40. BERLIN-MARATHON, 29. September 2013 ¤ AUFBAUKÄMPFE Sonnenwendlauf Bonames (10 km), 26.6.13 Marburger Halbmarathon, 5.7.13 Obertshausener Halbmarathon, 28.7.13 Karbener Halbmarathon, 11.8.13 Koberstädter Wald-Marathon, 25.8.13 Quellenhalbmarathon Vilbel (10 km), 15.9.13 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ MARATHON ¤ STATISTIK ¤ BILDER | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Viktoria Berlin - Nichts mehr wie es war Wie sich die Zeiten ändern... Konnte man bei unserem ersten Berlin-Marathon 2006 noch vier Monate vorm Wettkampf einen Startplatz haben - zwischen Mitte Mai und Anfang Juli konnte Spree-Athen ausgebucht sein, „um sicher dabei zu sein, sollten wir uns bis Anfang Mai entscheiden“ - war die Teilnehmergrenze fünf Jahre später innerhalb von sechs Wochen erreicht. Was für 2012 sechs Wochen brauchte, brauchte diesmal nur wenige Stunden. Binnen 3 ½ Stunden waren die 40 000 Plätze für den Jubiläums-Marathon weg. Dabei gingen 10 000 Anmeldungen in den ersten zwei Minuten nach Öffnung der Online-Registrierung ein. Weitere 4000 standen schon in einer Warteschlange für die zweite Meldephase. Nach einer Stunde war die Hälfte aller Plätze vergeben, und am 25. Oktober 2012, 15.31 Uhr MESZ, war der elf Monate später steigende Marathon ausverkauft (die 3. Meldephase kostete 110 Euro). Mal hü, mal hott, und dann doch, bei Marathona Peanut und mir. Nach einem friedlichen Marathon durch ROM und einem etwas ernsteren Versuch in HAMBURG sah es Anfang Mai so aus, als ob es noch mal was mit einem schnellen Major werden könnte. Aber da war BERLIN schon lange dicht. Die 31 000 Plätze im freien Verkauf waren weg, über Auktionen kein Rankommen (die Startplätze in Berlin sind personenbezogen und nicht übertragbar!), und auch die 1000 Plätze der Hilfsorganisationen gingen weg wie nichts. Damit blieb nur die Hoffnung, zwei von den weltweit 8000 an renommierte Reiseveranstalter vergebenen Plätze zu ergattern (welche die Startnummer zusammen mit Flug und Hotel zu einem freien Preis - bis 170 Euro (!) die Nummer - weiterverkauften). Auch dieses Kontingent war rasch erschöpft. Trotzdem wollten wir im Herbst noch mal die Faszination der Königsklasse erleben. Und nu? Ein Reisebüro in Kopenhagen hatte noch zwei Arrangements. Wir hatten die Kröte bereits geschluckt, und wären um ein Haar mit den Dänen von „Albatros“ und dem früheren Spitzenmann Henrik Jörgensen nach Berlin gefahren - bis sich die angestammten Interairler aus Pohlheim bei uns meldeten. Für 150 Euro pro Nummer waren wir als Nachrücker ins Feld von Berlin gerutscht. 2013 war unsere vierte Teilnahme nach 2006, 2007 und 2008, die Sehenswürdigkeiten kannten wir, und 2008 knackte ich mit Berliner Luft im Rücken zum ersten Mal die magische Grenze: 2:55:17 Stunden... Der Bär sollte allerdings weiter vorn steppen. Kenias Patrick Makau, der seinen vor zwei Jahren in Berlin aufgestellten Weltrekord (2:03:38 Std.) angreifen wollte, mußte zwar wegen einer Entzündung im Knie kurzfristig absagen. Aber mit dem zweitschnellsten Läufer der Geschichte, Wilson Kipsang (2:03:42 Std.), und den afrikanischen Landsmännern Eliud Kipchoge (2:05:30 Std.) sowie Geoffrey Kipsang (2:06:12 Std.) konnten weitere Hochkaräter in die Bresche springen! | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: DIE STRECKE ::. