BOTANICA, ZORRO, ANSWER:42
D-Frankfurt am Main, The Cave - 18. November 2002
Liederabend Nummer eins nach dem Frankfurt-Marathon. Drei Wochen nach dem Kampf schlug ich mich heute mit dem schon traditionellen Post-Marathon-Bazillus herum. Ich fühlte mich hundeelend, vergrippt und vefiebert. Einziger Grund unseres Cave-Besuchs: Booker Tamo hatte CDs und Eintrittskarten verlost. In diesem Falle hatte die Glücksfee Fortuna „Atarant + 1“ zugezwinkert: Peanut und ich waren auf der Gästeliste vermerkt. Wir wußten nicht, was uns erwartet. Doch wenn der „Käfig“ ruft, kann man nicht viel falsch machen. Halb zehn wurden wir im Keller in der Frankfurter Innenstadt vorstellig.
Die Ersten hatten schon losgelegt. ANSWER:42 hieß das Vorprogramm im spärlichen Rahmen von dreißig Hominiden. Spärlich der Zuspruch und lahm die Stimmung. A:42 sind Stadtkollegen der Rodgau Monotones. Und das war es auch schon an Gemeinsamkeiten. Denn die vier aus dem Rodgau servierten keine massentauglichen Hessenhymnen vom Schlage „Die Hesse komme!“. Nein, nein: Die 42er holzten sich knackig, galaktisch und untergrundig durchs Gehege. Es gab alternativen Rock mit eingängigen Melodien, einer Prise Punk und viel Raum für Fantasie. Zum Beispiel, warum die Antwort auf alle Fragen immer „42“ lautet - „The answer is: 42“. - Am Rande verriet mir Tamo, daß der Besitzer im Cave wechselt. Herr Echt möchte sich künftig ganz auf seine neu belebte Gruppe Mad Passenger stürzen. Ab Januar 2003 wird ein gewisser Daniel Absolon den Klub leiten.
Als Nächste stiegen ZORRO in den Ring. Nicht die Rächer der Enterbten, sondern die Garagenrocker Gisin, Redolfi und Hediger aus dem schönen Schweizerland. Die Nachfolger von Lunazone hatten ein Minialbum mit Namen '1st Race' mitgebracht. Nicht als Edelmänner mit schwarzen Masken waren Zorro gekommen. Nein, sie steckten in Motörhead- und Rockerleibchen und rappelten entsprechend laut, dreckig und kernig aus dem Kessel heraus. Und zwar im Dunst von Schweinerock, Stoner Rock und Punk. Sprich: Es gab eine geballte Ladung Gitarren. Die Eidgenossen rissen sich mit viel Elan den Arsch auf. Fronter Markus riffte was die Saiten hergaben, tat alles, um die Erschienenen ein wenig anzustacheln. Doch weder astreine Riffgewitter noch lokalpatriotische Einlassungen wie: „Habt ihr gewußt, daß Jörg Berger nicht nur Trainer bei der Eintracht war, sondern auch in Basel?“ konnten Frankfurt aus der Reserve locken. Zorro zockten unverdrossen fort. Sie lieferten eine solid krachende Schau und zogen im Finale den Joker: einen von der renommierten Riffrock-Firma Cargo vertriebenen, waschechten, dröhnenden Fuzzrocker.
Für ihre „Terrorism“-Tour hatten BOTANICA großes Brimborium aus New York mitgebracht. Und gut Ding, sprich der Umbau, wollte eine Weile haben! Hatten die Vorgruppen fast wie Saubermänner gewirkt, gab es mit Sänger Wallfisch, Gitarrist Kaplan, Bassist Bongers und Trommler Flynn ab 23 Uhr 30 die schrillen Gestalten des Geschäfts. Bizarr wie die Optik, kam auch der Piano Noise Post Punk der Amis daher. Ein bißchen schwül, ein bißchen bluesig, mal zerbrechlich, mal hart, und stets sehr lässig und verrucht rockte sich das Kunstprodukt aus der Lower East Side Manhattans durch die Botanik. Botanica tönten wie eine Filmmusik zu „From Dusk till Dawn“ oder „Pulp Fiction“. Aushängeschild des nach den kleinen Esoterik-Läden benannten Vierers war dabei der orgelnde Paul Wallfisch mit seinem an Tom Waits erinnernden Genuschel. Leider verwehrte mir die Seuche einen erweiterten Effekt. Der Rest schlief. Wallfisch konnte es nicht fassen, und erkundigte sich mehrmals beim Publikum, ob er wirklich „in the heart of good old Germany“ sei. Keine Reaktion. Die Knilche von Botanica waren Genies auf ihre Art. Sie haben sich ins Zeug gelegt, Frankfurt schenkte ihnen aber wenig Beachtung. Eins der letzten Geschöpfe in Commerce City, das den Spirit des Rock noch im Herzen trägt, ist meine Flamme. Halb eins sind wir unter vielen „Fuck!“s abgegast.
 
Fortuna hat nach uns verlangt - wir sind gekommen. Es wurde ein Abend ohne Nachwirkungen. Die Stadt am Main hatte erneut bewiesen, daß sie Umzüge für Analritter auf- oder den 999. Büroturm hochziehen kann. Nur eins ist sie nicht: eine Rockcity!
 
 

Heiliger Vitus, 19. November 2002