SÓLSTAFIR, MOTOROWL
D-Dresden, Beatpol - 19. Juni 2017
Ein schlechterer Zeitpunkt für das Konzert der Viking-Metaller Sólstafir war kaum denkbar. Seit Tagen ächzte Dresden unter sengender Hitze und gleißendem Licht. Jeder Gang hinaus ins Freie bedeutete Schmerz. Für die schwer gepuschte Gruppe aus Island hatte sich die Mannschaft vom „Beatpol“ ausgerechnet den bislang wärmsten Tag des Jahres ausgeguckt. Dazu stiegen die Begehrlichkeiten nach einem Ticket nach schleppendem Beginn in den letzten Tagen schlagartig an. Am Montagmittag (Konzerttag) meldete der Beatpol „Ausverkauft!“. Auch an der Abendkasse sollte es keine Restkarten geben. Aber ab wann ist der Beatpol „ausverkauft“? Amtlich faßt das wundervolle alte Gebäude im Dresdner Westen 400 Personen. Aber es wurden auch schon mehr reingelassen. „Es war mal bei einer Gruppe in der Anfangszeit, da haben wir bei 1000 aufgehört zu zählen“, verriet mir Klubchef Lotte. Auch heute wurde das Limit hemmungslos überschritten. Es sollte im Grausen enden...
Bei brütendem Dunst und gefühlten 45 Grad durften (!) heute unter der anfangs noch sonnendurchfluteten Stuckdecke des Beatpol zuerst MOTOROWL ran. Die begannen ihre Dreiviertelstunde um 19 Uhr 45. Da war der Saal schon furchtbar voll. Was wie der Name einer Coverband von Motörhead anmutet, entpuppte sich als das ganze Gegenteil. Motorowl waren ein fünfköpfiges Kommando aus Gera, das in der Tradition psychedelischer Doom-Rocker oder doomiger Psych-Rocker wie Pentagram, Witchfinder General oder Witchcraft stand, und sogar den Hauptakt übertrumpfen sollte. Hemmann, Steiniger, Camin, Dettlev und Scheibe erwiesen sich als fünf tolle, lebendige Langhaarige mit okkult-spirituellem Drall und einem candlemassig hellen Goldkehlchen ganz vorn. 'Om Generator', so hieß das Langdebüt, das aber erstens nicht om-meditativ sondern manisch-wild, und zweitens in natura ungleich besser und eigenständiger rüberkam als auf Tonträger. Um nicht zu sagen: Mit ihrem orgelforciert schnurrigem, packend gespielten Retrostoff hauten Motorowl die Menge schlichtweg um - und führten jeden einzelnen auch körperlich an seine Grenze. Schon lange war das als Kontrollstempel dienende Gruppenlogo von Sólstafir - das Strahlenbüschel der Sonne - zu einem blauen Klecks auf dem Handrücken zerflossen. Und der Beatpol füllte sich immer mehr...
Als SÓLSTAFIR um 21 Uhr in ihre Schau starteten, war der Saal mit sechshundert Besuchern (jeder zweiter ein Experte in Sólstafir-Nicki) klaustrophobisch übervölkert und glühend heiß. Bei Sólstafir ging´s von Anfang an nur ums Durchhalten. Mit dem vom Megazine aus Dortmund auf Nummer eins abgefeierten Album 'Berdreyminn' klang das Quartett aus der Kulturszene in Reykjavik in meinen Ohren im besten Fall wie die kleinen Brüder von Bathory, oder auch wie eine bemüht untergründige Version von U2. Aber „live“ ist ja manchmal ganz anders... Nicht so heute. Aðalbjörn Tryggvason, Sæþór Maríus Sæþórsson, Svavar Austman und der jüngst dazugestossene Hallgrímur Jón Hallgrímsson waren sonnenbebrillte, stocksteife Figuren, die für die Masse ein sattes Spektakel zwischen Melancholie, Schmus und Coolness ablieferte, für mich jedoch nur einen weiteren Klangteppich aus dem Nordland bedeutete, der sich auch noch verdammt unecht anfühlte. Allzu gewollt hintergründig und tiefsinning wirkte das Ganze, und wäre nicht der Wille zum Überleben gewesen, hätte ich mich glatt zu Tode gegähnt. Es blieb die Flucht zum Ausgang. Wenigstens fand Frl. Peanut mich im Gemenge aus brennenden Leibern wieder. Nach einer halben Stunde haben wir uns quer über den Platz ins „Briesnitzer Stübchen“ gerettet. Als wir ein Stündchen später zum „Beatpol“ zurückkehrten - um eine CD von Motorowl zu kaufen - hatte der sich in eine Gluthölle verwandelt. Auf der Bühne zockten Addi & Co. ihre Schau unverdrossen bis zum Ende durch. Für mich waren Sólstafir ein teuer (24 Euro), aufgeblasener und von der Masse verehrter Reinfall!
 
 

Heiliger Vitus, 21. Juni 2017 (Sonnenwende)
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
MOTOROWL
(19.46-20.33)
1. Om Generator
2. The Highest City [Part 1]
3. The Highest City [Part 2]
4. Old Mans Maze
5. One and Zero
6. Beloved Whale
7. White Horse
8. Spiritual Healing
 
SÓLSTAFIR
(21.00-XXX)
Náttfari
1. Silfur-Refur
2. Ótta
3. Love Is the Devil (and I Am in Love)
4. She Destroys Again
5. Náttmál
6. Ísafold
7. Necrologue
8. Pale Rider
9. Fjara
10. Goddess of the Ages