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Strecke ist seit 2008 gleich geblieben. Damals lag der Start westlich vom Brandenburger Tor in der Lunge der Millionenstadt, dem Großen Tiergarten. Auf flachen und ausladenden Asphaltchausseen führte die Route durch die Ortsteile Tiergarten und Moabit, dann durch Mitte und Friedrichshain nach Kreuzberg, weiter über Schöneberg und Friedenau bis nach Schmargendorf, und schließlich über Wilmersdorf und Charlottenburg wieder bis Mitte. Zurück in Tiergarten fand der Kampf nach dem Durchlauf unter der Victoria sein grandioses Finale. Neben den verschiedenen Gesichtern der Stadt wurden die Wahrzeichen Siegessäule, Reichstag, Fernsehturm, Kurfürstendamm, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Gendarmenmarkt, Dom und Unter den Linden gestreift, und nicht weniger als acht Brücken überquert. Anderthalb Millionen Schaulustige lassen sich von dem harmlos wirkenden Wettbewerb unterhalten, der den Läufern in Wirklichkeit alles abverlangt. Die Schleife durch Berlin ist aber nicht nur voller Stimmung, sondern mit nur 60 Höhenmetern auch äußerst schnell. In der Hauptstadt purzelten schon neunmal die Weltrekorde: 1977 - Christa Vahlensieck (Deutschland) 2:34:48 1998 - Ronaldo da Costa (Brasilien) 2:06:05 (erster Mensch über 20 km/h) 1999 - Tegla Loroupe (Kenia) 2:20:43 2001 - Naoko Takahashi (Japan) 2:19:46 2003 - Paul Tergat (Kenia) 2:04:55 (erster Mensch unter 2:05 Std.) 2007 - Haile Gebrselassie (Äthiopien) 2:04:26 2008 - Haile Gebrselassie (Äthiopien) 2:03:59 (erster Mensch unter 2:04 Std.) 2011 - Patrick Makau (Kenia) 2:03:38 und... 2013 - Wilson Kipsang (Kenia) 2:03:23 Interaktive Strecken-Skizze Morgenpost | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: DIE VORBEREITUNG ::. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mit Rekorden hatte ich schon abgeschlossen. Doch manchmal phantasiert man noch wahnsinnige Träume von den guten alten Zeiten, den Marathons mit einer „2“ vorm Doppelpunkt. Kampfinstinkt liegt einem so oder so im Blut. Peanut hingegen ist in Sachen Berlin ein gebranntes Kind. Bei allen bisherigen Starts scheiterte sie deutlich an ihrer Traumgrenze „3:59“. Da war was auszumerzen. Außerdem mußten die gültigen Bestzeiten für eventuelle weitere Meldungen erneuert werden. Ende des Jahres drohte das Nichts! World-Major-Geschichte sollte sich wiederholen... Leider mußten wir uns gleich zu Beginn mit hartnäckigen Reizuständen in den Fersen (Sehnenansatz) rumschlagen. Bei mir hatten sie vor zwei Monaten (Mitte April) angefangen, bei Peanut nach der ersten von 16 Vorbereitungswochen auf Berlin (Mitte Juni). Schwerer wog allerdings, daß alle Leidenschaft fürs Laufen verloren war. Man war sich fremd geworden, wir lebten in der Wetterau, wo die Uhren langsamer ticken. Aus dem Frühling kehrte ich mit der schwächsten Verfassung aller Zeiten zurück. Nie war ich so am Boden wie zu Beginn der Vorbereitung. Ich hatte 82 Kilo auf den Rippen: 13 zuviel! In 16 Wochen wollten wir die Form aufbauen. Die erste Woche kam ich mir vor wie eine Schnecke, ab der zweiten fehlte jeder Anreiz, jeder Kilometer wurde zur Qual. Im Folgenden Berichte von unseren AUFBAUKÄMPFEN: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
