UNHEIL ÜBER GÖPPINGEN
 
MOUNTAIN THRONE, BLACK REVELATION, MUSTUM
D-Göppingen, Zille - 28. Januar 2023
Zum „Doom Over Goeppingen“ (oder „Unheil über Göppingen“ - egal) kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Hatte rein zufällig im Fakebuch das Plakat zur Veranstaltung entdeckt. Überlegungen mit meinem Mädel, ob sich zweihundert Kilometer von Frankfurt über Stuttgart in die Kleinstadt am Hohenstaufen für drei Gruppen lohnen, folgten. Angesichts der Doom-Ödnis weit und breit, haben wir uns am Sonnabendmorgen aufgeschwungen - und trafen unterwegs auf eine entspannte Bar, ein bierseliges Bordbistro und Eintrachtfans auf ihrem Weg zu Bayern München... Das Bettchen für eine Nacht stand in den „Drei Kaiserbergen“. Pünktlich zur Öffnung der „Zille“ um halb sieben traf ich mit Goddess of Doom Peanut ein. Es war noch nicht viel los im Motörhead-Kneipchen im Herzen von Göppingen. Das sollte sich jedoch ändern. Neben den sechzig zugelassenen und mit stilvollen Hartkarten ausgerüsteten Doommännern und Doomfrauen fanden sich etliche Fremdkörper ein, die nach Wegfall der Zutrittskontrolle in den Konzertraum drängten. Jener fand sich im Hinterzimmer der Gaststätte und maß sechs mal sechs Meter. Die „Bühne“ war ebenerdig in einer Nische neben dem Durchgang zur Bar untergebracht. So hauteng erlebt man Bands selten. Zumindest vorn. Zu vorgerückter Stunde war der Laden brechend voll und für viele der Blick versperrt. Ein Schild über der Tür verkündete unterdes stolz den Schauplatz des Abends: Seit 1981 TANKSTELLE ZILLE Göppingen. Bier, Wein und Schnaps wurden zu schon lange vergessenen Zweifünfzig ausgeschenkt. „Journey´s End Records“ verkauften Vinylschallplatten. So altmodisch die Szenerie, so unmodern war auch das Konzert: Drei Gruppen aus Württemberg zelebrierten obsolete Doom- und Heavy-Metal-Musik. Auf die Minute genau um 19 Uhr 30 ging vor drei Dutzend Anhängern die Post ab...
„Wir sind Muschdum“, lautete die Vorstellung der Ersten im dicksten Schwäbisch. MUSTUM waren die kleinste Form der klanglichen Vermittlung, und in ihrem Minimalismus heute zugleich die tiefsinnigste und doomigste. Frontmann Pascal Distance und Schlagzeuger Tim waren in ihrem erfrischenden Minimalismus ein rettungslos nostalgisches Vergnügen. Nach dem Auftakt „Born Old“ brachten sie vier neue, unveröffentlichte Lieder, die zugleich Live-Premieren waren. Mit einer kräftigen, hellen Stimme, dem dunkel und tief gestimmten Sechssaiter, wohligen Trommeln und einer gewissen Verschrobenheit ließen Mustum nicht den leisesten Hauch von Zweifel an ihrer Liebe zur Schneckenmusik. Der finale Malmer, ein radikal langsamer Stoner-Doomer namens „In Spirit“, war für mich der Höhepunkt der ganzen Nacht. Die klassische Spieldauer von fünfundvierzig Minuten geriet einerseits viel zu kurz, andererseits legten Mustum eine Punktlandung hin. Mustum ist übrigens das lateinische Wort für Most. Im Übungsraum der Schwaben steht eine Mostpresse...
„Wir bleiben bei Doom. Was auch sonst?“, rief der Sänger. BLACK REVELATION starteten mit leichter Verzögerung und waren früher durch, so daß aus einer Stunde fünfzig Minuten wurden. Im Unterschied zu Mustum doomten MS, JP, AK sowie ein Geist bei seinem zweiten Auftritt mit der Gitarre erheblich schneller. Ihr Sound war knackiger, von einer gewissen Ruppigkeit und einer unheilvollen Spur Okkult geprägt. Speziell der mit durchdringend hoher Stimme singende MS schien von großen Ambitionen beseelt. Jeder, der sich mit Doom etwas auskennt, erkannte Reverend Bizarre in deren heavymetallischen Momenten an allen Ecken und Enden. Nachdem sie ihr 2020er Albumdebüt 'Demon' komplett, nur in geänderter Reihenfolge kredenzt hatten, kam, was kommen mußte: ein Kniefall vor den Idolen aus Finnland in Form einer gelungenen Neuvertonung von „Cromwell“.
Ende der zehnten Stunde nahm der Abend noch mehr Tempo auf. Die 2009 formierten MOUNTAIN THRONE spielten keinen Doom (das hatte bereits der erste Sänger beim Doom Shall Rise 2013 klargestellt), dafür sprühten die drei mitteljungen Instrumentalisten und der etwas ältere Neuvokalist vor Energie und Esprit. Im letzten Akt begann für das auf Heavy gebürstete Zille-Volk also ein wilder Galopp durch den Heavy Metal der frühen Achtziger und den Psychedelic Rock der späten Siebziger, veredelt von einem Hauch Doom. Mountain Throne brachten ein Potpourri aus ihren vier Lang- und Kurzeisen, welches weitgehend auf der fantastischen Compilation 'Ancient Anthems' zu finden ist. Dabei wurden die Lieder zum Teil mit drei Singstimmen vorgetragen. Das seit einer Ewigkeit bestehende Gitarre-Schlagzeug-Gespann A. und J. bezirzte mit hymnisch treibenden wie feinfühligen Schwingungen, Viersaiter C. mit obsessivem Headbanging, der Vokalist mit stilüblichen Posierereien. Sodaß die Stimmung im viel zu engen Zille rasch überbrodelte. „Ihr seid so heiß!“, rief Matze mit rauher Kehle unter seinem verschwitzten Bandana hervor. Und er konterte mit schwarzer Ironie die Forderung eines Fans nach „Mehr!“ mit „Meer? Oh ja, schwimmen!“. Final standen fünfundsiebzig atemlose Minuten. Um elf mußte (!) Schluß sein. Schade, daß der Spirit der Vorgängergruppe Mirror of Deception nur in einigen Passagen von „Altar“ und „Trumpets“ durchschimmerte. Nicht zuletzt im Doomer „The Merry Men“ zeigte sich, welch begnadeten Liedschreiber Mountain Throne in ihren Reihen haben. Dem Vernehmen nach wurde auch der ehemalige Sänger F. mit kurzen, grauen Haaren im Publikum erblickt.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
MUSTUM
(19.30-20.15)
1. Born Old
2. Praising the Slain
3. All Rise But One
4. Let the Heavens Fall
5. In Spirit
 
