SPACEDELIC ODYSSEY XX
 
BEES MADE HONEY IN THE VEIN TREE, A PROUDER GRIEF, ASTROPSŸCH
D-Hofheim am Taunus, Jazzkeller - 15. April 2017
Am Ostersonnabend startete die Jubiläumsfolge No. 20 der SPACEDELIC ODYSSEY - wieder unter der bewährten Regie ihres Organisators Jonas, wieder beworben mit sehr kunstvollen Plakaten und Zetteln, wieder mit lockeren Menschen in einer super Lokation getaucht in trippige Lichtprojektionen, wieder mit knallbunten Retrosounds satt von drei Gruppen - und das alles für schlanke acht Euro Einlaß.
Grausam, daß nur lausige zwanzig Leute die Vorgruppe sehen wollte. Der Mix machte es hier: Vier Typen, die sich zu Beginn wie eine Mannschaft einschworen, und auf halber Strecke ihres Trips ASTROPSŸCH nannten, halfen uns für ein gutes halbes Stündlein zu einer Flucht aus dem Erdendasein. Diese Crew bestand aus einem präakademischen Trommler, einem wohlgenährten Bassisten, einem bärtigen Kauz an der Gitarre, sowie einem spindeldürren Lulatsch hinterm Mikro, der jenseits der Bühne wie ein pickeliger Crackjunkie in Norwegerpulli aussah. Was sie verband, war der Kampf gegen das Böse auf Erden. Unendliche Macht wurde uns Menschenkindern versprochen. So manövrierten Astropsÿch durch vier Tracks, die genauso wenig auf Tonträger existieren wie Spuren von Astropsÿch im Internet. Es war ein tüchtiges Vergnügen mit krawalligen Farben, skurrilen Figuren und einer Musik, die in der Reihenfolge ihrer vier Etappen zwischen New Wave, Doom Rock, Psych und Avantgarde zu verorten war. Die tiefsten Eindrücke hinterließen dabei die tolle Gitarre im Stile der Siebziger; und andererseits das Wesen mit Strumpfmaske, Blazer, Ringelpulli, Damenstrumpfhose, epileptischen Zuckungen, gummiartigen Verwringungen und unkontrollierten Sprüngen. Aber die tanzende Spindel an der Front hatte auch eine große Stimme zu bieten. Was störte, waren die lautmalerischen Plaudereien in der Sprache der Außerirdischen. Ob das Ganze letztlich philosophisch, hintersinnig, verwegen oder pillepalle war, mußte jeder in seinem jugendlichen Leichtsinn selbst entscheiden. Ein Wiedersehen mit den Ufologen scheint nicht ausgeschlossen. Es kam aus dem Einzugsgebiet...
Mit A PROUDER GRIEF und deren in Grau gehüllter Schallrille 'Helian' ging die Reise weiter. A Prouder Grief schien also eher etwas Düsteres vorzuschweben. Und erneut hatten wir es mit Maskierten zu tun. Aber es waren vier (und nicht acht oder gar neun wie zu ihren Anfangstagen). Und diese vier zelebrierten auch entgegen ihren aus zig Worten zusammengesetzten Titeln kein kopfgesteuertes Kammerspiel, sondern puren, instrumentalen Postrock galore! Allein die Apparillos waren eine Wucht. Dazu wirkten die Akteure - so reduziert und ganz fixiert auf ihre Instrumente - regelrecht besessen, von dem was sie taten. Die Setliste entstand spontan durch die Improvisationen zwischen den einzelnen Fragmenten. Wahre Klanglandschaften eröffneten sich vor dem Publikum, so wie A Prouder Grief ihre Melodien machten. Die stille Sehnsucht des klassischen Postrocks tönte genauso mit wie die bedrohliche Tiefe und knackige Verträumtheiten. Während die Gitarristen in innerer Versunkenheit die Hocker drückten, spukte der Bassist immer wieder