SPACEDELIC ODYSSEY XVII
 
MY SLEEPING KARMA, GREEN ORBIT
D-Hofheim am Taunus, Jazzkeller - 21. Januar 2017
Nach der klirrenden Kälte der letzten Zeit, nach wochenlangem Streik der Busfahrer, und nachdem ich selbst seit sechs Wochen jeden Kontakt zu anderen Menschen vermieden hatte, schien ein Ausflug zum Taunus sehr gewagt. Triftige Gründe sprachen aber dafür. Erstens klagte Frl. Peanut über Entzugserscheinungen (das letzte Konzert von Wert im Raum Frankfurt stieg vor einem viertel Jahr, der letzte Besuch - Low Frequency Assault in Nürnberg - lag sechs Wochen zurück). Zweitens: ein Wiedersehen mit My Sleeping Karma, die wir erstmals vor 13 Jahren als The Great Escape im Titty Twister Dresden erlebten (die Erinnerung entfesselt heute noch Gänsehaut; nicht minder ein Abend als MSK in Wiesbaden 2009). Drittens: die gut reinlaufenden Hörproben der Vorgruppe Green Orbit. Viertens ein netter Kontakt mit dem Macher der Psych/Stoner/Prog-Staffel SPACEDELIC ODYSSEY (welcher uns eine Reservierung auch nach Ablauf der Frist einräumte; damit zahlten wir 20 statt 25 Euro pro Person). Und fünftens: das Zeitschema, wonach das Konzert gegen Mitternacht enden sollte (damit kamen wir mit dem Zug nachhause). Die Nacht mit My Sleeping Karma war die 17. in der Serie, die im Januar 2014 mit Fewsel startete und seither in Staffeln mit je fünf Folgen steigt. My Sleeping Karma läuteten die vierte Staffel ein. Indes... ein Sonnabendabend bei strengem Frost im morbiden Charme an der verlassenen Eisenbahnstrecke Niedernhausen-Dietzenbach: Es gibt molligere Szenarien für Stoner Rock! Glücklich auch, wer behaglich im Auto anreiste. Denn als P. und ich um neun am „Jazzkeller“ eintrafen, wanden sich dort die Konzertbesucher als lange Schlange ums Gebäude. Die Veranstaltung war ausverkauft und die Beiden vom Einlaßdienst mit dem händischen Abgleich der Reservierungsmails heillos überfordert. Wie gut, daß der einzige öffentliche Ort, der uns vorm Kältetod retten konnte - eine Shisha-Bar! - hundert Meter entfernt lag... Eine halbe Stunde nach offiziellem Beginn waren wir mit zartem Vordrängeln im beheizten Keller drin - und auch gleich im alten Film. Denn im Taunus trifft man auf die seltsamsten Vögel. Diesmal auf einen zugerußten, Yoga ausübenden Haschischdealer, paar Langhaarige, tanzende Zensympathisanten und alles hinterfragende Millennials, genauso wie auf blutjunge Biester und zwielichtige Gestalten in Exhibitionistenmänteln und einer Mütze der „Brigade Nassau“. Die Kasse verriet mir: „130 Zahlende und 20 von den Bands“.
Mit ihrer nahenden Schallrille 'First Wave' und galaktischem Lavarock bestritten GREEN ORBIT den Vorspann. Wer sich an Karma To Burn oder Toner Low erinnert fühlte, war schon mal ganz nah dran. Hier wüteten hauptsächlich fuzzige Bässe im Wuschelweltraum der alten Stonerhelden. Doch manchmal öffneten sich Green Orbit auch progressiv treibenden Kraut- und Jazzpassagen, und für drei Minuten probierte man sich sogar an einem klassischen Doomriff. Stiltypisch war das Ganze mit hirnverbiegendem Licht und Kaleidoskopen in LSD-Optik untermalt. Bedauerlichweie gab sich das Trio aus dem westfälischen Rothaargebirge absolut körperlos. Und Green Orbit waren auch eine der Gruppen, die etwas kastriert klingen, denen etwas fehlt, kurzum: denen ein Sänger gut täte. Final stand eine Stunde Beruhigungsmusik, die manchmal auf der Stelle trat, und bei der man nie wußte, ob sie am Ende - getreu dem Motto „Jam galore bis zum Sanktnimmerleinstag“ - womöglich noch mal von vorn begann. Und trotzdem gefiel meiner Adjutantin die Vorgruppe besser als der Hauptakt...
Nach ihrer Vergangenheit als eine der geilsten Stoner-Rock-Bands (The Great Escape), nach Shows auf den großen Festen des Genres, und nach Tourneen mit Brant Bjork sowie Monster Magnet, lag spätestens nach Abum Nummer fünf, 'Moksha', welches Einzug in die Deutschen Musikcharts hielt, die Latte für MY SLEEPING KARMA hoch. Aber waren die einst so angenehm stillen Mainfranken etwa auch nicht mehr nah ihren Jüngern? Seppi, Matte, Steffen und Norman nicht nah? Die vier bewiesen das Gegenteil, zeigten sich mit verschmitzten Gesichtern und steckten vorm Auftritt erstmal die Köpfe in einem rituellen Kreis zusammen. 22 Uhr 45 begann ein anderthalbstündiger Trip durch die Welten des Psych- und Grooverock. Dabei machte sich anfangs nur ein dumpfes Grummeln bemerkbar. Dann mit dem zweiten Lied wurde es schon heftiger. Doch erst als das vierte erklang (übrigens: allesamt nach alten Hindugöttern benannt), barsten alle Dämme. My Sleeping Karma fesselten mit ihrem ruhig und dicht inszenierten Stoff. Neben verrauschten Videoprojektionen, Landschaften in Schwarz-Weiß und den grundguten Akteuren, überzeugte der Auftritt durch seine facettenreichen Kompositionen. Hier wehten friedvolle und kathartische Tagträume, dann wieder britzelten nahezu heavymetallische Explosionen durch die Speaker. Sodaß die Spannung und die guten Gefühle nie abrissen. Daß nicht alles perfekt war, die Gitarre etwas unterbelichtet, der Bass etwas zu hell, die Trommeln etwas schepprig waren, und das Keyboard manchmal unterging, ließ sich an der Enge im Klub und der Beschallung festmachen. Der Live-Mischer gestand hinterher: „Es war sehr kopplungsintensiv“. My Sleeping Karma waren diesmal vielleicht keine Erleuchtung, aber als Paradebeispiel für psychedelischen Rock zwischen Zen und Moderne doch sehr in Ordnung! Um Mitternacht sprach Matte die einzigen Worte des gesamten Konzerts: „Vielen Dank, Freunde!“ Das Ende der an Kyuss erinnernden Zugabe blieb uns wegen der Heimfahrt verwehrt...
 
... aber immerhin sind wir in der Eiseskälte nicht erfroren. Wegen dem Busstreik mußten wir in Frankfurt ein Taxi nehmen. Halb zwei waren wir daheim. Es ist noch mal alles gutgegangen, wir sind noch da!
 
 

Heiliger Vitus, 23. Januar 2017
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
GREEN ORBIT
(21.20-22.22)
unbekannt
 
MY SLEEPING KARMA
(22.45-0.10 / Titel ohne Gewähr)
1. Unbekannt
2. Prithvi
3. Glow 11
4. 23 Enigma
5. Ephedra
6. Vayu
7. Akasha
8. Psilocybe
9. Tamas