TITO & TARANTULA
D-Frankfurt am Main, FIFA Frauen-WM Fanmeile - 4. Juli 2011
Eine durchschoßene Hand, die mordenden Gecko-Brüder, tequilatrinkende Trucker, der Biker Sex-Machine, und Satanico Pandemonium, die ihre Gestalt von der heißen Stripperin zum Vampir ändert: Wer erinnert sich nicht an die „von der Dämmerung bis zum Morgengrauen“ offene Trucker-Bar „Titty Twister“? Einen ganz realen Auftritt in Quentin Tarantinos Tex-Mex-Kultfilm „From Dusk Till Dawn“ hatten Tito & Tarantula, die im Twister das Lied „After Dark“ zelebrierten. - Fünfzehn Jahre später stieg in Deutschland die Frauenfußball-Weltmeisterschaft. Als Eldorado des Damenfußballs hatte Frankfurt am südlichen Mainufer zwischen Holbeinsteg und Untermainbrücke die Fanmeile „Frankfurter Fußballgärten“ hergerichtet. Neben Freiluftschänken und im Main schwimmenden Bildwänden stellte ein auf Pontons thronender Ball das Zentrum der Betrachtung dar. Nach der Eröffnungfeier „Ballzauber am Main“ am 25. Juni hatte sich die Kugel in eine Flußbühne verwandelt, auf der in den kommenden drei Wochen verschiedene Rahmenprogramme stattfanden, darunter ein eintrittsfreies Konzert der US-amerikanischen Rockband Tito & Tarantula. Eine milde Abendbrise, das Radeberger für Dreifünfzig, die Wolkenkratzer von „Mainhattan“ und sechshundert Eventgänger, stellten die Szenerie für ein entspanntes Sommermärchen an jenem Montagabend am Main.
Gegründet haben sich TITO & TARANTULA 1992 in Los Angeles. Der Insektenhorror aus den Fünfzigern inspirierte zum Bandnamen, und das im Kinofilm gespielte „After Dark“ gilt bis heute als ihr erfolgreichster Titel. „After Dark“ war so was wie die Erfindung des „Tex-Mex-Rock“, der sich als laszive Mixtur aus Blues, Latino und Stoner Rock beschreiben ließe. Mit Gruppen gesagt: Kyuss trifft Santana. Erschienen waren Tito & Tarantula jedoch nicht in der Besetzung von 1996, sondern mit dem Mexikaner Tito Larriva an Fender und Mikro, einem etwas matten Youngster aus Illinois am zweiten Sechssaiter, dem drallen Käfer Lucy LaLoca aus Texas am Baß, sowie einem bräsigen Herrn aus Osnabrück hinterm Schlagzeug. Alle schwarz gekluftet und - außer dem Deutschen - sonnenbebrillt. Um 20 Uhr 35 hatten Larriva und Konsorten die auf dem Main schwimmende Bühne geentert und mit „Angry Cockroaches“ Gitarren reden lassen. Anstelle von Blut, Sex und einer Unterwelt waren sie dabei aber von den polierten Bankentürmen im Hintergrund und den nicht nach Rockern aussehenden Zuschauern von „Dribbdebach“ umschlungen. Dazu schien die Sonne. Licht ist Gift! Unter diesen Umständen wollte auch lange kein Funke aufs Ufer überspringen. Das änderte sich erst mit der Dämmerung um neun. Und mit dem „German Fräulein“ und „After Dark“ begann die Stimmung dann auch wundervoll zu werden... hätte nur nicht anstelle von Salma Hayek ein Fettwanst aus der Menge den Schlangentanz nachstellen dürfen - dessen häßlicher Körper den Knüller nachhaltig verdarb. Im Verlauf gaben sich die Künstler unterhaltsam, John-Garcia-Ebenbild Larriva kredenzte rauhes Kojotengeheul, dazu pflegte man coole Posen, ohne jedoch zu einem wirklich großen Trip zu werden. Zu abgewichst, zu schnell, zu viel „Machete“ war das meiste. Aber wollen wir nicht meckern - bei einem Konzert mit freiem Zutritt, das woanders nicht unter zwei Scheinen zu haben ist. Ein, zwei Punkrocker beschloßen nach siebzig Minuten den regulären Teil und nach einer ausführlichen Version von „La Bamba“ als Zugabe, war der Meister mit seinen Tarantulas um 21 Uhr 55 durch.
 
Am Schluß wurden Peanut und ich von einem Jüngling beehrt, der sich mit den Worten „Ihr seid echte Veteranen!“ um ein Haar vor uns in den Staub geworfen hätte. Auch gab es ein abermals unerwartetes Wiedersehen mit Marathonläufer Lipecki, der mich im Mai in Mainz lang gemacht hatte. Tim wollte im Anschluß noch zu einem Konzi der Surfcombo Razorblades, sonst hätten wir wohl noch im Morgengrauen am Main gestanden. Die Öffnungszeit der Festmeile endete heute schon in der elften Abendstunde. Um elf waren die Menschen in alle Winde zerstiebt und in Frankfurts Fußballgärten die Rollos heruntergelassen.
 
 
El Vito, 6. Juli 2011; Bilder: Vitus & Peanut
Blick vom Holbeinsteg auf die Fanmeile (o.),
und T&T auf der Flußbühne (u.)