9. SONNENWENDLAUF UM DEN ALTEN FLUGPLATZ FRANKFURT-BONAMES, 26.6.13 (10-Kilometer-Lauf) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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16. MARBURGER NACHTMARATHON, 5.7.13 (Halbmarathon) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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37. HAUSENER VOLKS-WALDLAUF, 28.7.13 (Halbmarathon) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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24. KARBENER STADTLAUF, 11.8.13 (Halbmarathon) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der AUFBAU-MARATHON (Klick aufs Emblem öffnet separaten Bericht) 35. KOBERSTÄDTER WALD-MARATHON, 25.8.13 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
6. QUELLENHALBMARATHON BAD VILBEL, 15.9.13 (10-Kilometer-Lauf) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Unsere KILOMETER vom 10. Juni bis 29. September 2013: 01. Wo. (Training): Vitus 100 km / Peanut 44 km 02. Wo. (Training): Vitus 124 km / Peanut 95 km 03. Wo. (10-km-Lauf): V.: 44:20, Training: 127 km / P.: 54:34, T.: 65 km 04. Wo. (Halbmarathon): V.: 1:32:27, Training: 78 km / P.: 1:59:51, T.: 54 km 05. Wo. (Training): Vitus 133 km / Peanut 73 km 06. Wo. (Training): Vitus 124 km / Peanut 66 km 07. Wo. (Halbmarathon): V.: 1:30:40, Training: 105 km / P.: 2:03:39, T.: 43 km 08. Wo. (Training): Vitus 132 km / Peanut 82 km 09. Wo. (Halbmarathon): V.: 1:26:44, Training: 102 km / P.: 1:55:09, T.: 52 km 10. Wo. (Training): Vitus 120 km / Peanut 46 km 11. Wo. (KOBERSTADT-Marathon): V.: 3:17:05, T.: 94 km / P.: 4:21:33, T.: 73 km 12. Wo. (Wiederherstellung u. Training): Vitus 110 km / Peanut 65 km 13. Wo. (Training): Vitus 142 km / Peanut 64 km 14. Wo. (10-km-Lauf): V.: 40:24, Training: 123 km / P.: 53:34, T.: 78 km 15. Wo. (Direkte Wettkampfvorbereitung): Vitus 112 km / Peanut 57 km 16. Wo. (BERLIN-Marathon): V.: 3:14:50, Training: 88 km / P.: 4:14:51, T.: 64 km Gesamt: Vitus 1814 km / Peanut 1021 km | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: DAS RENNEN ::. 40. BMW BERLIN-MARATHON, 29. September 2013 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Donnerstag, 26. September Aus guten Gründen sehr früh sind wir nach Berlin gefahren: Ein Dammbruch aufgrund des Elbehochwasser in Magdeburg-Anhalt hatte die Eisenbahnstrecke Hannover-Berlin unterbrochen, und die Bahn zu abenteuerlichen Umwegen übers Land gezwungen. Seit Mitte Juni führte nur eine schmale Brücke im Bördeland nach Osten. Nach etlichen Aufenthalten und sechs Stunden auf Rädern, waren wir am Nachmittag vor unserem Quartier in Berlin angekommen. Wir wohnten im siebenten Stock in der Kronenstraße direkt über der U-Bahn-Halte Stadtmitte, zu DDR-Zeiten auch „Mäusetunnel“ genannt. Und zwar Wand an Wand mit den Lasoggas. Wer bei dem Namen an den Profifußballer von Hertha BSC denkt, liegt richtig. Aber viel wichtiger noch: Das Studio befand sich nur wenige Gehminuten vom Checkpoint Charlie und dem Brandenburger Tor entfernt. Das hieß: ein ruhiger Weg zum Start. Mit der Anreise am Donnerstag hatten wir fünf volle Tage in der Hauptstadt. Freitag, 27. September Heute stand die Abholung der Startunterlagen an. Die Ausgabe war im Gelände des 2008 geschlossenen Flughafens Tempelhof. Erstmals konnten die Startnummern nur persönlich abgeholt werden. Denn nach dem Anschlag in Boston wurden auch in Berlin die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Neben der Anmeldebestätigung mußten ein Ausweis und der registrierte Transponder vorgelegt werden. Im Gegenzug gab es einen Umschlag mit der Nummer sowie ein blaues Armband, welches bis nach Zielschluß getragen werden mußte. Waffen jeder