UNDERTOW, DOUBLEWIDE
D-Dresden, Heavy Duty - 29. April 2017
Was einmal Normalität war, kann im Greisenalter verheerend enden. Mit diesem Rucksack hatte mich Frau P. im Viertagerhythmus zu einem dritten Liveritual binnnen neun Tagen mobilisiert. Grund war der Auftritt der Alternative-Metal-Legende Undertow, die im whiskeydurchtränkten Metalschuppen meines Schwippschwagers „Der Lange“ einen Start in eine neue Karriere versuchen wollten. Mäßigung war unsererseits vonnöten, da wir anderntags - in der Walpurgisnacht! - nach Frankfurt am Main zurückpendeln mußten. Für acht Euro Eintritt hatten sich rund sechzig Kunden im „Heavy Duty“ eingefunden. Voll wurde es aber erst nachdem der Typ an der Kasse seine Stellung aufgegeben und Chef Willi die Geldkassette in die Hand gedrückt hatte. Nach Mitternacht wühlte sich plötzlich fast das Doppelte durch den engen Schlauch in der Louise 28, viele Touris, darunter ein Quälgeist aus Schwabistan.
Anbläser durften DOUBLEWIDE sein. Die fraugefrontete Kommune aus Thea, Denial, Master Schulz und Little Green Marsmachine hatte zu - Obacht: Froschschenkeln - eingeladen, und entpuppte sich dann als gut eingegroovte Crew, die es mit knackigen Rhythmen zwischen alternativen Corrosion of Confomity und den deathmetallischen Holy Moses trieb. Morbide weibliche Growls kopulierten mit tiefergelegten, wuschigen Heavygitarren und dem beeindruckenden Getrommel von Marsmachine, der außerdem noch mit wahnsinnigem Headbanging bestach. Grob gesagt hatten wir es mit vier Langhaarigen zu tun, die stonerigen Heavy Rock machten. Die Schau wurde von einer kristallklaren Beschallungsanlage forciert; sie war furios, sie war groovy, sie war geil - - bis sich der strohblonde 3-mm-Schwanz in einen Jungen aus der Frontreihe verknallte. Plötzlich wurde Fräulein Sonnenschein zum Supergirl der Nacht, daß auch Zungenküsse mit Geschlechtsgenossinen nicht scheute und schließlich als vielfach penetrierte Prinzessin dastand. Fifty Shades of \m/(-.-)\m/
Von UNDERTOW hatte ich über die Jahre immer wieder mal Notiz genommen. Als eine der typischen Alternative-Metal-Gruppen der frühen Neunziger waren die Schwaben damals unter anderem schon mit Crowbar, Pro-Pain und End of Green auf Tour. Freunde der großen Schwermetallmusik wurden mit massiv-melancholischen Sounds im Southern-Stil der NOLA-Bands bedient, Kenner mit Kniefällen vor Down und Crowbar. Mit nicht weniger als sieben Langeisen im Gepäck schlingerten Undertow heute zwischen feierlicher Ästhetik (die schönen und hübschen Ansagen) und räudigen Gitarrenmassakern. Richtig sludgig oder gar doomig wurde es leider nicht. Dafür waren Joschi, Brandy, Rieger und der jüngst zum Bass dazugestossene Furchtlockenträger Hundi zu hart, zu schnell und minimum einen Tick zu hell unterwegs. Hell und etwas gekrächzt tönte auch die Stimme von Joschi Baschin, dem gedrungenen Koloss am Mikro, der auch rein äußerlich als Zwilling von Kirk Windstein durchgehen konnte. Für reine Doompuristen blieben die drei, vier atmosphärischen Balladen als Psychogramme einer verwundeten Seele die Höhepunkte. Allen voran „In Deepest Silence“, bei dem sich Joschi wie ein geprügelter Hund alles Leid dieser Welt aus dem Leib litt. Andererseits rutschte der eingängige langsame Metal auch nur haarscharf am Klamauk vorbei. Am Ende stand ein mehr als anderthalbstündiges Wechselbad der Gefühle.
 
Im Abspann stellte sich noch Frontmann Hekjal von Ad Cinerem mir vor. Vor einem Jahr waren wir uns beim Doom And Gloom in Hofheim am fernen Taunus begegnet. Bedenklich, wer sich nicht erinnern kann...
 
 

Heiliger Vitus, 4. Mai 2017
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
DOUBLEWIDE
(21.45-22.30)
1. Time Cat
2. Quick Silver Visions of the Past
3. RonF
4. Death Fuge
5. Eternal Grief
6. Big Berta
7. Killer Zombie
8. Marihuana Zombie Girl
9. Mary Jane
10. Road Trip
 
UNDERTOW
(22.45-0.23)
1. Canvas Ghosts
2. The Bitter Taste
3. Stomping Out Ignorance
4. BoxShapedHeart
5. Zero Type X
6. Trails for the Blind
7. Crown of Scars
8. Burdened
9. Crawler
10. These Boots Are Made for Stalking
11. File Under Unexpected
12. Smoke Garden
13. Threedouble Chime
14. In Deepest Silence
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15. Beyond Dreaming
16. Queen vs.