SASQUATCH
D-Dresden, Ostpol - 22. Februar 2016
Am Montagabend hatte in Dresden wieder Sturm und Regen eingesetzt. Während versprengte Pegida-Anhänger mit ihren Fahnen vom Fürstenzug über den Pirnaischen Platz abzogen, waren Frau P. und ich in der behaglichen Straßenbahn von der Altstadt über die Elbe rüber in die Neustadt gegondelt. Die Selbstbedienungsgaststätte „Ostpol“ lockte heute mit einer Nacht im Namen der Hookline, präsentiert von den Stonerrockern Sasquatch aus USA. Es war unser Jungferngang in die alte Villa beim Kino „Schauburg“, die mit einer Nachbildung der Elbuferskulptur „Bogenschütze“ auf einem Balkon herausstach. Nach einer Freitreppe und zwei Zehnern Eintritt, waren wir in die DDR der Sechziger- und Siebzigerjahre abgetaucht. Was uns im Ostpol erwartete war aber kein Plunder aus dem Netz, sondern abgewetzte Dielen und Tapeten, funktionierende Bolleröfen und waschechte Sitzgruppen und Relikte von damals. So fanden sich in einer Vitrine Puppen des Fernsehfunks neben Andenken von der Friedensfahrt wieder. Hinterm Tresen stand der Prototyp eines Komputers von Robotron, im Schankraum eine Jukebox von Sachsenklang. Die Uhr darüber war fünf vor zwölf stehen geblieben. Einen Telefonanschluß hat es nie gegeben... Bei unserer Ankunft verlor sich ein Dutzend in den diversen Nischen. Im Laufe der kommenden Stunde wurden es etwa sechzig. Alles schlichte Seelen. Sie tranken Bier. Sächsisches und tschechisches. Schwarzes und helles. Aus Humpen und Flaschen. Zu sozialistischen Preisen. Wir fühlten uns unfassbar wohl.
Kurz nach zehn war im schummrigen Hinterzimmer Showtime. „Thank you! We are SASQUATCH from Los Angeles, California.“ Kaum jemand verkörperte zuletzt den Begriff „Powertrio“ derart wie Vokalist und Gitarrist Keith Gibbs, Bassist Jason Casanova und der anonyme Bärtige hinterm Schlagzeug. Denn anders als beim nahezu zeitlupenhaften Auftritt im Feierwerk München 2014, startete die nach dem sagenumwobenen behaarten Riesen benannte Gruppe heute mit hohem Tempo. Mit ihrem rohen, feurigen Heavy Stoner Rock hatten die drei Dudes aus USA die Meute im „Ost“ im Handstreich genommen... und spielten ihr mit verbalen Unterwürfigkeiten wie „Thank you for coming out! It´s monday night... full house!“ munter die Bälle zu. Rasch war´s vorbei mit der Entspannung. Haare wirbelten, Leiber dampften, Köpfe und Hüften wippten begeistert im ohrenzerreißenden Sound mit. Ich hatte meinen Vergleich mit Roadsaw gerade notiert (sofern die überhaupt noch einer kennt) - und prompt informierte Frontmann Gibbs, daß an den Trommeln heute der Sänger von ebenjenen saß! Puh... Fast wie zum Lohn schalteten die Amis nach einer atemlosen halben Stunde ab „Pull Me Under“ tatsächlich einen Gang runter. Aus räudigen Orange Goblin wurden psychedelische Kyuss. Aus Heavy Rock wurde Stoner Rock, gespickt von bluesigen Soli und entrücktem Gehabe im Stile von Zeppelin & Konsorten. Nach fünfzig Minuten und einer Jamsession hinter „What Have You Done“ war eigentlich schon Schluß (der Bassist und der Trommler waren klitschnaß in die frische Luft gestolpert)... doch dann gab´s noch eine Zugabe, die nicht auf dem Zettel stand, die aber auch etwas abgedroschen vorüberrockte...
 
Im Anschluß kam es für uns zu einer Wiederbegegnung mit Craig Riggs, mit dem wir vor 16 Jahren - mit den Bostoner Rawk´n´Rollern Roadsaw im Vorprogramm von Nebula - schon einmal im „Nachtleben“ Frankfurt gequatscht hatten. Riggs lief zwar bisher nie mehr als neun Meilen am Stück (der legendäre Marathon in seiner Heimat mißt 26 Meilen, Anm. Verf.), er war auch nicht mehr so rank und schlank, doch dafür treibt er nun ein Doom-Projekt voran!
 
 

Heiliger Vitus, 24. Februar 2016
Titelbild des Monatsfliegers
.:: ABSPIELLISTE ::.
 
SASQUATCH
(22.08-23.04)
1. Let It In
2. The Judge
3. Dragonfly
4. Get Out of Here
5. Pull Me Under
6. Money Man
7. The Message
8. Cracks in the Pavement
9. What Have You Done
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10. Unknown