DUTCH DOOM DAYS XIII
 
SAINT VITUS, ORANGE GOBLIN, VOID MOON, ACID DEATHTRIP
NL-Rotterdam, Baroeg - 2. November 2014
Sonntag, 2. November (3. Tag)
 
Heute ging das Doomfest in sein drittes und letztes Kapitel. Die Nacht konnten Peanut und ich durchschlafen, unsere wilde Ehe hielt nun seit 22 Jahren. Das Frühstück war gut. Da zum Spinozaweg sonntags keine Tram fuhr, wurden noch mal 24 Euro für eine Droschke fällig. Nach Unterquerung der Maas im kilometerlangen Maastunnel und einer Fahrt durchs Grüne, wurden wir nachmittags um um vier bei strahlendem Sonnenschein vorm Mikrokosmos „Baroeg“ abgeladen.
Der letzte Tag begann Schlag vier mit einem barschen Einstieg. Die Frisur des Frontmanns und sein Shirt mit sowjetischer Schrift sagten schon alles: ACID DEATHTRIP waren keine von uns. Die Niederländer hatten einen Mix aus Hard- und Doomcore am Start. Sie agierten mit tollwütigem Gekreisch und hochtourigen Instrumenten, legten eine hoch aggressive Körpersprache an den Tag und suchten verstärkt Kontakt zum Publikum - wurden aber kaum erhört. Denn in der Wirkung waren sie oft fad und platt wie ihr Land. Immerhin lieferte die Quinte auf der Zielgeraden mit „The Fallen“ einen Doomer mit Hymnencharakter ab.
Vor einem Jahr mußten VOID MOON passen - heute fuhren sie als einzige Gruppe dekorative Aufsteller vor den Lautsprecherboxen auf. Dazu baumelte im Hintergrund ein riesiges Banner mit dem Gruppennamen. Ebenso riesig fielen die Abspiellisten im A3-Format aus. Peanut mutmaßte: „Wahrscheinlich sind die kurzsichtig.“ Dazu wurde unabläßig vernebelt. Und irgendjemand muß auch Tabletten geschluckt haben. Denn nach Void Moon lag ein leeres Behältins auf der Bühne. Rein klanglich dominierte über weite Strecken eine metallische Grundierung, zuvorderst getragen von der herben, etwas an Hetfield erinnernden Stimme des Bandleaders Gustavsson. Drei Gitarren lieferten ein episches Geleit. Jammerschade, daß die Schweden trotz sonniger Mimik etwas bemüht, etwas schlau, etwas unterkühlt wirkten, und erst am Ende richtig auftauten. „Through the Gateway“ und „Morning Son“, klasse Doomer, die offenbar von heidnischen Ritualen handelten, machten Lust auf mehr...
ORANGE GOBLIN hatten mit dem überfüllten Baroeg die größte Kulisse. Wobei die meisten Gesichter nur am letzten Tag aufkreuzten, um sich die Rosinen Goblin und Vitus rauszupicken - und denen, die schon die Nächte davor im Baroeg verbrachten, das Leben zusätzlich zu erschweren. Aber da Ward und Konsorten sowieso kein Doom sind, und heute - denk´ ich an Wards stieren Blick - verbotene Substanzen im Blut hatten, war mir das ziemlich egal. Die Londoner punkteten beim Metal-Pack mit gereckten Fäusten und reißerischem Dünnsinn und wirkten mit ihrem Wacken-Metal in dem kleinen Klub völlig übertrieben. „Blue Snow“ war das einzige Teil, was die Stoner-Vergangenheit aufleben ließ. Wie als Entschädigung hatte das Personal zwei Platten mit Wurst, Gurke und Käse auf dem Tresen plaziert. Sie waren in Windeseile abgegrast - und Orange „fuckin´“ Goblin nach 60 Minuten und keiner Sekunde mehr am Ende!
Die aufregendste Geschichte ereignete sich in der achten Stunde. SAINT VITUS schlichen ins Baroeg. Die Heiligen! Das echte Leben! Die Unberührbaren! Und ausgerechnet kurz vor deren Auftritt passierte etwas Außergewöhnliches: Wino legte an der Bar seine Hand auf meine Schulter und führte mich - vorbei am still betenden Dave, dem gebrechlichen Mark und Tausendsassa Henry - durch eine Tür in einen Lagerraum. Dort teilten wir uns eine Gallone Bourbon - und das ganze Gefüge geriet auseinander. Daß der eine oder andere Satz nicht zu Ende geredet wurde, war der Sprache und der Zeit geschuldet (Winos Funktelefon zeigte „6:52“ an - ging aber nach dem Mond). Bis Tourboss John Perez erschien, hatte die Welt schon zig Purzelbäume geschlagen. Gut, daß niemand dabei war... Mit viertelstündiger Verspätung und nachdem Wino die Frontreihe mit Whiskey versorgt hatte, wurde verdunkelt. Irgendwie bahnten wir uns in letzter Sekunde einen Weg nach ganz vorn. Dort konnte ich endlich Gefühle zeigen. Vitus waren Funkenflug von der ersten bis zur letzten Sekunde. Wahnsinn, mit welch spärlicher Ausrüstung die Amis Rotterdam im Sturm nahmen. Chandlers Sechssaiter, das Verzerrerpedal, Adams Bass, die für Vasquez hergerichteten Trommeln, und ein Mikro für Wino reichten. Und indem sie eine Flasche Jacky von Hand zu Hand und von Mund zu Mund durch die Frontreihe wandern ließen, erschufen sie das einende Element. Wino selbst ließ sich im freien Fall von oben flüssiges Manna in den Rachen laufen. In Sachen Strahlkraft und Lebenswerk konnte es mit Vitus sowieso niemand aufnehmen. Die Zeit bis zum ungeplanten Abspann „Saint Vitus“ versüßten sie mit dem Nonplusultra des Doom. Neben den Überhymnen „Living Backwards“, „Clear Windowpane“ und „Born Too Late“ zelebrierten sie mit „The Troll“ und „The Lost Feeling“ auch zwei eher verkannte Düsternummern. Die Rookies „Blessed Night“ und „Let Them Fall“ fügten sich ganz wunderbar in die Heiligtümer ein. Nichtig zu erwähnen, daß jedes Lied bedingungslos abgefeiert wurde. Oh, nein! Es wurde von Rotterdam nicht nur abgefeiert, sondern jede Note angehimmelt, jede Zeile aus vielen Kehlen mitgesungen. Punkt 21.41 Uhr endeten sechzig hochemotionale Minuten. Für viele waren die Doomtage direkt nach Saint Vitus erledigt. Manche waren auch schon zwischendrin abgehauen. Ein gebrochenes ´V` flackert irgendwo.....
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ACID DEATHTRIP
(16.01-16.36)
1. The Aftermath
2. Deathtrip
3. End of The Line
4. Raising the Chalice
5. Shortcut to Hell
6. Salvation
7. This is How We Roll
8. The Fallen
 
