CONAN, DOWNFALL OF GAIA, HARK, HIGH FIGHTER
D-Dresden, Club Puschkin - 12. März 2017
Das erste Konzert nach unserem Einzug ins neue Quartier in Dresden. Nach einem Jahr Suche und Papierkrieg waren Gräfin Peanut und ich angekommen in Pieschen, dem alten Viertel am Nordufer der Elbe. Nachdem wir uns im Ballhaus „Watzke“ mit Altpieschner Bier geerdet und die erste Nacht mangels Bett in einer kargen Pension verbracht hatten, waren wir seit fünf Tagen nur mit Putzen und Aufbauen beschäftigt. Das zerrt an den Nerven. Genau so lange war auch der Feldzug von Conan unterwegs. Heute kam es zum Aufeinandertreffen im Club Puschkin, ebenfalls nur einen Katzensprung von unsrem Doomizil entfernt die Elbe hinauf. Mit seiner Vergangenheit als eins der Gebäude des Alten Schlachthofs erinnerte das „Puschkin“ sehr an die abgerissene „Räucherkammer“ vom Schlachter in Wiesbaden. Im Unterschied zum durchkommerzialisierten Pendant im Westen fühlte sich der Klub in der Leipziger 12 jedoch wie aus der Zeit gefallen an. Ein Lehmpfad schlängelte sich über eine Brache zu einem rostbraunen Gemäuer mit den Lettern PUSCHKIN an der Fassade. Ein Gorilla von der Dynamo-Sicherheit - tief im Inneren mit der Seele der Sachsen - leuchtete in die Taschen der Gäste. In der Halle stieß man auf einsame Weite. Im langen Regal an der Bar wurde neben verschiedenen Schwarzbieren und Gerstensäften auch das 1979 eingestellte und neu belebte Vollbier nach DDR-Rezeptur gekühlt. Damals kamen die gedrungenen Flaschen mit dem grün-gelben Etikett im Holzkasten an den Mann. Tradition schlägt letztlich jeden Trend! Erstaunlich, daß sich bei dieser Konstellation niemand aus der Dresdner Musikerszene blicken ließ. Hundert Kunden waren vor Ort. Etliche davon dicht bis unters Dach (nicht nur durch „Briehe“!). Nach Auskunft der französischen Tourleiterin waren das fünfzig weniger als beim Auftakt in Wiesbaden und Weinheim. Ein komisches Gefühl für den Verfasser, sich nach drei Jahrzehnten in der Subkultur von Frankfurt am Main, wo man so viele Leute kennenlernte, gute wie Arschlöcher, sich als alter Kauz in der Heimat neu zurechtzufinden...
„Guten Abend Dresden! Wir sind HIGH FIGHTER aus Hamburg. Tag fünf auf der Tour mit den wunderbaren Conan. Danke fürs Kommen!“ Doch Dresden hielt drei Meter Abstand zum Vorspiel aus der Stadt siebenhundert Kilometer die Elbe hinab. Nichts gegen die Männer an den Apparillos, doch das wirr-neurotische Geschrei des platinblonden 3-mm-Schwanzes ging sofort auf die Nerven. Rauchig-pralle Ansagen im Stile von Doro machten die Chose - gnädig gesagt - nicht besser. Mona & Eskorte stocherten grenzüberschreitend zwischen Heavy Rock, Southern Rock, Sludge und Blues Pillen herum, und derweil die Schau so dahinplätscherte, deckten sich viele mit Klamotten oder Platten von Conan ein, gingen raus eine qualmen, feierten ihr Wiedersehen mit frischem Bier oder sehnten mit der Hand in der Hose das Ende herbei. Nach 28 zermürbenden Minuten, die sich wie 45 anfühlten, machten die Nordlichter die Bühne frei.
HARK aus Swansea verwirrten mich schon bei der Aufstellung. Statt drei standen vier auf der Bühne. Und die lieferten mit ihrem Neuwerk 'Machinations' auch eine Musik, die ganz anders klang als vor drei Jahren im Elfer Club in Frankfurt bei der Präsentation von 'Crystalline'. Neben dem plötzlich kahlrasierten Schlaks Isaac und Trommler Bonwick standen mit Harvatt und Shortt zwei Neulinge an einer zweiten Gitarre und dem Bass. Dabei mimte der Fronter entgegen seiner feinnervigen Ausstrahlung mit dem Fuß auf dem Speaker die Rampensau. Hetfield schien das große Idol. Was im Kontext absurd steif wirkte. Denn der Klang muß als kleine Katastrophe bezeichnet werden. Zwar tönten die Gitarren satt, waren aber etwas verrauscht, das Schlagzeug blechern, und besonders der Gesang viel zu spröde. Die Waliser hatten sich von einer Metal-Horde zur Sludge-Avantgarde, von Old School zur Moderne verwandelt. Es war gut gemeint, aber viel zu hastig vorgetragen, und hatte dabei deutliche Längen. Alles zusammen ergab eine Aneinanderreihung hipper Versatzstücke ohne Tiefe. Heute, als Quartett, waren Hark nicht wiederzuerkennen und einfach nur bitter enttäuschend. Ein schüchternes „Dankeschön!“ auf Deutsch bedeutete das Ende. Im Nachgang mußte Linkshänder Isaac statt Shirts von der eigenen Band Textilien von Conan verkaufen. Neben dieser Schmach bot er eigene Schwarz-Weiß-Zeichnungen im A4-Format zu 15 Euro an.