Art, Sprühdosen, Glas, sperrige Gegenstände, Pyrotechnik, Fahnen, Papierrollen, mechanische Lärminstrumente und Laser-Pointer waren auf dem Marathongelände verboten. Mit Öffnung der „Berlin Vital“ herrschte in Tempelhof ein Gewimmel wie in einem Bienenstock. Lange Schlangen, Pflichtbesuche und Verzettelung an den Ständen von Oberelbe-Marathon und Interair, das gewohnte Bombardement mit Informationen und Verlockungen, dazu die Wege in dem kilometerlangen - für Olympia 1936 eingeweihten - Kolossalbau kosteten zu viel Energie. Dazu bot Deutschlands größte Sportmesse außer Leitungswasser keine Erfrischung an! Als wir nach fünf Stunden in unser Quartier zurückkehrten, waren wir aufgerieben bis auf die Knochen. Nach einem Lauf ins Abendrot lag alle Zuversicht am Boden... Sonnabend, 28. September Sammeln und Erholen war heute das oberste Gebot. Nach einem Regenerationslauf zum Brandenburger Tor und durch das seitliche Steinlabyrinth haben wir den Tag konsequent horizontal verbracht. Von unserer Terrasse konnten wir auf die Rennstrecke mit dem Streckenkilometer 39,5 (Leipziger Straße) blicken. Zum Auftkat des Marathonwochenendes fand der Wettkampf der Kufenroller statt. Dieser wurde von einem Todesfall überschattet. Ein 71jähriger war nach 15 Kilometern in Kreuzberg zusammengesunken und gestorben. Es konnte nur besser werden. Morgen kam UNSER TAG! Die Nacht war kurz aber ohne Störung. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Flughafen Tempelhof (© Vitus) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sonntag, 29. September Der BERLIN-MARATHON ist auch in Sachen Wetter immer eine Wundertüte. Nach Hitze und Regen gab es diesmal ein Wetterchen wie gemalt. Die Sonne lachte, aber im Schatten war´s eisig kalt. Mein Frühstück bestand aus vier Pullen Kosmonautenkost, Geschmacksrichtung Aprikose-Pfirsisch. Dazu hatte ich eine Salz- und Mineralstoffkapsel geschluckt und mit einem Liter isotonischen und einem halben Liter elektolytrischen Sportgetränk runtergespült. Der Leib verarbeitete das Ganze zu einer Art Kräuterlikör (zumindest rochen die Bäuerchen danach). Peanut frühstückte Weißbrot „Ofenfritz“ mit Honig „Hauptstadtlinde“. Um 7 haben wir uns zu Fuß zum Brandenburger Tor aufgemacht, halb 8 waren wir drüben im Westen an den Zugängen zur Wettkampfzone, 8.15 Uhr hatten wir uns neben der Reichstagswiese die Rennkluft übergestreift (dort bin ich auch meinen Durchfall losgeworden), und Punkt 8.40 Uhr (fünf Minuten vor der Angst) standen wir in den Blöcken. Im selben Augenblick frug ein Sprecher Haile Gebrselassie, warum er diesjahr nicht in Berlin starte. Der satte und überalterte Dominator von 2006 bis 2009 antwortete, daß er seine „Schuhe vergessen“ habe. Kilometer 0 bis 10: Tiergarten, Moabit und Mitte Punkt 8.45 Uhr feuerte Haile die Pistole zu Europas bedeutendstem Marathonlauf ab. START! In einem gigantischen Tamtam aus aufsteigenden Ballons, hinausposaunten Wünschen und ewiglichen Melodien liefen 37 256 Menschen los. Der Start erfolgte in drei Blöcken. Während ich im C-Block anlief, mußte Peanut im G-Block zehn Minuten bis zum zweiten Startsignal abwarten. Weitere zehn Minuten brauchte sie für den Weg bis zur Zeitmaschine. Wir waren beide viel zu weit hinten positioniert. Die roten Ballone unserer Tempomacher für 2:59 und 3:59 Stunden schwebten schon in der Aufstellung in schier unerreichbarer Entfernung, und waren nach dem Schuß kaum noch zu sehen. Das