BLACK REVELATION
(20.38-21.26)
1. There is a Demon Inside of Me
2. Black Revelation
3. The Fall of Decadence
4. No Redemption
5. Demon King
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6. Cromwell [Reverend Bizarre]
 
MOUNTAIN THRONE
(21.45-23.00)
1. Altar of Reason
2. Stormcoven
3. Hunters
4. Thunderstorm
5. Three Stars
6. Autumn Fog
7. Death of a Tyrant
8. Valkyrie
9. Shapes in the Fog
10. All Souls Day
11. The Merry Men
12. Trumpets of Autumn
13. Totem
14. Endtime
Nachhall
 
Noch bevor das Ritual begonnen hatte, gab es für mich ein Wiedersehen mit Mountain Thrones Josef und Andi, mit denen ich 2007 bei den „Dutch Doom Days“ in Rotterdam letztmals ein paar Worte wechselte (damals noch unter Flagge der Epic-Doomer Mirror of Deception). Die Beiden hatten sich überhaupt nicht verändert: die Haare lang, die Gesichter verschmitzt. Neben unserem alten Komplizen Kishde trafen wir im Zille auch ein Pärchen, daß wir seit zig Jahren von Doom-Shall-Rise- und Hammer-of-Doom-Festen kannten: die Göppinger Tom und Andrea. Trotz des erschöpfenden Konzerts zogen die drei nach Getränken in der Zille-Kneipe noch mal gemeinsam los in die bitterkalte Winternacht... Sie endete für Kishde morgens um fünf in einer Absturzbar namens „Schlüssel“. Peanut und ich haben die Doomcity Göppingen am Sonntagmittag verlassen. Rufe nach einem „fetten Nachschlag“ waren zu vernehmen....
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 1. Februar 2023