1. RUND UM DIE HOHE ESSE HALSBRÜCKE
11. Juni 2023
Prolog
 
Glück auf! Erstmalig nach bald siebzig Jahren fanden vor der Silberstadt und ehemaligen Radsporthochburg Freiberg wieder Radrennen statt. Der historische Hüttenstandort Halsbrücke diente als Schauplatz für die Neuauflage des 1957 letztmals ausgerichteten „Rund um die Hohe Esse“. Und dies im großen Stil. Unterstützer wurden gewonnen, eine Internetseite etabliert, Programmhefte gedruckt und ein professioneller Zeitnehmer verpflichtet. Den Auftakt am Sonnabend machte eine von den Friedensfahrern Olaf Ludwig und Thomas Barth geführte Tour von Olbernhau im Erzgebirge durch die ehemals schwarze, gefährliche Bergbaugegend - das heutige „Welterbe Montanregion“ - nach Halsbrücke. Es folgte eine Bike-Show mit Trial-Weltmeister Hösel. Am Abend war ein Sportlerstammtisch angesetzt, bei dem neben Ludwig und Barth die DDR-Legenden und Weltmeister Bernd Drogan, Andreas Petermann und Michael Schiffner vom Radsport alter Tage und einer ungewisen Zukunft erzählen wollten. Am Sonntag ging´s dann rund, wurden vor den Toren von Freiberg Rennen gefahren.
.:: DIE STRECKE ::.
Start und Ziel war vorm Parkplatz der Firma „Saxonia Galvanik“ im Nordwesten von Halsbrücke. Der Weg führte zuerst hinunter ins Tal der Freiberger Mulde, und dann in einer großen Flußschleife um das nördliche Ufer der Freiberger Mulde herum bis zur Altväterbrücke, und nach dem einzigen Anstieg der gesamten Runde wieder zurück zu Start und Ziel auf der Erzstraße. Die Strecke war 4,1 Kilometer lang, hatte breiten und schnellen Asphalt, und nur einen - aber sehr anspruchsvollen! - Schlußanstieg von einem Kilometer mit sechzig Höhenmetern und durchschnittlich acht Prozent Steigung, wobei kurze Rampen bis zu vierzehn Prozent zu bewältigen waren.
.:: DAS RENNEN ::.
Abgesehen vom Nachwuchs im Neunsitzerbus reisten die Sportler vom Dresdner SC die dreißig Kilometer von Dresden nach Halsbrücke auf eigene Faust an. Manche radelten sogar hin und zurück. Mein Mädel opferte sich für mich erneut als Chauffeur. Zwei Stunden vorm Peng um eins kamen wir an. Die Sonne und weiße Wölkchen hingen am Himmel überm sommerlichen Wallawalla-Ackerland von Mittelsachsen. Nachdem ich am Dienstag mein neues Rennrad Ridley Noah Fast vom DSC-Sponsor „Collos“ in Radeberg abgeholt und es am Mittwoch eingeweiht hatte, folgte heute dessen Feuertaufe in einem Wettkampf.
Das Rennen begann tragisch: Der Sprecher verkündete den Tod des 53jährigen Radsportler Andreas Huth, der am Freitag auf einer Landstraße in Thüringen von einer Autofahrerin getroffen wurde. Im Anschluß hielt Mastersweltmeister Michael Schaefer eine kleine, emotionale Trauerrrede. Er erinnerte daran, daß „Hütchen“ sich nach einem Unfall vor zwei Jahren erst mühsam zurückgekämpft hatte - und nun dieser tragische Unfall. Die Fahrer wurden gebeten, ihren Helm abzunehmen und dreißig Sekunden innezuhalten. Huths Mannschaftskameraden vom LE Masterteam trugen Trauerflor an ihren schwarz-weiß gestreiften Trikots. Im Feld herrschte Betroffenheit. Von Anfang an hieß es dann aber Angriff. Gleich nach dem START stürzte sich das Feld aus achtzehn Masters-3 und vierzehn Masters-4-Fahrern mit hohem Tempo hinab zur ersten von zwei Muldenbrücken und nach einer scharfen Kurve drei Kilometer am Fluß lang zur zweiten, sehr schmalen Brücke über die Mulde. Im Finale jeder Runde folgte dann die steile Kaskade aus dem Muldental hinaus, bei der man das Ende nicht sehen konnte. Ich hatte das große Blatt mit 52 Zähnen gekettet, dachte, die ganze Runde damit durchdrücken zu können. Doch in der Hälfte der Steigung gingen mir die Kräfte aus. Nach einem zähen Hochwürgen war das Rennen für mich vobei. Ich verlor den Anschluß genauso wie zehn andere. In Runde zwei konnte ich mich noch am Dresdner Schwarz halten. Jener ließ mich im zweiten Anstieg stehen. Nun war ich allein. Gerade noch in Sichtweite vor mir: ein Trio. Zehn Kilometer währte mein verzweifeltes Ringen um Zusammenschluß. Dann hatte ich sie im fünften Anstieg eingefangen: die Masters-3-Akteure Kunath und Schmahl nebst Dauerrivale Großegger. Nachdem wir als Quartett diverse Leute überrundet und auch noch den Kölner Nagel aufgesammelt hatten, kam es nach siebzig Minuten Fahrzeit zum Endspurt, den Großegger mit einem kurzen Antritt ausgangs des zehnten und letzten Schlußanstiegs vor mir gewann. Knapp fünf Minuten vor uns war ein Quartett aus den Kannibalen der Masters 3 und 4 ins ZIEL gefahren: der undurchschaubare Renzo Wernicke und Weltmeister Michael Schaefer, sowie Ralf Keller und Uwe Kiefl. Das übrige Fahrerfeld kam in seine Einzelteile zerlegt an. Die NADA war - Überraschung, Überraschung - nicht vor Ort.
Finale
 
