DUTCH DOOM DAYS XIII
 
THE WOUNDED KINGS, MAGMA RISE, MOUNT SALEM, EXCRUCIATION, VICTIMS OF CREATION, STONE IN EGYPT
NL-Rotterdam, Baroeg - 1. November 2014
Sonnabend, 1. November (2. Tag)
 
Mit einem mächtigen Kater, gleißendem Licht und zwanzig Grad im Schatten begann der November und die zweite Runde der Dutch Doom Days. Nach etwas Hygiene, einem Mittagsmahl mit den Hackfleischklößchen „Gehaktballen“ und drei Heineken vom Faß, waren wir mit der Tram 20 wieder nach Lomardijen gezuckelt. Pünktlich um 15.40 Uhr standen Peanut und ich auf dem Vorplatz des Konzertpodiums „Baroeg“. Dreißig Leute in schwarzer Kleidung waren bereits da (darunter zwei auf einem Mauersims, die ich nicht kannte, die uns aber interessiert beäugten und sich später als Mitglieder von Excruciation erwiesen). In der Halle brachten sich die Ersten gerade in Stellung...
STONE IN EGYPT waren als Letzte ins Aufgebot gerutscht, und sollten ein formidabler Ersatz für ihre sludgigen Landsmänner von No Gods No Masters sein! Wobei mir der eremitische Mann mit der Gitarre sehr bekannt vorkam. Tjeerd de Jong hatte vor zwei Jahren mit Serpentarius im Baroeg gespielt. Doch Stone In Egypt existieren schon etwas länger (seit 1997) und sind nach acht Jahren wie Phönix aus der Asche auferstanden. Stilistisch ähnelten sich die Trios aus dem Flevoland sehr. De Jong, Bronwasser und Nijenhuis kamen wie ein Roadmovie zwischen Blues- und Doom-Rock mit Straßencharme daher, und brachten mit „Forever My Queen“ die gleiche Hommage an Pentagram wie Serpentarius anno 2012. Die einzigen Unterschiede: Bronwassers Baß war mit grünen Lämpchen bestückt; und De Jong sang heute nicht wie der Prince of Darkness, sondern staubtrocken wie Fu Manchu.
Mit einem „Thanks for warm welcome! It´s an honour to play with such bands beside!“ starteten die Nächsten in ihren Auftritt. Es war ihr zweiter außerhalb von Malta. Weit weniger unterwürfig tönten die nachfolgenden Takte aus den Lautsprechern. Die zu den Wächtern des Dooms zählenden VICTIMS OF CREATION zelebrierten ihren Sound aus der doomtypischen Langsamkeit in Verbindung mit aggressiven Gitarren und wechselweise melancholischer Singstimme und gutturalem Death-Metal-Gegrunze, beides durchdringend bis auf die Knochen. Aber das Wogen zwischen Death und Doom schmeckt nicht jedem. Im Falle der Südeuropäer war es hart an der Grenze zur melodramatischen Überspitzung. Überschäumende Dankesworte an den Freundeskreis vor „Those Left Behind“ besiegelten den Auftritt. Rex Santucci und Konsorten waren genauso bewegend, wie Santuccis „How are you?“ und die nachfolgende Einladung auf ein Bier an meine Adresse anderntags...
Zu Beginn der siebten Stunde stand mit EXCRUCIATION das Rudel mit der skurrilsten Optik vor uns. Während der Vokalist mit seiner Hardrockmähne noch ebenso als halbwegs normal durchging wie der Trommler, kam der eine Gitarrist mit weit aufgerissenen Pupillen, Schnauzer und Mähne wie ein Pornostar daher; und der andere wirkte im langen Ledermantel wie ein schauriger Nachtfalter. Doch alle waren nichts gegen das Gerippe am Bass, das sich mit leichenblassem Antlitz, Stromschockfrisur und verkrallten Fingern als Freddy Krueger tarnte. Die fünf finsteren Typen mit Trieb zu Grusel und Teufel kamen aus dem Gnadentodparadies Schweiz und