TANKARD, SQUEALER
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 29. Mai 2002
Bang or die! Tankard fabrizieren seit 1982 Wirbelsprenger, die einem das Hirn wegblasen und süchtig machen. Mit dem besten Metalshouter der Welt, raserischen Riffs und wahnwitzigem Getrommel regieren sie den Alcoholic Thrash Metal. Die Helden meiner Sturmzeit pflegten über Jahre einen sehr selbstzerstörerischen Witz, dessen hämischer Unterton auch etwas Befreiendes hatte. Chef Gerre wohnt im selben Viertel wie ich, nur durch einen Park getrennt. Wer in Rödelheim wohnt und das gesund übersteht, ist zu allem fähig! Mit Tankard, bierstehlenden Aliens, Zombies, fliehenden Poppern und Unmengen Zauberelixier im Blut erlebte ich Totalabstürze ohne Ende. Neben Kreator, Sodom, Holy Moses und Destruction zählten Tankard zu den Anstiftern des deutschen Thrash Metal. Nur ihre Heimatstadt ließ das ziemlich kalt. Fünfzehn Jahre mußten Tankard durchstehen, bis sich das Tor zur heiligen Halle am Bahndamm der S6 erstmals für sie öffneten. Heute durften Sänger Andreas „Gerre“ Geremia, Gitarrist Andi Gutjahr, Basser Frank Thorwarth und Schlagzeuger Olaf Zissel in der „Kapp“ Geburtstag feiern: Tankard wurden zwanzig! Und viele kamen. Mit 800 von der IG Schwermetall quoll die Maybach 24 über. Mitten im Getümmel: Gerre. Entdeckt und auf den ersten Blick erkannt, herzte mich der Frontmann und dankte für meine Karte aus Dresden. Ferner wurde der nach Berlin ausgewanderte, langjährige Sechssaiter Andy Bulgaropulos gesichtet.
 