Im Nachgang plauderte ich mit meinem Klubkollegen Rheingans, der nach seinem Sieg bei „Rund um Lampertswalde“ vor Wochenfrist heute nur die „goldene Ananas“ gewonnen hatte. Volker konnte den Schlußberg fünfmal mit dem großen Blatt hochdrücken und sich lange in einer fünfköpfigen Spitzengruppe halten - bis ihm der Saft ausging. Er freute sich auf die kommende Deutsche Meisterschaft in Görlitz als ziemlich einziges Rennen mit Dopingkontrollen! Der Namensgeber des Rennens, der 140 Meter hohe, ehemals größte Schornstein der Welt, die sogenannte „Hohe Esse“, deren Mief durch den Westwind vermeintlich verdünnt bis nach Dresden wehte, rückte übrigens beim Rennen nicht in den Blick.
 
 
Vitus, 12. Juni 2023, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 25ºC, mäßiger Wind aus Ostnordost (20 km/h)
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 41 km
 
Gesamtmeldungen: 197
Elite-Amateure: 17, Amateure: 10, Masters 3: 19, Masters 4: 13, U19: 9, U17: 25, U15: 29, U13: 20, U11:10, Jedermann: 18, Weibliche Klassen: 18
Im Ziel: 180
Elite-Amateure: 21, Amateure: 14, Masters 3: 14, Masters 4: 13, U19: 6, U17: 22, U15: 29, U13: 22, U11: 8, Jedermann: 16, Weibliche Klassen: 15
 
Masters 4
Meldungen:
14
Am Start:
14
Im Ziel: 13
1. Ralf Keller (RSG Muldental Grimma) 1:06:32
2. Uwe Kiefl (RSC Bad Liebenwerda) +0:01
3. Jens Matzel (RFC Markkleeberg) +0:13
4. Volker Rheingans (Dresdner SC 1898) +2:26
5. Carsten Nagel (RSG Göttingen) +2:54
6. René Ristau (RC Kleinmachnow) +3:45
9. Mario Voland (Dresdner SC 1898) +4:43
 
Ergebnisse
ZPN Timing
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