blieb auch so. Selbst Berlins sechsspurige Ost-West-Achse war derart überflutet, daß der Weg durch den Tiergarten bis zur Siegessäule einem Slalom glich. Ich konnte keinen Kilometer unter 4:00 Minuten laufen. Die nächsten Kilometer beruhigten die Lage nicht gerade. Mit Haken und Ösen ging es voran, einige enge Stellen in Moabit zwangen mich fast zum Gehen. Nach dem verschleppten Start hatte ich an der 5-Kilometer-Kontrolle zwei Minuten Rückstand auf den Berlin-Marathon 2008. Der zog sich wie ein roter Faden bis zum Halbmarathon. Die Reiseleitung von „Interair“, der wir unseren Start zu danken hatten, schoß im Spreebogen Bilder von ihrer Gruppe. Eine schöne Unterstützung. Aber selbst das Gefälle hinab zum Friedrichstadt-Palast verlief für mich heute wie in Zeitlupe. Ausgangs der kerzengeraden Torstraße war die 10-Kilometer-Marke erreicht. Kilometer 11 bis 20: Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln Ja, es lief schon mal besser. Aber noch war nichts verloren. Oft ist man erst ab dem zweiten Viertel richtig drin in einen Marathon. Die von aufgemotzten Plattenbauten gesäumte Mollstraße führte tiefer in den Osten hinein. Vorbei am sich 365 Meter hohen „Telespargel“ war der Marathon nun mitten in Berlin. Ein langes Leiden aus Dänemark gab mir Windschatten. Aber das Danish Dynamite war rasch verbraucht. Und dann war ich wieder ohne Bezugspunkt. Mit drei Kilometern im Schnitt von 4:19 Min. war nach 13 Kilometern erstmals richtig Not am Mann. 4:14 Min. waren maximal erlaubt - und dabei fühlten sich meine Beine schon jetzt dick und schlecht an. Und noch immer drückte der Jägermeister des Morgens auf die Organkraft. Mit dem Südufer der Spree betrat die Strecke das autonome Kruzberg, passierte den ehemaligen Grenzübergang Heinrich-Heinrich-Straße, und führte über den Landwehrkanal ins bunt vermischte Neukölln. Der Volkspark Hasenheide ist einer der beschaulichsten Abschnitte in Berlin. Aber für das Geschehen am Rand hatte ich heute weder Ohr noch Auge. Denn ich war in einer eigenen Welt, tief im Tunnel, in bitterer Enttäuschung und Dunkelheit! Berlin 2013 hatte nichts mit damals zu tun. Null! Kilometer 21 bis 30: Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf Wider Erwarten war meine Zeit unterm Halbmarathon-Banner mit 1:29 Stunde immer noch auf Kurs. Aber immer mehr machten sich nun Erschöpfung und Anfälle von Energielosigkeit bemerkbar. Ob das an den Legionellen lag, die man im Leitungswasser von Mitte fand? Nach dem Kilometer 24 in 4:30 Min. und dem Kilometer 25 in 4:49 Min. ging auch im Kopf nichts mehr. Am Innsbrucker Platz in Schöneberg streckte ich die Waffen und zog in Schleichfahrt auf der dreitausendsten Stelle weiter in Richtung Wilder Eber. Wie immer liefen die Marathonis dort in den reinsten Hexenkessel. Für mich war der kleine Platz in Schmargendorf heute frei von Emotionen. Jene bordeten unterdessen 14 Kilometer weiter vorne, im Tiergarten über... Der Mann mit der Nummer 2, der frühere Handlungsreisende und späte Senkrechtstarter Wilson Kipsang Kiprotich, entschied den prognostizierten Dreikampf für sich und stellte mit 2:03:23 Stunden einen neuen MARATHON-WELTREKORD auf. Zwei Jahre zuvor fehlten dem Kenianer in Frankfurt nur vier Sekunden zur Bestmarke. Damals versprach Kipsang, daß er an den Main zurückkehren werde. Dazu kam es aber nicht: 2012 rief Olympia nach London, 2013 die Pinkepinke von Berlin. Dummerweise wurde