SECRETS OF THE MOON, VREID, KAMPFAR, KRAKOW
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 2. Juni 2011
Während bei hellichtem Bombenwetter Horden von Männern mit Leiterwagen oder Fahrradanhängern voller Bier durchs Grüne rumpelten - heute war Männertag, Herrentag, Vatertag oder die Himmelfahrt des Nazareners (je nach Art und Glaube) - wartete als Sundowner im Keller unter Frankfurts Konstablerwache schwarzes Metall: Der 'Black Path' hatte drei Gesalbte ins „Nachtleben“ geführt. Für zwanzig Euro konnte man bei Kampfar und Konsorten sein. Aber nur achtzig wollten das. Es waren die klassischen Kuttenträger, Träger von Hemden voller Runen, Zecher mit langen Haaren und Tattoos. Auch einige Peinlichkeiten vom anderen Geschlecht fanden sich ein.
Heia Norge! Die Nacht begann mit Verdruß. Nicht wie überall angekündigt - um 20 Uhr - sondern um 19 Uhr 30 war der Auftakt durch KRAKOW erfolgt. Krakow: Ein Lump, wer bei dem Namen an Böses denkt! War mir zwar bewußt, aber in dem Moment völlig egal. Zum großen Leidwesen hatte wir eine Viertelstunde verpasst. Denn die Hörproben „Drifter“, Monolith und „Coronated Kind“ waren grob auf Crowbar oder Gorilla Monsoon getrimmt! Auf Doomcore also! In echt erinnerten Krakow dann allerdings mehr an Entombed in deren Death-Rock-Phase. Das Rudel aus Bergen rockte und headbangte auf Vollgas - bis wir erschienen. In unserem Beisein drifteten Krakow in längere, auf Sparflamme brennende Instrumentenpassagen ab... bis sie in Belanglosigkeit erstarben, und Frontmann Eld die letzte Todeskapsel mit dem Rücken zur Meute servierte. Nur drei Dutzend erlebten Krakow. Ein erschöpftes „Frankfurt, thank you“ beschloß nach einer halben Stunde die Vorstellung.
Mit den Nächsten nahm die Wirrnis ihren Lauf. Denn nun stand plötzlich die an dritter Stelle erwartete Pagan-Black-Metal-Horde KAMPFAR vor uns. Kampfar (der altnordische Schlachtruf für „Odin“) brachten uns die infernalische Version des Black Metal. Schnell nach vorn gepeitschte Takte und heisere, wahnsinnige Schreie sorgten für eine sehr winterliche, schroffe Ausstrahlung. Inhaltlich waren Kampfar dabei stets der Natur und der Blutlinie ihrer Ahnen von der Zeit der Runen und Wikinger bis zur Gegenwart verbunden. Manche ihrer Lieder, besonders die der späten Neunziger, wie das düstere „Troll, Død og Trolldom“, waren dabei auf Norwegisch. Von Kampfar hatte ich viel erwartet - und wurde blendend bedient. Stilistisch waren Vokalist Dolk, Sechssaiter Verschoor, Bassist Bakker und Trommler Ask eine Macht, nur störte das bemüht bösartige Klischee. Gereckte Fäuste, gebleckte Zähne, rausgestreckte Zungen und die ewig gleichen Parolen wirken auf Dauer tödlich. Zwiespältig blieb auch die Erscheinung Dolks, der seine feminine Gestalt in ein strumpfartiges Beinkleid gezwängt hatte und mit seiner blonden Mähne eher einem Neutrum als einem heidnischen Kämpfer glich. Doch final zählt die Musik, und die war astrein! Kampfar rappelten eine Dreiviertelstunde. Eine flammende Ansprache und die Wegweisung ins Nordreich durch die Hymne „Ravenheart“ bedeuteten das Ende.
Auf Hochglanz poliert, aber nicht ganz so schrill, vielmehr einen ganzen Ton tiefer, kam die Black-and-Roll-Staffel VREID daher. Nachdem es bei Kampfar rund sechzig waren, hatten die Nachfahren des Kultakts Windir mit rund achtzig die meisten Besucher. Auch Vreid (gesprochen wie geschrieben, deutsch: Zorn) stammten aus Norwegen. Dingsøyr, Strom, Hváll und Steingrim schritten einen gewundenen Pfad zwischen stampfenden Feuerzeughymnen wie „Fire on the Mountain“ und pfeilschnellem Geknüppel wie „Speak Goddamnit“. Zuweilen schlichen sich dabei auch Kniefälle vor Burzum zu deren Polterzeit ein. Rauhes Geröchel verlieh den schwarzen Klängen einen obskuren Charme. Rundum waren Vreid für mich aber nur ein Mummenschanz aus Neu und Alt, Schwarzmetall im Niemandsland und bestimmt nur eine kurze Episode, die schon nach einem Jahr endet. So vorhanden, hätte ich gern die Vorspultaste gedrückt. So zogen sich Vreid aber über eine gefühlte Unendlichkeit. Abgestoppt waren es sechzig Minuten. Der Schrei nach Zugabe blieb wie bei allen Gruppen aus.
Minutiös im Marschplan machten sich kurz vor elf SECRETS OF THE MOON ans Werk. Den Secrets war unversehens der Ruhm der Hauptgruppe zugefallen, und sie waren nicht aus Norge, sondern dem Osnabrücker Land in Germania angerückt (weshalb man sich nicht als Dresdner offenbaren durfte - der Abstieg...). „Seraphim is Dead“ hieß der Auftakt - und alle, die wissen was ehrlich ist, lagen den Secrets fortan zu Füßen. SG, AR, LSK und T. Thelemnar waren die mit Abstand glaubwürdigsten Akteure. In S.o.t.M zermorphten drei Männer und eine Frau mit Haaren bis zum Arsch zu einer unendlich ästhetischen Einheit. Die Secrets kamen ohne martialisches Gehabe aus. Es sprach nur ihre Klangkunst: ein vielschichtiges, spirituelles Geflecht aus Mystik, Finsternis und Ewigkeit, wie es im Black Metal einzigartig ist. Jede Note hatte eine Tiefe, die sonst nur im Doom erlebt werden kann. Auch mein drittes Zusammensein mit den Mondkriegern wurde ein unvergeßliches. Es ist immer wieder ungemein unter die Haut gehend, wie sich SG geradezu ins Mikro hineinfleht - um so was wie die Rachegöttin „Nemesis“ oder den „Ghost“ zu beschwören. Nachdem ich mit meiner Adjutantin am Mittag schon ein Marathontraining auf Tartan durchgezogen hatte, ging mir nach drei Stunden unter der Erde leider etwas die Puste aus. Dem Zeitschema nach betrug die „Show Time“ für S.o.t.M. sechzig Minuten. Nach einer großartigen ersten halben Stunde, und nachdem Verwerfungen technischer Natur einen leichten Abfall bewirkten, haben wir uns zurückgezogen.
 
