FU MANCHU, FIREBIRD
D-Wiesbaden, Schlachthof (Halle) - 14. Juni 2003
Stoner Rock sollte heute zelebriert werden. Kaliforniens Wüstenfüchse Fu Manchu sollten uns nach den „The Action Is Go“- und „King Of The Road“-Tourneen auf dem Sommerfeldzug zum hundertminütigen Liveorgasmus 'Go For It!' ein drittesmal mit staubtrockenem Fuzzrock verzaubern. Der weite Weg nach Wiesbaden konnte Peanut und mich nicht schrecken. Bei sengender Hitze liefen wir um neun auf der Brache des ehemaligen Schlachthofs ein, und standen nach Austreten am Wasserturm dann tatsächlich vor dem zum graffitibeschmierten Kulturzentrum mutierten Kernbau. Aber was war das?...
 
...ein handgeschriebener Zettel an der Tür: Absage!!! Scott Hill, der Frontmann von FU MANCHU, war erkrankt. Kurzfristig. Fieberschauer, wie zu vernehmen war. Aber der „Special guest“ sollte auftreten. Abzüglich Vorverkaufsgebühr gab´s 14 Euro pro Eintrittkarte zurück - und für vier Piepen die Gruppe Firebird solo.
 
2000 Menschen faßt der „Schlachter“. Die Suicidal Tendencies hatten ihn 1998 ohne Rücksicht auf Verluste bis zum Bersten gefüllt. Heute war die Große Halle durch einen Vorhang halbiert. Im restlichen Salon tummelten sich rund 150 Leute. Ich probierte das Modebier „Becks Gold“ - und traf den schnellen Marathonläufer Tim L., der mir von den Rennschlachten in Frankfurt und Mainz bekannt war. Heute redeten wir in artfremdem Revier unter Pausenberieselung von AC/DC.
Um 22.05 Uhr rifften die Seventies Rock Lords FIREBIRD die ersten Akkorde. Firebird sind in erster Linie Bill Steer. Steer war 1986 mit Napalm Death ein Pionier des Grindcore und mitverantwortlich für die Speedgranaten 'Scum' und 'From Enslavement To Obliteration'. Ab 1989 war er dann die treibende Kraft hinter den nicht minder extremen Pathologengrindern Carcass. 'Reek of Putrefaction', 'Symphonies Of Sickness' und 'Heartwork' hießen deren Auswürfe auf den Homo sapiens. Dieser Tage macht Steer etwas, das damals perfekt dem Feindbild des Grindcore entsprach: Blues pickepackevoll mit Flower Power. Äußerlich noch immer das langmähnige Babyface wurde er als Gitarrist und Sänger bei Firebird begleitet von Bruder Al sowie Alan French. Eine Promo besaß ich von Firebird, die des Zweitlings 'Deluxe'. Jene landete im Müll. Wenig Änderung brachten die neuen Taktgeber auf 'No. 3'. Der heutige Beginn „Cross the Line“ galt dem verhinderten Fu-Manchu-Mann. Gefolgt von zwei Liedern, die nahezu Wiederholungen des ersten waren. Firebird wirkten echt und ehrlich, aber auch leblos. Das Trio verlor sich in der Weite der Bühne. Einzig Steer stakste zuweilen storchengleich über die Planken. Der schien der größte Rory-Gallagher-Anbeter unter der Sonne. Nicht nur Glockenhose und Flanellhemd, auch die kratzige Röhre erinnerte frappierend an den Iren. Bill war Rorys Reinkarnation - und wir logierten im Loungesofa mit kiffender Jugend zur Seite. Bill verkündete Stoff vom ersten Album: „Guitar“. Auch das wieder schwer rifflastig bis durchgeknallt jazzig, doch kaum mitreißend. Viele wanderten ab. Für die achtzig Gebliebenen wurde das mit fumanchuigem Trommelwirbel gespickte „Mistaken Again“ zum ersten Herausstecher; und bei „Hell´s Over“ ließen Firebird ein klasse Gitarrensolo von der Leine. Nach einer Dreiviertelstunde entschuldigte Steer Firebird sinngemäß, sie seien immer nur die Vorgruppe und daß sie nicht mehr konnten. Und von da an blühten die Gänseblumen aus Engeland auf. „End of the Day“ war die erste Zugabe. Ein geradliniges Teil, das die fünfzig Ausharrer stürmisch abfeierten. Das steigerte sich noch bei „Hard Hearted“, eingeleitet von einem Drumsolo, und übergehend in ein unter die Haut gehendes Mundharmonikasolo von Bill. Es waren acht Minuten, in denen Firebird alle Herzen erstürmten. Und noch mal mußten die Jungs ran. „Bill come back!“: der Trommler pfiff Steer zurück. Der erklärte, daß Firebird nichts weiter haben und sie es auf einen „different way“ tun. Eine Improvisation beendete nach siebzig Minuten die Schau. Mit ihren Da capos haben die kleinen „Feuervögel“ versöhnt. Peace!
 
 
Heiliger Vitus, 15. Juni 2003