zwischen einem verstaubten alten Klavier und einem grellen Achtzigerjahre-Keyboard hin und her. So sitzend im Schatten der bittersüß berauschenden Klänge blieben die Akteure zwar auch etwas blass, dafür verströmten dunkle Lichtspiele (oft in Schwarz-Weiß) eine magische Stimmung. Mit sechzig Leuten hatten A Prouder Grief die meisten vor sich, darunter im ersten Sturm den unentwegt tänzelnden Norwegerpulli von Astropsÿch. Wir alle erlebten großes Postrock-Kino, und ein schlichtes „Danke, wir waren A Prouder Grief aus Nürnberg“ beschloß diese Stunde. Der Hauptakt durfte sich warm anziehen...
Der Auftritt von BEES MADE HONEY IN THE VEIN TREE begann mit einem Streichersolo auf der Bassgitarre, er ging weiter mit einem Fehltritt auf die Verzerrerpedale, und er führte kurz darauf in große Erquickung. Die Bees hatten wir im Netz angehört, sie schienen selbst Fans des Doom zu sein. Schließlich heißt 'The Bees Made Honey In The Lion´s Skull' ein Album der Drone-Pioniere Earth! Das hatte uns auf Anhieb gefallen, die Bees waren der Anstifter zu dieser Nacht. Mit ihrer Musik, die sie selbst als „gespenstisch schönen Psychedelic Doom“ einordnen, zogen die Stuttgarter die Meute ab dem ersten Lied in ihren Bann. Wie ihr Name, wirkte ihr grooviges, lebendiges Klanggewand mit der spartanisch eingesetzten hellen Singstimme geradezu organisch honigsüß. Dazu machte ihr stoisch headbangender Frontmann auch optisch was her. Besonders beim Titeltrack des Erstlingswerks 'Medicine' war der ganze Klub in Bewegung. Man wollte „mal das Album durchspielen und sich in zwanzig Minuten am Merch-Stand treffen“. Aber hey: Allein das monumentale Instrumental „Medicine“ und „Sail Away I“ übertrafen die Zwanzig-Minuten-Marke um Längen. Neben diesen meditativen Stoner-Doomern, die etwas an Sleep und Goatsnake erinnerten, suhlten sich die Brüder Dreher, Viersaiter Popo sowie Gitarrist und Sänger Weinrich (kein Witz, nicht der Wino!), auch in weicheren Gefilden. Die Balance zwischen Psych, Stoner Rock und Stoner Doom war nicht ganz perfekt - manchmal standen sich zeitlupenhafte Doomriffs und helle Blumenkinderparts auch wie in einem Wechselbad der Gefühle gegenüber -, aber auch die Bees waren jede Sekunde wert. Nach Mitternacht spielten sie mit „Schnupftabak“, „Dionysos“ und „Bastard Child“ noch zwei Neue und eins ihrer ersten Lieder, die es nicht auf den Silberling schafften, aber überhaupt nicht abfielen.
 
Damit endete die zwanzigste Edition von SPAEDELIC ODYSSEY. Wir waren höchst verzückt! Sternenstaub für immer!
 
 

Heiliger Vitus, 18. April 2017
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ASTROPSŸCH
(20.45-21.21)
1.-4. alle unbekannt
 
A PROUDER GRIEF
(21.56-22.45)
Cowboy -> Shark
Lauschend der sanften Klage (Tiny worried melody)
Es birst ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt
Memorial
IIII (commandment)
und ein paar Neuere
(Anm.: Die Liste entstand spontan mit Improvisationen zwischen den Fragmenten)
 
BEES MADE HONEY IN THE VEIN TREE
(23.02-ca. 0.15)
1. Every Night I Walk the Same Trail of Thought
2. Burn the Sun
3. Medicine
4. Sail Away I
5. Sail Away II
6. Schnupftabak
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7. Dionysos
8. Bastard Child