THE OBSESSED, GOSOLOW D-Wiesbaden, Schlachthof (Kesselhaus) - 12. August 2024 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Etwas ganz Besonderes, etwas Außergewöhnliches, etwas Magisches lag in der Luft: Nach einem Jahr war fuckin´ Wino zurück in Wiesbaden, um unsere Herzen mit Doom und Motorcycle Rock Made in Maryland, USA zu wärmen. Seltsamerweise kamen heute noch weniger, als vor einem Jahr. Mehr als hundert waren es nicht. Big Simonski aus Koblenz hatte wegen chronischer Konzert-Überdosis abgesagt. Doch der langhaarige Blondschopf Marcus war wieder genauso da, wie die anderen üblichen Verdächtigen aus Offenbach. Auch Holger „Bleed the Freak“, ein Bekannter aus uralten Doom-Shall-Rise-Tagen, war mit seinem Filius den langen Weg von Waiblingen nahe Stuttgart gegangen. Neue Lieder hatten Wino und Konsorten nicht dabei. Dafür stürzte ein weiblicher Bulldozer im Vollrausch frontal über den liebevoll aufgezogenen Merch-Stand, der um ein Haar unter der Last zusammengekracht wäre. So blieb es bei zerbrochenen Flaschen und von Bier überschütteten Schallplatten. Und niemand half der hübschen Lady hinterm Tisch beim Saubermachen - während in Wino bestückt mit Wasser und Zauberelixier der Engel gegen den Schakal kämpfte... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Vorspiel bestritten die Psychedelic-Rocker GOSOLOW. Mal kurz nachdenken: Go so low. Der Dreizack aus Frankfurt wollte also in den tiefen Gewässern fischen... Gosolow brachten ihr 2021 im Institut für Wohlklangforschung abgemischtes Album 'Muto Rumore' in voller Länge. Hierin pendelte der Stil von Stoner Rock über kleine Punk-Auswüchse und avantgardistische Experimente bis hin zu waberndem Psych. Alles war rein instrumental. Dabei kam die Vorstellung eher ruhig fließend als brachial daher. Ein paar Headbang-Einlagen gab´s natürlich. Die Darbietung war also in Ordnung, aber die Lieder - im Unterschied zu ihren kryptischen Titeln und der hochoriginell gestalteten Setliste mit teils kopfüber stehenden Worten - sehr einfallslos. Selten war die Vorgruppe so sedierend wie die Kadavar aus der hiesigen Muckerszene. - Die Pause wurde von schweren, wagnerianischen Klängen beschallt. Wino, der Gosolow vorn an der Bühne verfolgte, machte einen kleinen Diener vor mir. Wie peinlich. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bei gleißender Sonne draußen und Death-Valley-Werten drin starteten um 20 Uhr 15 THE OBSESSED in ihr Ritual. Wino sagte es als „Special set for the brethren in heaven“ an, und widmete es Dale Flood, der sich als einer der Vorreiter der Doom-Bewegung tags zuvor ins Himmelreich verabschiedet hatte, genauso wie seinen Weggefährten von The Obsessed, Dave Sherman und Bruce Falkinburg, sowie Armando Acosta und Mark Adams, den guten Seelen von Saint Vitus, und Jon Blank (Wino). Der Schlagzeuger hatte sich extra für Dale ein Shirt von Unorthodox übergestreift. Vor diesem Hintergrund entfesselten Scott Weinrich, Jason Taylor, Chris Angleberger und Brian Costatino ein siebzigminütiges Spektakel voller funkelnder Doomrockperlen - sage und schreibe neunzehn davon! Los ging´s traditionell mit „Hiding Mask“. Spätestens als die Zeile „Just a shadow... I love you“ förmlich wie ein scharfer Dolch ins Herz stach, war ich rettungslos verloren. Welch ein herzzerreißender Einstieg. Gefolgt vom durchnäßten „Sodden Jackal“. Daß Wino dabei der Blickfang war, blieb keine neue Erkenntnis. Mal abgesehen von ein paar fehlenden Zähnen war der Dreiundsechzigjährige in bester körperlicher Verfassung, hatte total abgespeckt, und daß er in puncto Charisma einmalig ist, war wahrlich auch nichts Neues. Im weiteren Verlauf brachten die Amis einen Cocktail aus reifem Wein und neuem Stoff. Dreimal tauschte der Fronter die Gitarre. Dabei fiel der Mittelteil zulasten eines seltsam harschen Klangs, einer gewissen Abstumpfung und einiger lakonischer Ansagen minimal ab. So gestand Wino sein gutes Gefühl beim Flug über die „Green hills“ von Deutschland (nachdem The Obsessed tags zuvor Portugal doomten), indes die Bewertung deutschen und belgischen Gerstensafts geschenkt schien. Jemand rief: „Motherfucker, spiel!“ Und genau das haben The Obsessed verdammt nochmal getan! Dabei erhielt Wino heute flammende Unterstützung am Mikro: beim schnellen „Punk Crusher“ durch Trommler Costatino; beim gefühlvollen „It´s not OK“ durch den unentwegt headbangenden Sechssaiter Taylor. Während Bassist Angleberger mit langem weißem Haar und Bart inzwischen wie ein Ebenbild Winos wirkte. Im letzten Drittel war auch der Sound wieder voll, klar und laut, liefen die vier noch einmal zu großer Form auf, und erweckten den Eindruck, daß sie eigentlich nochmal von vorn beginnen könnten. Halb elf - nach einem doomigen, finsteren Finale bestehend aus den Neuwerken „Stoned Back to the Bomb Age“, „Wellspring - Dark Sunshine“, sowie Spirit Caravans „Lost Sun Dance“ - verließ die echteste und ehrlichste Gruppe auf Erden mit gereckten Fäusten das Podium (und kam auch nicht wieder)... | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: ABSPIELLISTEN ::. GOSOLOW (20.02-20.50) 1. In uns Endliche 2. (En route pour) Kraken Mare 3. Über 4. Feintod 5. Kintobor 6. Punxsutawney 7. Mount Stupid 8. Once Amore 9. Sidescroller 10. Bjorking 11. Wjon 12. The Dentist THE OBSESSED (21.13-22.24) 1. Hiding Mask 2. Sodden Jackal 3. Mourning 4. Daughter of an Echo 5. Tombstone Highway 6. Sacred 7. Streamlined 8. To Protect and to Serve 9. Brother Blue Steel 10. Blind Lightning 11. Streetside 12. Punk Crusher 13. Gilded Sorrow 14. The Way She Fly 15. Skybone 16. It's Not OK 17. Stoned Back to the Bomb Age 18. Wellspring - Dark Sunshine 19. Lost Sun Dance [Spirit Caravan] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wie immer geriet unser Rückweg zu Fuß und per S-Bahn zu einem mulmigen Trip von der Ukraine über Sodom und Gomorrha ins Ausland. Nachdem schon die Hinfahrt wegen Idioten in den Gleisen litt, zerkratzte auch die wegen Stellwerksarbeiten um eine halbe Stunde verschobene Rückfahrt einiges von der Magie der Nacht. Dafür versüßte ein Freak hinter uns die Geisterbahn mit einem Abspielgerät, aus dem archaischer, messerscharfer Heavy Metal von der NWoBHM über Sleaze und Motörhead bis hin zu Ozzy lief. Bis jemand sich gestört fühlte und das „persönliche Freiheitsrecht“ des Unbekannten unterband. „It's not OK to rip me off“, hatten zuvor The Obsessed gedoomt! ((((((Heiliger Vitus)))))), 14. August 2024 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||