VOID MOON
(17.15-18.00)
1. Madman
2. The Word and The Abyss
3. Where the Sleeper
4. Among the Dying
5. Hammer of Eden
6. Cyclops
7. Through the Gateway
8. The Mourning Son
 
ORANGE GOBLIN
(18.37-19.37)
1. Scorpionica
2. Acid Trial
3. Saruman's Wish
4. Sabbath´ Hex
5. Heavy Lies the Crown
6. Blue Snow
7. Some You Win, Some You Lose
8. Into the Arms of Morpheus
9. The Devil´s Whip
10. The Fog
11. They Come Back (Harvest of Skulls)
12. Quincy the Pigboy
13. Red Tide Rising
 
SAINT VITUS
(20.17-21.41)
1. Living Backwards
2. I Bleed Black
3. Blessed Night
4. Let Them Fall
5. White Stallions
6. The Troll
7. War Starter
8. The Lost Feeling
9. H.A.A.G.
10. Dying Inside
11. Clear Windowpane
12. Born too Late
******
13. Saint Vitus
Epilog
 
Montag, 3. November
 
Der schwere Kopf am Morgen war ein ebenso vertrautes Gefühl, wie der Frühschoppen bei Johnny an der Hotelbar. Peanut berichtete mir von ihrer Beobachtung, wonach sich gestern ein junges, zierliches Mädel gestützt von einem Jungen ans Baroeg erbrochen hatte. „Wenn das unser Taxifahrer gesehen hätte...“ Wir selber wurden bei der Abreise von der Niederländischen Schnellbahn an der Nase herumgeführt, und erreichten in Utrecht unseren ICE auf die wortwörtlich allerletzte Sekunde. Die Türen gingen bereits zu... Aber immerhin waren wir allen Lokstreiks entronnen, sowohl auf der Hin- wie auf der Rückfahrt! Während wir am Abend in der hessischen Wetterau in einen ewigen Schlaf versanken, mußten Saint Vitus in Köln zu ihrer 24. Konzertnacht in Folge ran. Es folgten zehn weitere - bevor nach 35 Auftritten in 13 Ländern Mitte November beim Hammer Of Doom in Würzburg der „Born Too Late“-Feldzug über Europa sein Ende finden sollte. Wobei ich nicht nur um Wino, sondern auch um Mark Adams in Sorge war! Der Bassist war ein vitaler Langhaariger. Ihn plötzlich kraftlos und alt zu sehen, hat mir gezeigt, wie schnell alles vorbei sein kann......
 
 
Gepriesen seien
Pim (Dutch Doom Days)
Die Crew vom Baroeg
Wino, Dave, Mark und Henry (Saint Vitus)
Gabor (Magma Rise)
HNS Reitze (Der Neue bei Excruciation)
Rex (Victims of Creation)
Steve (The Wounded Kings)
Sven und Rico (Doom Metal Front)
Peanut (Goddess of Doom)
 
 
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((((((Heiliger Vitus)))))) & Peanut, 9. November 2014