THE RAZORBLADES
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 12. Januar 2007
Wir hatten lange überlegt, wo dieser Freitagabend zu feiern sei. Beim „Smashrock“-Festival mit fünf Gruppen in der Fechenheimer Antagon-Halle? Oder bei einem kleinen Surfrock-Gig in Sachsenshausen? Nach dem sechsten Halben wählte ich mit Frl. P. die entspannte Variante im „Bett“ südlich des Mains. Halb zehn waren wir rübergegondelt - nach „Dribbdebach“, wie man in Frankfurt sagt. Nach „drüben vom Bach“ also. Da, wo sich alles ums saure Nationalgetränk „Ebbelwei“ dreht. Zwischen zig Kneipen und dem Fraa-Rauscher-Brunnen, inmitten von Fachwerk und Pflastergassen, war der Konzertklub in der Klappergasse 16 ausfindig gemacht. Jenseits des Mainstroms stand er sozusagen. Im doppelten Sinne. Haben sich dessen Betreiber doch geschworen, daß hier nur Musik unterm Radar des Mainstreams läuft. Das Bett entpuppte sich als knuffige Kiste von achtzig Quadratmetern mit einer Bar und der Bühne an den Schmalseiten. Dazwischen befanden sich sechs Stehtische und eine abgesenkte Tanzfläche. Um zehn zählte ich 24 Betthäschen: einen Herrn am Einlaß, eine Dame hinterm Tresen, zwei Musiker, zwanzig Gäste. Eine Dame trug eine Friedenstaube auf dem Rücken, ein Herr eine Kalaschnikow, der Rest waren unauffällige Durchschnittstypen. Punkt 22 Uhr kreuzten auch die beiden fehlenden Musiker auf, auf die man so lange gewartet hatte.
22 Uhr 15 Uhr legten THE RAZORBLADES los. Mit Surfmusic. Jedoch nicht aus dem sonnigen Kalifornien, sondern dem westhessischen Wiesbaden. Surf - da denkt man an Palmen, knallige Hemden, riesige Sonnenbrillen und pomadige Tollen. Die vier Brüder der Razorblades waren anders: Rob, Rocco, Ray und Rodrigo Razorblade kamen in Fußballjerseys aus den Fünfzigern, mit seltsamen Bärten und extrem langen Loden (die von Basser Ray reichten bis in die Kniekehlen). Sie waren auch nicht in einem chromfrisierten Hotrod sondern mit der S-Bahn angerückt. Würde man sie bloß sehen, würde man an eine Metalband denken. So aber gab´s „21st Century Surf“, wie sie ihn selbst nennen. Eine sinnfreie Chose aus schwirrenden Twanggitarren, wuchtigen Bässen, rasanten Melodien und dem bewußten Gruß von Tarantino. Wir hörten Songs mit Titeln wie „Fasten Seatbelts“, „Wake Up Rude Boy! It´s Surfin´ Time“, „I´m in Love with an Octopus“, „Rock´n´Roll Zombie“, „Beach Racer“ und „Headshaker“ - nur keinen Gesang. Die fehlende Stimme und eine gewisse Selbstverliebtheit ließ die Akteure trotz großer Hingabe nach und nach in Coolness ersterben. Die Razorblades zogen ihr Ding jedoch unverdrossen durch und legten erst nach siebzig Minuten die Fender zu Boden. Es war ganz hübsch, nicht zwingend prickelnd und erst recht kein Tsunami. Aber mehr hatten wir Nicht-Wellenreiter auch nicht erwartet. Kurz nach Beginn war auch der Ex-Subversive und jetzige Grünen-Stadtrat Joachim W. eingetroffen, mit dem wir uns im Bett verabredet hatten. Damit nahm die Nacht ihren Lauf...
Speak Easy
Nach den Surfern trieb es uns zur etwas heftigeren Nachbarschaft in der berüchtigten Großen Rittergasse 42, in die Metalbastion No. 1 „ Speak Easy“. Wo heute Stefan von Grave Digger als Gast-DJ die schwermetallischen Plattenteller rotieren ließ. Indes uns bei all dem Wucher ums Bier nach einer Stunde die Lust schnell vergangen war. Nach der Vernichtung von einem Dutzend Getränken sind wir um Mitternacht abgeschwirrt. Auf unserem Heimweg in Rödelheim lauerte fatalerweise auch noch eine Cocktailbar, die mir ganz fürchterlich auf den Magen schlug. Der totale Untergang war drei Uhr nachts besiegelt. Um den Rest des Wochenendes surfe ich eine Welle des Schweigens...
 
 

Heiliger Vitus, 15. Januar 2007