Die Powermetaller SQUEALER durften das Fest eröffnen. Das Kommando aus dem SEK Schwalmstadt gibt´s schon seit 1984. Squealer gehören gewissermaßen zu den alten Eisen der Szene. Und trotzdem besitze ich keine Platte von denen. Verteten Squealer doch jenen Stil, der mich nie richtig begeistern konnte: kreischenden, teutonischen Melodic Speed Metal in Machart von Helloween und Gamma Ray. Das Quintett um Gitarrist und Sänger „Henner“ Allendörfer machte sein Ding aber höchst engagiert und kam überaus sympathisch rüber. Unter anderen Vorzeichen wären Squealer sicher gnadenlos abgefeiert worden. Doch in dieser Nacht lechzte die Menge nur nach Tankard, nach Tankard - und niemandem sonst. Irgendwie taten mir Squealer leid. Im Finale hämmerten die Männer aus Nordhessen den Melodicspeedster „Under the Cross“ ins Publikum. Vermutlich so was wie die Hymne der „Kreischer“.
In der Pause lernte ich den alten TANKARD-Schlagzeuger, Oliver „OW“ Werner, kennen. Wir tranken zwei große Biere zusammen. Was soll man in einer Pause sonst schon machen? Von Tankard alles erzählen, hieße Wasser in die Sahara tragen. Wer kennt sie nicht, die Wünsche und Sehnsüchte von der Trauminsel „Beermuda“? Wo das Bier in den Palmen wächst und keiner arbeiten gehen muß! Schöne Visionen von den vier Bembelkämpen und Gralshütern des Reinheitsgebotes von 1516. Jeder kennt sie. Tankard sind enorm sinnlich, gegen Drogengebräue jeder Art resistent, und waren folglich die großen Heroen meiner Jugend. Sicher, ihr Höhepunkt lag in der metallischen Blüte der Achtziger und Anfang der Neunziger. Dem Zeitgeist zum Trotz haben die Frankfurter ihr Ding - den THRASH METAL - jedoch gnadenlos durchgezogen. Das muß ihnen erst mal jemand nachmachen. - Mit der Hitsingle „Alien“ war das Scharmützel eröffnet. Vom Start weg ließ Frankfurts lauteste Band die Fetzen nur so fliegen, und düste mit sichtlicher Wonne durch einen Zeitraum von zwanzig Jahren samt allen von ihr ersonnenen Schlaglichtern des Thrash: von der 'Zombie Attack', über 'Chemical Invasion', 'The Morning After', 'The Meaning Of Life', 'Stone Cold Sober', 'Two-Faced', 'The Tankard' und 'Disco Destroyer' bis hin zu den 'Kings Of Beer'. Schweißtriefende Leiber verwandelten die Kapp in einen Schwitzkasten. Gerre stichelte wie eh und je seine Zoten über seine dicken, betrunkenen und häßlichen Komplizen. Und Andi, Frank und Olaf rifften, zerrten und verprügelten ihre Apparillos nach Strich und Faden. Die Mähnen kreisten, Extremitäten flogen... ha... nur der Centerfold des Playgirl ist für Lendengott Vitus reserviert. Vom kommenden Rundling 'B-Day' gab´s einen Thrasher über das gefährliche Viertel, in dem die Burschen aufwuchsen, mit Namen „Rundown Quarter“. Auch das Neue-Deutsche-Welle-Projekt Tankwart kam zu Ehren - lautete der Wunsch an die Headbangerschaft doch schlichtweg „Himbeergeist zum Frühstück“. In Halbzeit zwei wurde mit der Eintrachthymne „Schwarz-weiß wie Schnee“ noch ein echter Chartstürmer in die Menge gedroschen, und irgendwann hatten alle tüchtig einen im Kahn. Final ließ es die Horde mit dem alles schrottenden Speedfuck „(Empty) Tankard“ noch mal richtig krachen. Nach zwei Stunden war das Rambazamba vorbei. Selbst wenn Tankard nicht mehr so chaotisch und zerstörerisch wie zur Glanzzeit waren, und ihr Frontmann keine Purzelbäume mehr schlägt: Schnurzpiepegal, die Stimmung war phänomenal. Einziger Wermutstropfen: die hohe Hooligan-Präsenz. Ein bulliger Springteufel mischte den Mosh-Kreis derart auf, daß Headbangen die Gefahr einer blutigen Nase barg. Auch wenn Gerre begeisterter Fan der Eintracht seiner Heimatstadt Frankfurt ist: Tankard gehört den METALHEADS!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
SQUEALER
u.a.
Under the Cross
In Zaire [Johnny Wakelin]
 
TANKARD
1. Alien
2. Dark Exile
3. Don´t Panic
4. Queen of Hearts
5. Mercenary
6. Space Beer
7. Nation over Nation
8. Dancing on Your Grave
9. Maniac Forces
10. Rectifier
11. The Morning After
12. Death by Whips
13. Alcohol
14. Tattoo Coward
15. Zombie Attack
16. Rundown Quarter
17. Chemical Invasion
18. Freibier
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19. Poison
20. Schwarz-weiß wie Schnee
21. Sternenhimmel
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22. (Empty) Tankard
Für die Ultras unter den Kampftrinkern machte in der Dritten Halbzeit DJ Albrecht (Rock Hard) noch ein Faß auf. Augenzeugen zufolge stolperten die letzten Die-Hard-Fans um vier hinaus ins Freie. Ich selbst war schon mit Tankards Abgang vollgetankt. Zeugen eines Abends im Temporausch waren blaue Flecken, eine Beule an der Stirn, eine gewisse Amnesie und der Kater am Morgen danach. Aber der war mit Weißbier rasch ausgetrickst......
 
 

Heiliger Vitus, 30. Mai 2002; Bilder: Weil in der Batschkapp Fotografierverbot bestand, eins von der Tankardseite (o.) und eine Autogrammkarte