PUDDLE OF MUDD
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 22. September 2001
[.] Frankfurt am Main, Tagundnachtgleiche, Sonnabendmittag (14 Uhr). Nach jahrelanger Isolation hatte mir der Gott des Donners zwei Boten aus der Heimat gesendet: Willi, den Chef der Dresdner Metalbar „Heavy Duty“, und Falkone aus der Rockerabteilung „Flat Black“. Die beiden sollten im Westen als Bühnentechniker ran, sie rollten im unverschämt großen Amischlitten vor, hatten aber ihre Schlüpper vergessen. Das war nur der Auftakt für bizarre Situationen, die ich mit den Sachsen erlebte. Nach Einkleidung auf der Zeil brauchten wir was zu trinken - an der Bar des Szenebistros „Nachtleben“. Derweil wir Weizen tranken, fläzte neben uns ein Knilch, ein reinkarnierter Kurt Cobain, flankiert von zwei barbiehaften Blondinen, der sich als „I am the singer“ offenbarte, und den wir Stunden später mit Puddle Of Mudd wiedersehen sollten... Frisch gestärkt nahmen wir dann die Unterkunft meiner Gäste in Augenschein. Wir entdeckten ein Spieglein zum Pickelquetschen, Falkone demonstrierte seinen Nasenhaartrimmer, und Hunger hatten wir auch. Die Rezeptionsdame empfahl den Italiener ums Eck. Doch der stellte sich als edel heraus. Die Kellner staunten über unsere Totenkopf-Shirts, Falkones derbe Sprüche und versorgten uns wie in einem Spitzenrestaurant, Willi bekam eine Schale mit vier Canelloni, derweil es der baumlange Falkone beim Anblick der Portion bei Bier beließ. Danach hatten wir Lust auf Kultur. Also mit den Ranzen voll Bier (und etwas Pasta) im Taxi zurück in die Innenstadt...
... wo 19 Uhr (wieder im Nachtleben) die Post-Grunger PUDDLE OF MUDD eine „Early show!“ gaben. Eine der letzten Chancen, sie in einem engen, kleinen Club zu erleben. Schon zeichnet sich Großes für Scantlin, Phillips, Ardito und Upchurch ab. Wissend wo der Dollar rollt, waren sie dem Ruf des Limp-Bizkit-Rotkäppchens Fred Durst gefolgt, hatten im Hoffen auf den Durchbruch ihr Sonnenblumenland Kansas in Richtung Kalifornien verlassen, sich munter bei Nirvana bedient - und für „She Hates Me“ prompt Platin eingesackt. Scantlin hatten wir ja am Nachmittag an der Bar getroffen. Nun stand der Weiberheld im Schein der Lichter und präsentierte mit seinen Kumpeln vor achtzig Studis und Stinos an dem für Frankfurter Verhältnisse unüblichen Konzerttag im Mauseloch unter der Konsti das Album 'Come Clean'. Dies recht leidenschaftslos und auch ein wenig hochmütig. Vielleicht konnten die ziemlich schmierigen US-Beaus mit ihrem Psychogeschrammel um Haß und Liebe, Verdammnis und stiller Sehnsucht, nebst den Smashhits „Control“ und „Drift and Die“ die eine oder andere Puppe verzücken - metallische Geschmacksnerven trafen sie nicht. Ich weihte meine Gefährten in die Trinkriten des Nationalgetränks Ebbelwei (Apfelwein) ein. Auch das der ortsansässigen Brauerei entstammende „Hanfbier“ wurde verkostet (und - entgegen dem „Stöffche“ - als trinkbar eingestuft). Weil die Amis auf eine Vorgruppe verzichteten, war die 18 Mark teure Schau nach einer Stunde schon wieder vorbei. Puddle Of Mudd machten ihrem Namen alle Ehre: sie waren flach und pampig wie eine „Schlammpfütze“.
Nach den Puddles wußte ich, wo in Frankfurt gescheite Musik läuft und ein vernünftiges Helles serviert wird: im Pendant zum Dresdner „Heavy Duty“, dem „Speak Easy“. Wie gewohnt hing in der geheimen Flüsterkneipe südlich des Mains der subkulturelle Hochadel um Rock-Hard-Schreiber Buffo und Tätowierer Auge hier ab, DJ Vulcanus (V8 Wankers) surfte von geiler Onkelz-Musik bis hin zu verstaubten Priest-Klassikern, und noch vor der Geisterstunde durfte sich Barkeeper Schorsch über eine kopfwackelnde Troika aus Dresden freuen. Später kam mir die Idee, die Kultspelunke „Doctor Flotte“ mit dem legendären Wirt Rainer Schiffer zu besuchen. Also wieder eine Droschke gekapert, und vom Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen über den Main durch die nächtliche City nach Bockenheim getuckert. Leider erfolglos: Der berühmteste Kampftrinker und Tresenphilosoph der Stadt hatte sich schon ins Koma katapultiert. Weil sich im „Flotte“ nicht mehr viel tat, und meine Freunde paar Stunden später als Bühnenarbeiter ran mußten, beließen wir es damit. Das war Frankfurt am Sonntagmorgen (3 Uhr).
 
 

Heiliger Vitus, im September 2001; Bilder: Kamera vergessen - dafür eins von Concertshots und eins aus der Hall of Fame vom Global Hangover Guide gemaust
ABSPIELLISTE PUDDLE OF MUDD
(ohne Gewähr)
1. Bring Me Down
2. Nobody Told Me
3. Basement
4. She Hates Me
5. Drift and Die
6. Out of My Head
7. Control