ihm der Ruhm in Spree-Athen getrübt: Fünfzig Meter vorm Ziel hatte ein Flitzer mit F-Nummer den Zaun überwunden, Reklame für seine Pornoseite gemacht, und das Zielband jubelnd vor dem neuen Weltrekordmann zerrissen. Auf dem zweiten bis fünften Platz folgten noch vier Kenianer, Sechster wurde der ehemalige Neu-York-Sieger Dos Santos aus Brasilien. Sachsens André Pollmächer wurde nach 2:13:05 Std. als 14. schnellster Deutscher. Kilometer 31 bis 40: Charlottenburg, Schöneberg und Mitte Voller innerer Zerwerfungen klatschte ich auf dem Hohenzollerndamm fremde Hände ab. Wenig später - in Wilmersdorf und Charlottenburg - waren Vertraute von uns auf den Bordsteinen unterwegs: Auf der Höhe vom 33. Kilometer entdeckte ich Herbert Steffny, der meinen Gruß mit einem „Hi!“ beantwortete. Und nicht viel weiter standen die aus Osthessen angereisten Eltern von Peanut in der Menge. Rudi und Erika waren ihrer Tochter mit der U-Bahn vom Hermannplatz (Kilometer 17) zum Ku´damm (Kilometer 35) gefolgt - wo der Endkampf beginnt, und einen Zehntausende anstacheln. Das Zentrum von West-Berlin, wo ich 2008 einen Sturmlauf zu meinem ersten Marathon unter drei Stunden startete. Heute lief ich dort mit Tränen in den Augen. Im weiten Bogen von der Potsdamer Straße über den Potsdamer Platz in die Leipziger Straße, wo Feindfliger vor siebzig Jahren alles zertrümmerten und Jahrezehnte lang Wildnis war, durchlebte ich die Hölle. Auf der „Potse“ ist immer Wind. Heute wehte die Berliner Luft aber nicht im Rücken, sondern auf die Brust. Und das nicht zu knapp. 2007 hatte er Gebrselassie den Weltrekord verblasen. „The last 5k hurt“, gestand der Äthiopier damals. Und genau so fühlten sich die letzten fünf Kilometer an. Auch auf der Leipziger Straße gab´s von der Seitenlinie die Peitsche. Auch das war mal anders. Denn während ich vor fünf Jahren nach 2:55 Stunden ins Ziel lief, waren heute noch fast vier Kilometer unter den Augen der Menge zurückzulegen. Ich hätte auch rausgehen können, unsere Wohnung lag nur ein Karree entfernt... Kilometer 41 bis 42,195: Mitte und Tiergarten Wegen Großbaustellen wurde der Boulevard Unter den Linden fast über die volle Länge ausgespart. Nach dem Gendarmenmakt führte ein Abstecher vorbei an den Ministergebäuden und mündete über die Glinkastraße erst ziemlich am Ende auf die berühmte Flaniermeile der Stadt. Damit rückte auch das Brandenburger Tor sehr spät in den Blick. Ihr seid alle Helden!, vermittelte der Torbogen der „Morgenpost“ kurz vor der Quadriga. Nein, nicht jeder war heute ein Held! Vorbei am „Adlon“, mitten durch die Grenze von Ost und West, und dann war´s überstanden: Zehn Sekunden vor High Noon (zwölf Uhr mittags) ging ich über die rotbraune Matte ins ZIEL. Mit der von einer „3“ angeführten Endzeit war für mich nicht nur der Nimbus von Berlin versaut. Nein, das Monument Berlin war lächerliche drei Minuten schneller als der Wald-Marathon in der Koberstadt. Damit ging die Tauchfahrt nach langer Verletzung weiter - mit Luft nach unten..... | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Kampf in einer BILDERTAFEL... anklicken............ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Im Ziel stolperte ich über Frau Parsiegla, die mit 2:58 Stunden Zweite ihrer Altersklasse wurde. Peanut beendete ihre 42,195 Kilometer genau eine Stunde nach mir. Ihr Rennen war fast ein Abbild von meinem. Auch meinem Mädel hatte heute die Frische und der Mumm gefehlt. Obwohl wir in den letzten beiden Wochen mit Gebrechen zu kämpfen hatten - Peanut mit Schwindelanfällen, ich mit Verschleiß im linken Knie und chronisch entzündeten Fersen - hatte alles bis zum Ziel durchgehalten. Allein das glich einem Wunder. Mit 4:14 Stunden war Berlin auch für P. kaum schneller als die Koberstadt. Damit war ihr im vierten Anlauf in Berlin erneut keine Zeit unter vier Stunden vergönnt. Immerhin wurden uns auf historisch getrimmte Medaillen mit der Siegessäule und der darüber schwebenden „Gold-Else“ umgehängt. Hinterm Reichstag wurden auf Wunsch Name und Zeit in die Metal-Plättchen eingeritzt. Der Trubel war so groß, daß wir nach der Gravur in Windeseile vom Veranstaltungsgelände flohen. Nach einem Fußmarsch vorbei an versprengten Läufern in der Glinkastraße waren wir um drei Uhr nachmittags daheim. In den 16-Uhr-Nachrichten meldete Hit-Radio „104.6RTL“, daß der letzte Läufer das Ziel erreichte habe und nun saubergemacht wird. 17 Uhr folgte die „gute Nachricht“, daß der „Marathon vorbei und die Innenstadt wieder weitgehend befahrbar“ sei. FAZIT Nichts hat in Berlin Bestand. Auch in diesem Jahr verlangten Baustellen einige Änderungen an der Strecke. Dank des Frankfurt-Verräters Kipsang besitzt Berlin weiterhin die schnellste der Welt. Wenig Nettigkeiten kamen von der Organisation. Neben allerlei Maßregelungen von der Nummernausgabe bis zum Zieleinlauf herrschten in Berlin 2013 völlig übertriebene Sicherheitsmaßnahmen (die im Ernstfall versagen). Dazu geizten die Macher zum Jubiläum - trotz des millionenschweren Autobauers aus München dahinter - wie nie zuvor. Neben einem inhaltsleeren Starterbeutel gab´s im Ziel einen ebenso inhaltsleeren Verpflegungsbeutel. Die unterbesetzte und heillos überforderte Helferabteilung tat das Ihre. Und schlimmer noch: Wegen falscher Berechnung und Betrügern im Ziel fehlten 1399 Medaillen. Die letzten 700 Läufer mußten ohne Metall heimgehen. Wirkung: Berlin ist zu einer Maschinerie verkommen. Wie bei den anderen Major-Rennen waren Messe, Marathon und Party schablonenhaft und seelenlos arrangiert. Für den Ersten regnete es Scheine (120 000 Euro), für den Rest (55 746 Teilnehmer) Wasser, Äpfel, Bananen, Salzstangen und ein neongrünes Finisher-Hemd. Vier Monate hatten wir dem Marathon geopfert. In den letzten acht Wochen hatte ich jegliche Freude verschmäht, wie ein Mönch gelebt geradezu. Nicht gerade wenig Geld hatten wir in das Unternehmen gesteckt, von der Zeit und Energie gar nicht zu reden. Und dann war Berlin in drei, vier Stunden ohne tiefere Erinnerung überrannt... Für die am Material Interessierten: Frau trug völlig zerlaufene Asics Gel-3010, Mann nagelneue Mizuno Wave Elixir 8. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
ABSCHLUßFEIER & KULTUR Der Abend war nur ohne Läufer und mit viel Alkohol auszuhalten. Die ab 20 Uhr steigende Marathon-Party mit Film und Trank im Ostberliner KOSMOS ging damit ohne uns über die Bühne. Stattdessen zog es uns zu Buletten, Haxe und Bier vom Faß weitab vom Schuß in die Kneipe „Maximilian´s“ auf der Straßenseite gegenüber. Aber auch dort war´s rammelvoll mit Marathonis aus Deutschland, Frankreich und Japan. Während wir als Not und Elend auf hohen Barhockern thronen durften, betranken sich drei Mexikaner und ein Indianer draußen im Lichthof. Damit nicht genug, offenbarte sich die Servierkraft als Sächsin aus der Sächsischen Schweiz. Eine