THE SKULL, CASTLE
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 15. Oktober 2018
Diese Nacht im Oktober hatte zumindest zwei Stars: die Ex-Stimme der Chicagoer Doom-Legende Trouble; und Frankfurts Musikklub „Das Bett“. Nach letzten Mitteilungen war selbiges in den Vorwochen „frisch bezogen“ worden. Goddess of Doom Peanut und ich waren also in freudiger Erregung... Die ehemalige Lagerhauszeile im Gallusviertel erwartete uns in neuer Aufmachung. Der schöne Chinese am Eck war verschwunden. Dafür schälte sich eine sterile Nachtbar und eine kegelbahnförmige Kreativwerkstatt aus dem Dunkel - Orte, die kein Mensch braucht. Auch unser Frankfurter Lieblingsklub war kaum noch wiederzuerkennen. Die Wände waren verschoben worden, die beiden Stützsäulen entfernt, Vorraum und Mischpultanlage auf ein Minimum zusammengestutzt worden. Die Bar war ins Eck umgezogen, eine neue, stimmungsvollere Lichtanlage wurde installiert. Allesamt gelungene Schachzüge: Aus einer mittelgroßen Halle war eine große für geschätzt sechshundert Personen geworden. Nicht mal ein Zehntel verirrte sich indes zu Trouble. Und dies zu einem fairen Normalpreis von 17 Euro 50. (Bei der US-Epic-Metal-Legende Manilla Road sollen es sogar nur fünfzig gewesen sein.) Ein weiterer Nachweis, daß Doom und Metal in Frankfurt Totgeburten sind. Ungewohnt im Bett war ferner, daß mit seinen neuen Betreibern der Showstart eingehalten wird. Das Vorspiel begann sogar vier Minuten zu früh.
Der gestandene, hierzulande aber völlig unbekannte Dreibund CASTLE, rumpelte nach dem Slayer-Riff von „South of Heaven“ - von weiblichem Gesang getragen - durch eine wilde Welt aus Doro, Judas Priest und Okkultismus. Sprich: Castle waren zur Abwechslung mal nicht im Fahrwasser des Siebziger-Psych sondern des altvorderen Achtziger-Heavy-Metal unterwegs. Wobei Frontfrau Liz Blackwell bei jedem Lied zwischen spektakulärer Aktion und entschleunigten Momenten hin und her pendelte. Als Doom-Addikt war mir das etwas zu hitzig und zu schrill aufgetragen, aber durchaus ganz vergnüglich (und wahrscheinlich in ein paar Jahren wie Musik aus einer fernen, untergangenen Welt). In Erinnerung blieb ein sexy Vamp in Lack und Leder, ein scheuer Schrat mit wilden Augen, traurig verwehter Stimme und Saint-Vitus-Shirt (Gitarrist Mat Davis, die in meinen Augen bessere Frontfigur!), und ein Trio aus San Francisco, das wie ein verschworener Zirkel die Köpfe eng zusammensteckte und bildgewaltig die Mähnen wirbelte. Aber alles wartete auf die übermächtigen The Skull...
Wie sicher jeder weiß, wurden THE SKULL nach dem zweiten Meilenstein von Trouble aus dem Jahre 1985 benannt - das zugleich auch noch das Bandlogo stiftete -, und mit Sänger Eric Wagner und Bassist Ron Holzner hatten sie zwei Fackelträger des US-Dooms in den Reihen. Beide zeigten sich gesünder als etwa beim Hammer of Doom 2016. Wagner hatte abgespeckt und wirkte als Kreuzträger mit ungewohntem weißen Wallebart wie ein Guru, Jesusfreak oder Eremit, jedenfalls nicht von dieser Welt. Ebenso entrückt war seine Erkenntnis, heute das erste Mal in Frankfurt zu sein. (1995 war er mit Trouble in der „Batschkapp“.) Aber egal, eins mußte man Holzner, Wagner und seinen heiligen Geistern lassen: Sie hatten´s drauf! Das Gitarrendoppel Keller/Wrong (der Wrong von Witch Mountain) kam natürlich nicht an die Aura von Franklin/Wartell ran, wirkte aber grundsympathisch und sprühte trotz wochenlanger Tour vor Frische und Lust. Am Schlagzeug saß erneut der schmächtige Ex-Cathedral-Trommler Brian Dixon. Die Besetzung triefte also vor Doom-Geschichte. Der Auftritt teilte sich in zwei Kapitel auf. Kapitel eins: The Skull; Kapitel zwei: Trouble mit Unterstützung von The Skull. Das eigene Material wirkte zunächst eher konventionell, in verhaltener Trouble-Manier. Eine kritische Zunge würde sagen: The Skull fehlte die Dynamik, oder: The Skull waren gleichförmiger Zeitlupenmetal. Er war aber mit Herz gemacht und flößte ab dem Mittelteil nicht zuletzt durch Wagners schauriges, rauchig-helles Timbre tiefe Ehrfurcht ein. Die Abteilung „The Skull“ gipfelte nach einer Stunde im Meisterstück „For Those Which Are Asleep“. Nach kurzer Pause bog der Auftritt jedoch in eine ganz andere Richtung ab. Wagner hatte die Verlängerung mit einem dahingegrummelten „Never forgotten... I can´t remember...“ angesagt, und schelmisch gefragt, wieviel wir wollen: „One? Two? Or three?“ Dann brach der Sturm los. In der folgenden halben Stunde entfesselte das übermächtige Erbe der frühen Trouble in Form sechs biblischer Orkane eine Wucht, die die ganze Meute ins Headbanging stürzte. Ich sage nur: Riffs, Riffs, unfassbare Riffs... Und dennoch hatten The Skull heute mehr Seele und Tiefe als erwartet. Doch allein „R.I.P.“, „Assassin“ und „The Tempter“ waren jeden verdammten Pfennig wert.
 
Der Auftritt wurde nicht nur von der Meute sondern auch von den Mitgliedern von Castle interessiert verfolgt. Dabei verblüffte die Frontfrau mit professionellen Dehnübungen des vorderen Oberschenkels. The Skull wiederum gaben im Anschluß ihren Verehrern geduldig Rede und Antwort. So ähnlich soll auch die Nacht im Kellerklub „Barfly“ in Sonthofen im Allgäu verlaufen sein. Unser Komplize Kishde war dort - vor drei Tagen als einer unter dreißig Besuchern und rettender Engel für Mister Wagner am Zigarettenautomat. Die Heimfahrt nach Schwaben hat er nicht mehr geschafft und im Camper kampiert. Das Bett in Frankfurt war bereits um elf nahezu entseelt.

 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 17. Oktober 2018, Bilder: Vitus & Kishde (One Past Zero; aus dem Barfly Sonthofen, 12.10.18)
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
CASTLE
(19.56-20.40)
Acht Lieder, darunter:
3. Deal Thy Fate
5. Hammer and the Cross
8. Evil Ways
 
THE SKULL
(21.05-22.27)
1. Trapped Inside My Mind
2. Till the Sun Turns Black
3. Sick of It All
4. Breathing Underwater
5. As the Sun Draws Near
6. A New Generation
7. The Longing
8. The Endless Road Turns Dark
9. Send Judas Down
10. For Those Which Are Asleep
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11. R.I.P. [Trouble]
12. At the End of My Daze [Trouble]
13. All Is Forgiven [Trouble]
14. The Tempter [Trouble]
15. Assassin [Trouble]
16. Bastards Will Pay [Trouble]