8. AWH-Straßenradrennen
Halle-Lochau, 18. September 2022
Prolog
 
Rasend schnell war das letzte Jahr ins Land gezogen. Kaum die rauchenden Schlote der Buna-Werke Schkopau aus dem Blick verloren, gab´s ein Wiedersehen mit dem Radrennen auf der angrenzenden Mülldeponie Lochau. Außer dem Wegfall der Corona-Kontrollstelle hatte sich vor Ort nichts geändert, selbst die Sportler, Macher und Funktionäre tauchten fast vollständig wieder im Anhaltinischen auf. Nur die gemeldeten Schwarz und Großegger hatten sich mit Blick auf die Starterliste für andere Rennen entschieden. Der ums Eck wohnende Großegger wich sogar ins ferne Schleswig-Holstein aus... Für mich war Lochau aller Voraussicht nach das drittletzte in diesem Jahr, vielleicht das drittletzte überhaupt...
.:: DIE STRECKE ::.
Gefahren wurde auf der mit 95 Meter über NN einzigen Anhöhe weit und breit: der auf einem alten Tagebaugelände südöstlich von Halle errichteten und 2005 stillgelegten Mülldeponie Lochau. Die Rennstrecke führte auf einer namenlosen asphaltierten Ringstraße am Rand der riesigen Grube entlang. Wind und ein selektiver, 500 Meter langer Anstieg mit bis zu zwölf Prozent ausgangs jeder Runde, waren die Herausforderungen. Siebenmal mußten die Masters 4 über den 5,8 Kilometer langen Rundkurs fahren, ehe der Sieger auf dem schmutzigsten Mont Ventoux Sachsen-Anhalts feststand.
.:: DAS RENNEN ::.
So viel wie in den letzten Tagen hatte es in Dresden seit Ewigkeiten nicht geregnet. Auch an diesem dunklen Sonntagmorgen goß es in der Elbestadt wie aus Kübeln. Doch vor Leipzig ging die Sonne auf. Mein Mädel chauffierte mich also zu einem weiteren Radrennen. Eine Stunde vor Beginn trafen wir im Sog des von Renzo Wernicke gesteuerten Vans von „Ur-Krostizer“ am Schauplatz ein. Dort wartete eine gute und eine schlechte Überraschung. Die Gute: Bei Abholung der Startnummer wurde jeder Fahrer mit Handschuhen in den rot-weißen Farben von Halle und einer nachhaltigen Sonnenbrille beschenkt. Die schlechte: Regen hatte die Start- und Zielgerade unpassierbar gemacht. Fünfhundert Meter nach dem Start lag die Fahrbahn in voller Breite tief unter Wasser. Das Unheil wurde erst Minuten vorm Start vom Führungsfahrzeug entdeckt. Zwei Feuerwehren von Lochau brachten mit großen Besen die Rettung. Damit verschob sich der Start um eine Viertelstunde. Jemand schimpfte: „Wir frieren uns den Ast ab!“ Ich selbst trug erstmals in diesem Herbst ein langes Trikot und eine lange Hose. Wegen der Überschwemmung wurde die START-Linie vorverlegt, und seltsamerweise der Abstand zwischen den Feldern der Masters 3 und 4 von zwei auf eine Minute verringert. Als Erste wurden die Masters 3 losgelassen...
9 Uhr 46 folgten zwölf Männer der Masters 4 sowie zwei junge Frauen. Daß Frauen in der Mastersklasse fahren dürfen und zusammen gewertet werden, finde ich zweifelhaft. Verzerrungen sind hier unvermeidlich. Heute hatten die Männer die Ehre mit einer blutjungen Professionellen, die kürzlich die Thüringen-Rundfahrt der Frauen bestritten hatte. Immerhein zeigte sich der Wettergott gnädig. Die Sonne schien, doch es blieb empfindlich kühl und es wehte eine frische Brise. Dem Wind und der offenen Straße war es auch geschuldet, daß - abgesehen vom physisch starken Seriensieger Schmelz und einer Niedersächsin - niemandem die Flucht gelang. Die Elitefahrerin Schoppe wurde ebenso vom Feld wieder eingeholt, wie die Abgehängten der vor uns gestarteten Masters-3-Männer, darunter der bullige Franz sowie Bethke, den ich nach drei Jahren erstmals wiedertraf. Mit dem Luckenwalder Mirbach hatte ich mehrmals eine Flucht versucht, aber weiter als fünfzig Meter kamen wir nicht weg. So blieb das Rennen nach einem ruhigen Auftakt ein dreißig Kilometer langer Zermürbungskampf - bis die Glocke zur letzten der sieben Sechs-Kilometer-Runden erklang. Spätestens in der letzten Abfahrt hinunter zur Sohle der Deponie mußte jeder wissen, ob er am letzten Anstieg angreift oder auf seinen Spurt vertraut. Nachdem ich im Vorjahr am Schlußanstieg das Heil in der Flucht gesucht hatte und auf der endlosen Zielgeraden kaltgemacht wurde, wählte ich die Defensive. Der Sieg und zweite Platz waren durch die Ausreißer vergeben. Damit kämpfte ich in einer sechsköpfigen Verfolgergruppe um Rang drei. Jenen erspurtete sich - wie in einer Duplizität der Ereignisse - Schoppe vor Mirbach. Damit durften zwei Frauen auf dem Podium der Mastersmänner stehen. Seit wann kämpfen Pferde gegen Esel? Sie raubten mir den dritten Platz!
Epilog
 
Im ZIEL erzählte uns der Orgachef der SG Motor Halle, daß die Veranstaltung wegen gesundheitlichen Problemen in letzter Sekunde zustande kam. Ohne dessen Führung und die Unterstützung der Stadtwerke würde das AWH-Rennen sterben. Den Wettkampf der Masters 3 gewann Ralf Keller, der im kommenden Jahr in meine Altersklasse aufsteigen wird. Ob es für mich ein neues Jahr im Radsport geben wird, steht in den Sternen. Beim Verlassen des Depotgeländes entdeckten Peanut und ich in einem kleinen Kunstteich vier teure, japanische Koi-Karpfen.
 
 
Vitus, 20. September 2022; Bilder: AW Halle, Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 12ºC, frische Brise (33 km/h) aus West
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 41 km
 
Im Ziel: 42 (Masters 2: 14, Masters 3: 14, Masters 4/Frauen: 14)
 
Masters 4/Frauen
Meldungen:
18
Am Start:
14
Im Ziel: 13
1. Bernd Schmelz (KSV Baunatal) 1:05:03
2. Bianca Bernhard (Project 19 Veloclub Walsrode)
3. Olivia Schoppe (RSV AC Leipzig)
4. Frank Mirbach (RTS Luckenwalde)
5. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
6. Claus Siemon (Melsunger TG 1861)
 
Ergebnisse

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