. 'Rosa' war auch der Titel ihres schon fünften Langwerks, welches Marcello Bellina und Stefano heute zelebrierten. Aberwitzige Trommeln, Trossen im mittelschnellen Tempo, grelle Schreie und treibende Marschrhythmen verschmolzen zu einem bizarren Trash mit Kultcharme. Für die Dauer von fünfzig Minuten malträtierte der Schlagzeuger mit weit aufgerissenen Augen und Mund immer wieder spektakulär auf einem Holzstuhl stehend sein Instrument, versank die Bühne unter 99 frivolen Luftballons, und mimte der Sechssaiter den Fels in der Brandung, einer Heilen-Welt-Geschichte ohne tieferen Sinn, die sie selber Stoner Metal nennen. Zolle machten große Lust auf Dolce, Caffé e Grappa! Leider wurden sie beim Abbau etwas unwürdig behandelt.
BEEHOOVER waren das Gegenstück zu Zolle: ruhig, intellektuell, anspruchsvoll. Seit einem Vierteljahrhundet tingeln Doc Petersen und Claus Halmich inzwischen durch die Lande. Daß man gegen den Lauf der Natur nicht viel machen kann, zeigte sich heute an der dicken Wampe des Schlagzeugers. Besser wird´s nicht. Dafür überzeugten Beehoover heute stilistisch, Der von Petersen präparierte Sechssaiter kam überhaupt nicht zum Einsatz. Stattdessen agierte der Doc wohltuend nur mit seinem wuchtigen, dunklen Bass. Damit hatte der Autritt eine eher stonerige als hardcorige Unterströmung. Neben brachialem Geknüppel steuerte Halmich heute eine Brise Sex dazu, indem er Zolles rosa Luftballons weiblichen Brüsten gleich am Schlagzeug drapierte. Dennoch hat sich über die Jahre eine gewisse Abstumpfung eingeschlichen; werde ich das Gefühl nicht los, daß Ingmar und Claus in erster Linie wie in einem Akt der Selbstreinigung für sich selber und den engsten Freundeskreis auftreten. Davon zeugte auch ein Lied im Mittelteil, welches speziell einer gewissen Rebecca gewidmet war. Nichtsdestotrotz kamen die in Württemberg Beheimateten gut in Dresden an. Ein Blondschopf headbangte von Anfang bis Ende am Bühnenrand durch. Final stand ein weiteres Drum-and-Bass-Gewitter - pur und fulminant auf die Zwölf.
 
 
((((((Heiliger Vitus)))))), 7. September 2024
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ZOLLE
(20.22-21.16)
1. Pepe
2. Lana
3. Pois
4. Confetto
5. Pompon
6. Fiocco
7. Fiorellino
8. Toffolette
9. Merda
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10. Maialini
 
BEEHOOVER
(21.45-22.50)
1. Hell is Paradise
2. Heavy Zooo
3. My Mixtapes Suck Big Time
4. Stanislav Petrov
5. Pain Power
6. Counted is Bygone
7. The Sun Behind the Dustbin
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8. Dance Like a Volcano
9. Damn You, Charlie Brown