Landsfrau...... Montag und Dienstag, 30. September und 1. Oktober Die erste Hälfte des Montags haben wir in Mitte verbracht. Vom zentralen Ortsteil sind nur ein paar Häuser - darunter außer der neuen Reichskanzlei die unzerstörbaren Ministergebäude - übrig geblieben. Der Rest wurde enttrümmert oder mußte verschwinden. Wir haben der Staatsgrenze der DDR gedacht, am Alliiertenübergang Checkpoint Charlie den amerikanischen Sektor betreten, waren im Mauermuseum, haben den amerikanischen Sektor wieder verlassen, und sind in der Zimmerstraße einen Teil des 155 Kilometer langen Rings um Berlin abgelaufen. Der Abend spielte sich im Szenekiez Friedrichshain ab. Wir haben dort zwei Krachkapellen im Klub „Cassiopeia“ beehrt. Der Bericht ist hier zu finden: ...... Black Tusk, Fight Amp Es gäbe noch so viel in Berlin zu entdecken, im Grunde wird man dort auf Schritt und Tritt mit Symbolen und Orten voller Geschichte konfrontiert. Aber am Dienstag mußten wir auch aufbrechen. Ruhmlos! Nach 2013 standen die Zeichen auf Abschied für immer, zumindest vom Berlin-Marathon! Danke für die Unterstützung Marathona Peanut Uli, Keith, Till, Haimanot und die restliche Horde von Spiridon Frankfurt Dirk und LT Florstadt Interair die Anfeuerer Rudi und Erika Kampfläufer Vitus, 7. Oktober 2013 (64. Nationalfeiertag der DDR) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wetter: sonnig, 8 bis 14ºC, leichter Ostwind Zuschauer: ca. 1 000 000 Gesamtsumme Gemeldet: 47 625 (Läufer: 41 120, Kufenroller: 6298, Handradfaher: 178, Rollis: 29); sowie Mini-Marathon: 8132, Bambini: 1061, Roller-Kinder: 111, Frühstückslauf: ca. 10 000 Marathonläufer Gemeldet: 41 120 (M: 30 584 / W: 10 536 / 119 Nationen) Am Start: 37 256 (M: 28 070 / W: 9186) Im Ziel: 36 527 (M: 27 547 / W: 8980) Männer 1. Wilson Kipsang (Kenia) 2:03:23 (WR) 2. Eliud Kipchoge (Kenia) 2:04:05 3. Geoffrey Kipsang (Kenia) 2:06:26 4. Stephen Kwelio Chemlany (Kenia) 2:07:44 5. Maswai Kiptanui (Kenia) 2:08:52 6. Marilson dos Santos (Brasilien) 2:09:24 Frauen 1. Florence Kiplagat (Kenia) 2:21:13 2. Sharon Cherop (Kenia) 2:22:28 3. Irina Mikitenko (Deutschland) 2:24:58 4. Helah Kiprop (Kenia) 2:28:02 5. Desiree Davila (USA) 2:29:15 6. Vianey de la Rosa (Mexiko) 2:32:35 Kampfläufer Vitus (Spiridon Frankfurt) Startnummer: 36494 Nation: Deutschland Zeit: 3:14:50 Platz: 3378 von 27 547 bei den Männern Platz: 3534 von 36 527 Gesamt Platz: 274 von 3821 in Klasse M50 Zwischenzeiten 05 km: 0:21:13 10 km: 0:42:28 15 km: 1:03:43 20 km: 1:25:11 25 km: 1:47:21 30 km: 2:11:53 35 km: 2:37:15 40 km: 3:03:22 Halb-1: 1:29:55 Halb-2: 1:44:55 Peanut (Spiridon Frankfurt) Startnummer: F11873 Nation: Deutschland Zeit: 4:14:51 Platz: 3771 von 8980 bei den Frauen Platz: 22 973 von 36 527 Gesamt Platz: 440 von 1219 in Klasse W50 Zwischenzeiten 05 km: 0:28:30 10 km: 0:57:13 15 km: 1:26:15 20 km: 1:55:07 25 km: 2:24:50 30 km: 2:56:05 35 km: 3:28:33 40 km: 4:01:00 Halb-1: 2:01:28 Halb-2: 2:13:23 Materialschlacht 1 000 000 Trinkbecher 272 000 Sicherheitsnadeln 240 000 Liter Wasser 145 000 Bananen 80 000 Kekse 45 000 Äpfel 40 000 Schwämme 10 000 Trinkjoghurts 2780 Kilo Medaillen 250 Liter Massageöl Menschen 5900 Helfer 760 Mediziner Preisgeld 1. Platz: 40 000 Euro 1. Platz unter 2:04:30 (M): 70 000 Euro 1. Platz unter 2:20:00 (W): 70 000 Euro Prämie für Weltrekord: 50 000 Euro Ergebnisse Championchip | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||