RTF-KRITERIUMSMEISTERSCHAFT
Bellheim, 9. August 2025
Prolog
 
„German Cycling“ hat keine Lust, Zeit oder Mittel mehr für Deutsche Kriteriumsmeisterschaften? Also überlegten sich zwei junge Ex-Profis gemeinsam mit dem Bellheimer Radclub Silber-Pils, ob man eine inoffizielle Piratenmeisterschaft veranstalten könnte. Und irgendwann war es soweit: Die offizielle Kriteriumsmeisterschaft hatte sich verabschiedet. Aber die Bellheimer?: Die machten ihr eigenes Ding, sammelten mit Tissot, Optimize und Skull-Racing sechstausend Euro Preis- und Prämiengelder, sowie vier hochwertige Uhren ein, und ließen sogar Meistertrikots schneidern. Statt dem Bundesadler prangte diesjahr das Emblem von RTF Medien auf der Brust! Die RTF-Kriteriumsmeisterschaft sollte das sein, was geschieht, wenn man Radsport, Adrenalin und Chaos in einen Kessel wirft und kräftig verquirlt. „Kein offizieller Titel? Who cares! Wir haben Action, wir haben Stimmung, und wir haben die geilste RTF-Kriteriumsmeisterschaft, die Deutschland je gesehen hat“, ließen die Macher im Radrennparadies Pfalz verlauten. Wer braucht schon Titel, wenn man Legenden schreiben kann?
.:: DIE STRECKE ::.
Es ging wiedermal rund! Im wahrsten Sinne! Kriterium heißt schließlich Kurven, Sprint, Repeat! Die Rennen starteten in der Jahnstraße, führten über die Schiller-, Postgraben- und Forststraße zurück in die Jahnstraße, und umfassten vier schnelle, technisch anspruchsvolle Kurven verteilt auf eintausendeinhundert brettebene Meter pro Runde. Die Distanz reichte von acht Runden = neun Kilometer bei den Schülern bis zu epischen siebzig Durchfahrten = 77 Kilometer bei den Kontinental-Mannschaften und Elite-Amateuren.
.:: DAS RENNEN ::.
FOR WHOM THE BELL TOLLS: In Anspielung auf den Schauplatz und die Glocke für die letzte Runde eines Rennens bahnte sich in Bellheim ein großes Ding an. Die Kriteriumsmeisterschaften am 9.8. und das Bundesligarennen um den Großen Silberpilspreis am 10.8. bedeuteten zwanzig Rennen an zwei Tagen, Kriterium bis 77 Kilometer, sowie Rundstrecken- und Straßenrennen bis 200 Kilometer - mit knapp vierhundert Meldungen die wohl größte Radsportveranstalung im Lizenzbereich hierzulande überhaupt. Angesichts der Startlisten und den Strapazen und Kosten für Reise und Übernachtung hatte ich mich zu einem Verzicht aufs Straßenrennen entschieden, und alle Kräfte auf den ersten Renntag gebündelt. Los ging´s am Sonnabend halb elf in Frankfurt, um zwölf waren Peanut und ich in der Pfalz. Zu der Zeit drehte das dritte Schülerrennen seine Runden. Der alte Haudegen Erwin Hickl hatte sich als Helfer seines Bellheimer Vereins geopfert, und äußerte, daß die Veranstaltung schon zehn Minuten hinten dran sei. Wir plauderten lange in stoischer Ruhe am Streckenrand über den Radsport. Eine Kröte sollte ich indes an der Anmeldung schlucken. 36 Euro inklusive offener Überweisung verlangte der junge Mann - gab sich letztlich aber mit zwanzig zufrieden. Die Südpfalz ächzte unter der Hitze. Annähernd vierzig Grad wurden gemessen. Immerhin konnte ich mich mit den Adam-Donner-Koryphäen Trautmann, Kujawinski und Beckers einrollen.
Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herunter, als am Nachmittag um halb drei Uhr einundvierzig Fahrer der Masters 2 und 3, sowie zehn der Masters 4 vorm Startbanner in der Jahnstraße unter ihren Helmen schwitzten - während im angrenzenden Festplatz erst einmal die Ehrungen der Frauen erfolgten. Aus dem START um 14 Uhr 10 wurde also nichts. Stattdessen ertönte der Peng mit halbstündiger Verspätung um 14 Uhr 38. Und war letztendlich alles wie immer bei einem gemeinsamen Kampf aller Mastersklassen. Schon bald konnten die Masters 4 dem Tempo der jüngeren Masters 2 und 3 nicht mehr folgen - welche mich diesmal aber mit nur einer Überrundung (bei insgesamt 35) bestraften. Ein seit geraumer Zeit als Arschloch offenbarter Westfale konnte sich anfangs in der Spitze halten, wurde dann aber abgeschüttelt und von meinem Grüppchen geschluckt - um anschließend nur hinten draufzuhängen, und mich auf den letzten Metern - aus Sicht des Kampfrichterwagens! - noch abzusprinten und aus den Preisgeldern zu verdrängen. FUCK YOU!, Musketier. Ein weiterer Zweifel lag über den Messungen der Transponder. Schienen doch einem Rivalen, den ich stets im Griff hatte, plötzlich Flügel gewachsen. Statt einer Runde Rückstand wies das Endergebnis eine Runde Vorsprung des Stuttgarters auf mich aus. Und zwar zeitgleich mit dem Allgäuer Ex-Straßenmeister Gericke. So landete ich im ZIEL anstelle eines möglichen fünften Platzes auf Rang sieben. Der schriftlich zu formulierende Einspruch war geschenkt. Wenigstens blieb eine Feindberührung zwei Kurven vor Ultimo ohne Folgen: Um ein Haar hätte sich mein Lenker mit dem eines anderen verhakt. Mit über vierzig Stundenkilometern lag das Kriterium der Masters nur vier unter dem der Profis. Den nationalen Titelkampf der Masters 4 gewann ein Akteur aus dem ehemaligen EPO-Paradies Schweiz. Nach ihrem Lebenszeichen vor Wochenfrist in Mehlingen, war die NADA eo ipso nicht vor Ort.
Epilog
 