Mit ihrem Merchstand hatten DOWNFALL OF GAIA schon vor ihrem Auftritt Neugier geweckt - um dann vorm ersten Takt einen Minuspunkt einzufangen: Der in einem Griesgram-Shirt steckende Frontmann hatte die handgeschriebene Liste von Hark zusammengeknüllt und mit einem abschätzigen „bep!“ in die Ecke gewichst. Doch danach wurde alles gut. Der Schwarm aus Berlin, Hamburg und New York kam ungleich brachialer, ursprünglicher und packender daher. Um nicht zu sagen: Downfall of Gaia standen kurz vorm Überdrehen. Post Black Metal, Post-Metal und Sludge: Diese Genres waren vertreten. Und sie wurden in einer völlig entfesselten, unfaßbar intensiven Performanz kredenzt. Die Radikalität erinnerte an Gruppen wie Neurosis oder Black Shape of Nexus. Aber Dominik Goncalves dos Reis, Anton Lisovoj, Marco Mazzola und Michael Kadnar schlugen eine raserische Gangart im Stile von Wolves in the Throne Room an. Auch Downfall of Gaia hatten diese Wahnsinnsmomente, wo entrückte Gestik und Mimik, klaustrophobische Gewalt und heiseres Geröchel aus vielen Kehlen alles Bisherige der Musikwelt ästhetisch überhöhten. Nachdem das Erstlingswerk 'Suffocation In The Swarm Of Cranes' - bedingt durch den Job eines Mitglieds in einer Anstalt - noch von Ängsten handelte, stellt 'Atrophy' den Unsinn der menschlichen Existenz bloß. Vertont war dies in einem endzeitlich delirierenden Klangrausch mit melancholischem Unterbau. Dichter Nebel und weiß flackernde Scheinwerfer erzeugten zusätzlich irritierende Effekte und eine atemlose Spannung auf höchstem Niveau. Doch Downfall of Gaia mußte man auf sich einwirken lassen. Man mußte sich fallen lassen wie in eine andere Welt. Für mich war es Faszination auf den ersten Blick. Das Ende kam etwas seltsam - und fesselnd subtil wie die gesamte Darbietung zugleich. Als nach einer halben Stunde alle dachten, es sei vorbei, nahm die Apokalypse erst ihren Anfang. Downfall of Gaia waren gewaltig! Conan konnten sie nicht mehr übertrumpfen!
CONAN gaben sich heute erstaunlich nah an den Menschen. Sie trafen ein während die Ersten bereits spielten. Dabei wirkte der Frontmann in Turnschuhen und mit wirrem Haar einen Trolley durch die Meute ziehend besonders anrührend, wie ein Reisender geradezu. Auch auf dem Podium verblüfften die drei aus Liverpool heute nicht unter Nebel und Kapuzen subtil unkenntlich gemacht, sondern zeigten sich selbst wie Metalheads, wirkliche Typen, gute Typen. Jon Davis redete wenig, aber was er sagte, war herzig. Bedauerlicherweise wälzten sich die Klänge alles andere als grimmig, wölfisch oder gar barbarisch, sondern etwas hell und mit zu wenig Volumen in den Raum. Davis´ Lispelstimme fehlte die Tiefe genauso wie seinem Sechssaiter, von Fieldings dröhnendem Bass oder Lewis´ bumsenden Trommeln kaum eine Spur. Ob die Abspielliste cool, mutig oder auf Nummer sicher umschrieben werden sollte: daran schieden sich die Geister. Conan präsentierten viel neuen Stoff, der mit den Altigkeiten in Sachen Originalität nicht mithalten konnte - und der sich vom monolithischen Caveman Battle Doom aus 'Monnos'- oder 'Blood Eagle'-Zeiten weit entfernt hat. Auf dronige Transzendenz wartete der Doomjunkie heute vergeblich. Fast wirkten Conan wie eine Doublette der zuletzt erlebten Yob. Dementsprechend wurden auch „Battle in the Swanp“, „Foehammer“ und speziell „Gravity Chasm“' am stärksten umjubelt. Conan kamen spektakelfrei, abgeklärt, manche könnten auch denken: blank und abgenützt. Egal, am Ende standen achtzig Minuten heftigem Sludge Metals Made in Angelsachsen. Hail Conan! \m/
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 20. März 2017 (Tagundnachtgleiche)
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
HIGH FIGHTER
(19.30-19.58)
1. Black Waters
2. Two Steps Blueskill
3. Gods
4. Portrait Mind
5. Scars & Crosses
6. Down to the Sky
7. Darkest Days
 
HARK
(20.15-20.54)
1. Fortune Favours the Insane
2. Mythopeia
3. Scarlet Extremeties
4. Son of Pythagoras
5. Nine Fates
6. Sins on Sleeves
7. Speak in Tongues
8. Palendromeda
 
DOWNFALL OF GAIA
(21.15-21.53)
1. Woe
2. Carved Into Shadows
3. Ephemerol
4. Ephemerol II
5. Atrophy
6. Petrichor
 
CONAN
(22.18-23.37)
1. Throne of Fire
2. Thunderhoof
3. Battle in the Swamp
4. Revengeance
5. Gravity Chasm
6. Satsumo
7. Foehammer
8. Total Conquest
9. Earthenguard