hatten schnell bis zeitlupenhaft runtergekurbelte Teile zwischen Schund, Brutalität, Schwarzmetall und Doom mitgebracht. Obskuren THrash hatten sie schon 1984 gemacht. Die Tonrille 'Last Judgement' erschien, als der Metal noch auf Kassetten und Vinylplatten lief, die Haare lang und die Hosen eng, und viele im Baroeg noch nicht geboren waren. Das Faible für Doom entwickelte sich nach einer sehr langen Pause zu Beginn des neuen Jahrtausends. Doch ihre Vergangenheit verfolgt die „Entkreuzigten“ noch immer. Meccariello, Bosshart, Reitze, Lowinger und Renggli strotzten vor Selbstvertrauen und preschten wie Besessene übers Geviert. Einer warf sich auf die Knie, der andere reckte die Finger Richtung Lichtbringer, und der nächste verdrehte seinen Kopf um 180 Grad. Das an die rumpelnden Blackdoomer Barathrum erinnende „Murmansk“ und der bedrohlich heruntergezählte Schlußakt „Devil Wears Christ“ stiegen zu zwei der genialsten Momente der Doomtage 2014 auf. Eigene Veitstänze waren natürlich Ehrensache......
Der nächste Trupp hatte nicht nur eine eigene Verstärkeranlage, sondern auch die die meisten Fanartikel mitgebracht. Neben verschiedenen Tonträgern und Textilien waren auch bedruckte Getränkehalter, Aufnäher und Abziehbilder über den Großen Teich transportiert worden. Dazu war auf der Bühne eine geheimnisvolle, abgewetzte Korg-Orgel aufgebaut. Mit ihrer Heimat in Chicago hatten MOUNT SALEM eine Reise um die halbe Welt hinter sich. Sie surften auf der Retrowelle, hieß es. Es sollte ein okkultes Gekreuz aus siebziger Psych und Doom Rock geben. Mit einer Frau an der Front. Die Spannung war äußerst hoch, die Ernüchterung umso tiefer. Denn spätestens mit dem dritten Stück war klar, daß die Amis mit dem Feuerwerk von Excruciation nicht mal im Ansatz mithalten konnten. Emily war etwas jünger als die Männer, verdammt hübsch und echt heiß. Schade nur, daß sie nicht singen konnte. Der Rest war einlullender Hippiekram. Peanut und ich setzten uns zwecks Nahrungssuche nach draußen ab, landeten wie immer beim Asiaten gegenüber, und trafen dort auf Rico, einen Komplizen der Leipziger „Doom Metal Front“. Wir verspeisten panierte Hunde und Katzen. Das Gleiche wie jedes Jahr...
Wenn es ums Nichtaufgeregtsein ging, hatten MAGMA RISE gegenüber den Amis einen Riesenvorsprung an Erfahrung. Und damit geht mein Respekt an Gabor Holdampf, der schon 1993 mit Leukemia im Hardcore unterwegs war, mit Mood den Doom in Ungarn ins Rollen brachte, und der seit vielen Jahren unermüdlich mit Wall of Sleep und Magma Rise übers Land tingelt (und ganz nebenbei noch für sechs Nachfahren verantwortlich ist). Stilistisch halten sich Holdampf, Hegyi, Herczeg und Banfalvi an Genrevorbilder wie Down oder Crowbar. Die stark vom Southern- und Heavy Rock beeinflussten Lieder können auch als Stoner Metal bezeichnet werden, und kommen zäh, düster und verdammt heavy daher. Durch das ungarische Englisch und den Großen-Jungen-Charme ihres Sängers, die Leidenschaft und Hingabe der Saitenmänner, sowie die Schrulligkeit ihrer Lieder, waren Magma Rise schon immer etwas anders und zugleich sympathisch. „Storm Swallows“ stieg in meinen Augen zum emotionalen Höhepunkt auf - bevor „Tombstone“ dieses stille Konzert voller Leidenschaft beschloß. Wenig später stand Gabor neben mir und erwies sich ein weiteres Mal als eine Seele von Mensch...