Nach Rennende rettete mich eine kalte Zitronenbrause aus den Händen meines Mädels vor einem Hitzekollaps. Mein Schädel brodelte so heiß unterm Helm. Wahrscheinlich hatte ich wieder mal alles falsch gemacht; hätte bei deutlich milderen Werten das Straßenrennen am frühen Sonntag fahren sollen. Dazu die Vorfälle der letzten Zeit: Erst das zerbrochene Trainingsrad. Dann eine Kollision mit einem Auto samt weiterem Materialverlust, Verletzungen und einer Tetanusspritze nur zwei Tage vorm Rennen. Nebenbei der negative Rattenschwanz um Polizei, Anwalt und Versicherung. Und heute nun eine komische Ergebnisliste. Leider will jemand, daß meine Zweifel am Rennsport immer weiter wachsen und die Liebe zum Radsport Stück um Stück in Trümmer fällt. Nach den jüngsten Vorkommnissen bin ich enttäuscht und inzwischen ernsthaft entmutigt. Bei unserem Aufbruch raste im Kampf der Amateure ein Sankra mit Blaulicht und Martinshorn über die Rennstrecke. Das Beste am heutigen Tag waren die frische Butterbrezel und das kalte Bier aus einer Tankstelle.
 
 
Dank und Küsschen
Peanut
 
 
Vitus, 13. August 2025, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 36ºC, leichte Brise aus Nord (6 km/h)
Typ: Kriterium
Länge: 39 km
 
Gemeldet: 374
CT+Elite Amateure: 103, Amateure: 74, Masters 2+3: 52, Masters 4: 12, U17: 11, U15: 20, U13: 20, U11: 14, Weibliche Klassen: 35
 
Am Start: 305
CT+Elite Amateure: 80, Amateure: 60, Masters 2+3: 41, Masters 4: 10, U17: 10, U15: 19, U13: 17, U11: 15, Weibliche Klassen: 41
 
Im Ziel: 230
CT+Elite Amateure: 41, Amateure: 36, Masters 2+3: 38, Masters 4: 10, U17: 10, U15: 19, U13: 16, U11: 14, Weibliche Klassen: 35
 
Masters 4
Meldungen:
12
Am Start:
10
Im Ziel: 10
1. Christian Eminger (RB Brugg, Schweiz) 56:57
2. Richard Schlude (RV Pfeil Magstadt)
3. Dirk Trautmann (RV Komet Delia 09 Köln)
4. Heiko Gericke (RSC Kempten) + 0:06
5. Karl-Heinz Liebemann (RSV Stuttgart-Vaihingen) - 1 Rd.
6. Markus Wellner (RC Musketier Wuppertal)
7. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
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