Zum Aufbruch ergab sich noch eine Unterhaltung mit Ron vom Magazin „Not An Emergency“, der mir Betriebsgeheimnisse seiner Helden Endstille verriet, besonders zur Nachfolge von Iblis. Nachts um ein zog der 'Black Path' per Bus ostwärts weiter. Jedoch nicht nach Krakow, sondern ins neunhundert Kilometer entfernte Kattowitz. Die Ankunft auf polnischem Boden wurde zwischen 12 und 13 Uhr erwartet. In vierundzwanzig Stunden ging das beim „Silesian Massacre“ alles wieder von vorn los. So wie jede Nacht. Und das vierzehnmal......
 
 
Heiliger Vitus, 4. Juni 2011
 
 
R.I.P.
Zwei Jahre nach dem Konzert beging die französische Bassistin Marianne Séjourné (LSK) im Alter von 36 Selbstmord.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
KRAKOW
(19.30-20.00)
Titel unbekannt
 
KAMPFAR
(20.23-21.08)
1. Mare
2. Inferno
3. Troll, Død og Trolldom
4. Norse
5. Dødens Vee

6. Huldreland
7. Vettekult
8. Altergang
9. Ravenheart
 
VREID
(21.30-22.30)
1. Arche
2. The Blood Eagle
3. I Krig
4. Fire on the Mountain
5. Raped, Blood Eagle
6. Speak Goddamnit
7. The Sound of the River
8. Wrath of Mine
9. Wolverine Bastard
10. The Other & The Look
11. Pitch Black
 
SECRETS OF THE MOON
(22.50-23.50 / Titel unvollständig)
1. Seraphim is Dead
2. Nemesis
3. Miasma
4. Ghost
...
Neulich an der Korova-Milchbar