Steve Mills hatte seine Gruppe nach einer Karte aus dem Tarot benannt. Doch daß die Gefährten an seiner Seite wechseln wie im Wahrsagespiel - darauf hätte er wohl gern verzichtet. Nach jahrelangen Bäumchen-wechsel-dich Spielen der Mitglieder und dem Versuch mit einer zauberischen Frau, stand auf dem aktuellen Kreuzzug mit George Birch der zurückgekehrte Originalsänger am Mikro. Die Formation aus dem englischen Devonshire präsentierte ihr viertes Langeisen: 'Consolamentum'. Mit an Bord waren Alex Kearney, Al Eliadis und Myke Heath. Damit agierte man mit einem Bass sowie zwei und - immer gegen Ende - drei (!) Gitarren! Wobei sich die hochaufgeschossenen, fast zerbrechlich anmutenden Saitenmänner mit ihren Bärten wie Drillingen glichen - und der eigentliche Chef Mills am Bühnenrand fast zu einem unscheinbaren, altertümlichen Nerd verkam. THE WOUNDED KINGS waren völlig anders. Ihre Musik ergriff einen ganz. Sie war wie eine zarte Mädelgestalt mit der Sogkraft eines Moors. Schon der Auftakt voller dunkler Doomriffs, wunderbarer Melodien, der majestätischen Leitgitarre, den wuchtigen Trommeln, und dem glockenhell gesungenen Geständnis „I saw the devil“ jagte einem die Schauer nur so übers Kreuz. Und dem waren auch die Protagonisten erlegen. Die fünf gaben sich von der ersten Sekunde ihrer mit Grips und atemraubender Intensität entfachten, schwarzen Magie hin, und sogen sich wie in Ekstase in die Instrumente hinein. Die Begeisterung im Baroeg kannte keine Grenzen, ein Fan holte sich beim Headbangen eine blutige Nase, und auch die restlichen vier Teile - allesamt von epischen Ausmaßen - hielten die manische Trance aufrecht. Ganz ehrlich: Gewaltiger konnte das Festival nicht werden. „Die Verwundeten Könige“ lieferten das mit Abstand größte Spektakel - ein dröhnendes Erdbeben! Kurz vor Ende der elften Nachtstunde trieben dicke Schwaden über die Planken des Baroeg. So und nicht anders muß der Nebel über den Hügeln und Mooren im Südwesten Englands liegen. - Wer wollte, konnte mit „Doom Over The World“ weiterfeiern. Aber wem war heute noch danach? The Wounded Kings! Wow!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
STONE IN EGYPT
(15.47-16.26)
1. Intro
2. New Queen of Turbo Bass Sound
3. A French Suitcase
4. Seeking Oblivion
5. Diesel Freak
6. Tomb Transmission
7. New Song 1
8. Forever My Queen [Pentagram]
9. New Song 2
 
VICTIMS OF CREATION
(16.50-17.40)
Unbekannt
 
EXCRUCIATION
(18.05-18.48)
1. Mother South
2. Under the Linden Tree
3. December 12
4. Murmansk II
5. Mo(u)rning Again
6. Dignitas
7. Devil Wears Christ
 
MOUNT SALEM
(19.12-19.57)
1. The Tower
2. Lucid
3. The Looking Glass
4. Bloodspoint Road
5. The End
6. Good Times
7. Full Moon
8. Mescaline
9. Mescaline II
10. Forbidden
 
MAGMA RISE
(20.35-21.25)
1. The Man in the Maze
2. A Part of the World
3. Time´s Been Given
4. 40 Million Years Rain
5. Vertical Truth With Horizontal Lines
6. Storm Swallows
7. Five
8. For Those...
9. Tombstone
 
THE WOUNDED KINGS
(21.57-22.49)
Unbekannt
Ein Taxi von der Größe eines Mannschaftswagens kutschierte uns durchs nächtliche Rotterdam heil zurück zum Seemannshaus.
 
 
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((((((Heiliger Vitus)))))), 9. November 2014