34. GROßER PREIS DER STADT ZWENKAU
25. September 2022
Prolog
 
Zu Zwenkau hatte mich mein alter Radkumpel Goofy angestiftet. Er war dort mehrmals gefahren, die Stimmung sei immer klasse gewesen. Bei unserem letzten Treff hatte er mich extra noch mal gefragt, ob ich in Zwenkau starte... und dann war meine Nacht vorm Rennen eine, die man nur seinem Todfeind wünscht. Ein Alptraum, friedlose Wohnsituatioen, monetäre Parasiten, der Nachlass meines Vaters, die ungewisse Zukunft des Dresdner Radklubs und Ärger über zerstörte Radrennen brachten mich um den Schlaf. Halb zwei (ein Uhr dreißig) lag ich mit unausweichlichen Lebensentscheidungen wach... bis der Wecker der Qual vier Stunden später endlich ein Ende setzte. Ähnlich war es in der selben Nacht im fernen Australien auch Mathieu van der Poel ergangen. Hollands Radstar war für das heutige Weltmeisterschaftsrennen extra um neun abends ins Bett gegangen, wurde dann aber Mitternacht von zwei jungen Dingern an der Hoteltür belästigt und später auch noch von der Polizei geweckt - um am Morgen die Straßen-WM nach 35 Kilometern völlig zerrüttet aufzugeben.
.:: DIE STRECKE ::.
Flach wie ein Tisch und über lange Strecken schnurgerade bot die Runde im Gewerbepark Zwenkau die ideale Plattform für Sprinter. Start und Ziel befanden sich vor einem Autohaus in der Spenglerallee. Von dort ging es in Form eines riesigen Ovals auf glattem Asphalt links rum über die Baumeisterallee und durch einen Kreisel zurück auf die Spenglerallee. Bei einer Rundenlänge von 1,7 Kilometern, der Kürze der Renndistanz (Masters 4: 26 Kilometer), und Höchstgeschwindigkeiten von über 53 Stundenkilometern auf der ebenen Zielgeraden, waren Rundengewinne nahezu unmöglich. Damit war das Kriterium nur für Endschnelle gemacht. Jede dritte Runde erfolgte ein Wertungssprint im klassischen 5-3-2-1-Punkteschema.
.:: DAS RENNEN ::.
Mit einer schlaflosen Nacht und einem Kopf voller schwerer Gedanken, war mir klar, daß Zwenkau kein gutes Rennen werden kann. Mit mir zusammen trafen sich halb neun fünf Fahrer vom Dresdner SC im Ostragehege zur Fahrt über die Autobahn in den Süden von Leipzig: Goldbach, Kunath, Lutter und Rübling. Kunath fuhr Rüblings Van. Als wir im sogenannten „Neuseenland“ unweit der dampfenden Schlote von Böhlen eintrafen, wurde das zweite Jedermannrennen über vierzig Kilometer gestartet. Wir hatten alle Zeit und allen Platz der Welt, uns in Ruhe umzuziehen und warmzufahren. Kurz vorm Start traf ich Goofy, der mit seiner Hella als Zuschauer die über hundert Kilometer von Dresden nach Zwenkau auf sich genommen hatte. Wenig später stellte Rennleiter Lohr einige Fahrer der Oldie-Abteilung vor, darunter den „schnellsten Zahnarzt Sachsens“, Doc Rübling, unseren alten Haudegen „Harti“ Goldbach, der schon in den Sechzigern gegen Leute wie Lothar Appler fuhr; auch mein Name fiel.
Halb zwölf war START für die Schar aus dreizehn Masters-4-Fahrern. Fünfzehn Ellipsen à 1,7 Kilometer lagen voraus. Nach einer Runde in moderatem Tempo ging´s zur Sache. Zum Teil weit über fünfzig Stundenkilometer wurden auf dem weiten, ebenen Asphalt gebolzt. Um Punkte zu sprinten, verhieß für mich schon immer weniger Erfolg, als selbst das Heil in der Flucht zu suchen. Ich bin Tempofahrer, kein Sprinter! Als der Abstand zur Meute - er betrug nie mehr als dreißig Meter - nicht größer und die Zahlen auf der Rundenanzeige immer niedriger wurden, hatte ich die Gewißheit, daß das Rennen vorn beim Kampf um die Zähler entschieden wurde. Kölns Vorbeck und ich traten immer wieder an, wir wollten eine Entscheidung als Ausreißer erzwingen. Aber die Meute ging jeden Vorstoß mit zusammengebissenen Zähnen mit. Und auf den entscheidenden, alles entscheidenden hundert Metern, verließen mich die Kräfte. Die Endschnellen hatten schon zur Rennmitte einen nicht aufzuholenden Vorsprung. Das Phantom Großegger gewann. Drei Runden vorm ZIEL, als die Entscheidung längst gefallen war, hatte „Grossi“ mir noch zugeraunt, daß er zwischendurch für mich eine Lücke aufgehalten hatte. Vergebens. Mir fehlte die Kraft, allein durchzuziehen. Die Ehrenplätze belegten zwei Bekannte der letzten Rennen: der nachgemeldete Göttinger Nagel (unlängst Zweiter beim Bergsprint auf Hessens Eisenberg); sowie Kölns Vorbeck (mit dem ich immer und immer wieder flüchten wollte). Bis zum achten Platz wurden Preisgelder gezahlt. Der Sieger erhielt 25 Euro, ich durfte fünf einsacken. Dopingkontrollen wurden nicht durchgeführt.
Epilog
 
Nach den Masters startete unser Junior Lutter ins 61-Kilometer-Rennen der Amateure. Als Sportler ohne Sinn für Geselligkeit konnte das Ausharren in gleißender Sonne und rummelartiger Umgebung etwas anstrengend werden. Aber es lohnte sich, die Sinne wach zu halten, um wichtige Dinge nicht zu verpassen. Mit dem Nordhessen Siemon und Wernigerodes Grünig erklärten zwei alte Haudegen ihren Abschied vom Wettkampfsport. Später gesellte sich ein Idol der Siebziger und Achtziger zu uns: Andreas Petermann, DDR-Nationalmannschaftsfahrer, Friedensfahrer und Weltmeister. Oh, wie unvergesslich wären dessen Erzählungen an einem ruhigen Ort gewesen... So feierten die Anwesenden den Radsport als Mikrokosmos zwischen Vergangenheit und einem ungewissen Morgen. Nach einem angen Tag, der für mich nachts halb zwei begann, kam ich abends um sechs in Dresden an.
 
 
Danke von Herzem
Hella und Klaus und die Fahrer vom DSC fürs Moralin vom Streckenrand
 
 
Vitus, 27. September 2022
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: überwiegend klar, 15ºC, leichte Brise aus Nord (7 km/h)
Typ: Kriterium
Länge: 26 km
 
Im Ziel: 127
KT+Elite-Amateure: 18, Masters 2, 3: 27, Masters 4: 12, Jedermann: 70
 
Masters 4
Meldungen:
13
Am Start:
12
Im Ziel: 12
1. Marco Großegger (SC DHfK Leipzig) 40:08
2. Carsten Nagel (FC Pedalritter Göttingen)
3. Dieter Vorbeck (RC Adler Köln 1921)
4. Uwe Neumeister (Harzer RSC Wernigerode)
5. Hans-Peter Grünig (Harzer RSC Wernigerode)
6. Claus Siemon (Melsunger TG 1861)
8. Vitus (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
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