BLACK TUSK, FIGHT AMP
D-Berlin, Cassiopeia - 30. September 2013
Da fährt man nach fünf Jahren wieder mal nach Berlin, und dann ist dort Flaute an der Front. Nur ein Konzert von Wert bot die Hauptstadt in der Woche des Berlin-Marathons an. Zwei USA-Kapellen sollten eine Kombination aus Metal, Punk, Stoner Rock und Noise - auch Sludge Metal genannt - auffahren. Schauplatz: das „Cassiopeia“ in Friedrichshain. Von Mitte aus waren wir mit der U-Bahn bis zur Warschauer Straße gefahren. Vom Bahnhof führte eine gigantische Brücke über Schienenstränge rüber zur Revaler Straße 99. Dort lungerten verlotterte Gestalten im Halbdunkel herum, Flaschen kollerten übers Pflaster, eine Dogge lief frei herum... Das Cassiopeia befand sich auf dem Gelände der Reichsbahn. Ein französischer Haschdealer hatte uns am Eingangstor den Weg gezeigt; ein anderer vom „K17“ mit einem Faltblatt Werbung für die Konkurrenz gemacht. Der Zugang zum Klub erfolgte über eine wackelige Eisentreppe mit dem Warnhinweis „Nicht auf der Treppe stehen bleiben! Fluchtweg“. Drin war´s unerwartet entspannt. Neben einer wohlsortierten Bar konnte man in schweren Ledersesseln rumhängen. Als Getränkemarken dienten einmalige Ansteckplaketten mit dem Cassiopeia-Emblem oder einer Gitarre (die wir gleich behielten). An einem Kickertisch vorbei, ging´s runter zur Kasse mit dem Konzertraum im Parterre. 13 Euro kostete der Eintritt, und dafür bekam der Besucher eine liebevoll hergestellte Karte. Rund sechzig waren vor Ort, die meisten völlig normale Durchschnittsmenschen.
Mit den Kampfansagen „Hello Germany, we are FIGHT AMP from the United States!“ und „Cheers, drink beers!“ ging´s pünktlich 21.03 Uhr Ostberliner Zeit los. FIGHT AMPUTATION, wie das Trio aus South Jersey und Philadelphia sich in der Langversion auch nennt, waren das erste Mal in Deutschland und der Alten Welt zu Gast. Sie brachten jedoch nicht den angegebenen Mix aus Noise, Punk und Metal, sondern eine Art Post-Metal-Blitzkrieg (sie selbst wußten es nicht so genau, standen aber auf Melvins und Unseen). Krachgitarren, treibendes Gekloppe und zwei heisere Vokalisten lieferten kurze Teile mit der Wucht eines Kinnhakens, aber auch zwei von monolithischer Länge. Zum einen das wendungsreiche, von originellen, tribalartigen Trommeln geprägte, fast zwölfminütige „Fly Trap“. Und gleich danach einen entschleunigten Batzen mit nachdenklich-depressiver Ausstrahlung. Dazu schüttelten die Gitarristen ihre Mähnen als gäb´s kein Morgen. Im Finale tranken Fight Amputation auf ihre „Brothers on the road“ von Black Tusk. McGinnis, deHart und Smith waren hübsch anzusehen, aber ohne die ganz großen Gefühle, fast etwas unterkühlt, und nach 37 hochenergetischen Minuten durch.
Mit „Bring Me Darkness“ und der schlichten Textzeile „666“ riß der Schwarze Fangzahn BLACK TUSK aus Savannah, Georgia, die Gangart dann gleich wieder auf Karnickelficktempo hoch. Auch Fiddler, Athons und Mays, Typen mit langen Loden, Tattoos, Ziegenbart, aufgerissenen Augen und Dauergrinsen im Gesicht, servierten alles anders als sumpfigen Sludge. Im Publikum fiel das Wort „Grindcore“... Black Tusk verkörperten die neue Ästhetitk von Sludge, sie waren fast ein Abbild der schnellen Fight Amp, nur daß beim Rudel aus den Südstaaten alle ins Mikro schrien (der Sechssaiter neurotisch keifend, der Bassist räudig röchelnd), und die Gesten noch praller als die ihrer Artgenossen waren. So war eins der Stücke, ein turboschnelles, Satan gewidmet - die Gitarren formten ein umgedrehtes Kreuz dazu. Während Black Tusk 47 Minuten lang alles gaben und wie vom Wolf gebissen übers Geviert tobten, verharrte Ostberlin in Zurückhaltung und Schüchternis geradezu. Vielleicht war man auch von den dauernden Haschisch-Wölkchen tranquilliert. Die Amis kamen spektakulär, im Geiste aber eher flach, und letztlich war wohl alles nur Routine. Beim finalen Teil durfte der Schlagzeuger von Fight Amp als vierter Vokalist seinen Senf dazugeben. Nach einem Lob auf Berlin - „That was what we needed!“ - sowie den selbstgenehmigten Plattmachern „Set The Dial to Your Doom“ und „Black Eyes, Red Eyes“ war die Sludge-Metal-Bestie aus USA verendet. Ein Feuerwerk aus getribalten Gitarren und Trommeln und wildem Headbangen beschloß um 22.42 Uhr die Jagd.
 
Die Stunde bis zur Mitternacht versickerte für uns in Bier und dem Wummern der Bässe im Klub darüber. Zusammen mit uns verließen die Musiker aus USA das „Cassiopeia“: einsam durch die Hintertür und wenig begeistert guckend. Nur eine Berliner Nachttaxe konnte P. und mir einen heilen Abzug aus dem rauhen Osten garantieren.
 
 
Heiliger Vitus, 10. Oktober 2013
ABSPIELLISTE FIGHT AMPUTATION
(ohne Gewähr)
1. Dead is Dead
2. I´m Out
3. Fly Trap
4. Bad Listener I
5. Shallow Grave
6. Get High and Fuck
 
ABSPIELLISTE BLACK TUSK
(ohne Gewähr)
1. Bring Me Darkness
2. A Cold Embrace
3. Enemy of Reason
4. The Crash
5. Embrace the Madness
6. Truth Untold
7. Iron Giants
8. In Days of Woe
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9. Set The Dial To Your Doom
10. Red Eyes, Black Skies