PILLORIAN, VALBORG
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 5. April 2017
Nach einem halben Jahr kam es für Frau Peanut und mich zu einem unerwarteten Wiedersehen mit dem Frankfurter „Nachtleben“. Auslöser war ein Flugblatt, daß sich kurioserweise im Klub „Puschkin“ in Dresden, der neuen Heimat von uns verirrt hatte. Selbiges bewarb ein kleines Black- und Doom-Metal-Festival namens „Dark Troll Night“, auf der neben Dresdens Ad Cinerem und Saxorior auch Pillorian und Valborg auftreten sollten. Zwei Nächte zuvor gaben sich die Letztgenannten in Frankfurt die Ehre. Die Stadt am Main markierte den Beginn zum SCORN ACROSS EUROPE-Feldzug, der in 22 Stationen fast ohne Unterbrechung über 13 Länder des alten Erdteils rollte. In Deutschland begann und in Spanien endete er. Fünfzig Leute hatten sich im Klub in Frankfurts Innenstadt verirrt. Manche schienen Hopser der viertägigen Musikmesse zu sein - deren Festival wiederum mit dem Nachtleben kollaborierte (Einlaß mit Bändchen: 9 Euro, ohne: 19). Es sah nicht gerade nach „Metal“ aus, was sich da einfand. Überdies kratzte ein Muttertier mit Kind an der Stimmung. Und Frankfurt ging auch nicht mit. Dafür filzte der Einlaß - aus Furcht vor Terror? - erstmals in dem Vierteljahrhundert des Nachtlebens die Taschen. Unsere Kamera mußten wir abliefern, sie wurde im Büro eingelagert. Immerhin durften Bilder mit dem Funktelefon geschossen werden.
Nicht witzig, vielmehr als kryptische Elite mit hohem Anspruch und einem Schimmer Arroganz, präsentierte sich der Spähtrupp VALBORG. Eine Kategorisierung von Valborg fällt schwer. Das geben die drei aus Bonn selbst zu. Offiziell wurden Valborg der Abteilung Progressive Doom/Death Metal zugerechnet. Buckard, Kolf und Toyka bezeichnen es etwas größenwahnsinnig als German Metal Monster. Übertrieben war dies nicht - angesichts des Sturms aus finsterer Propaganda, ultraschweren Apparatschiks und vor Energie strotzender Körperlichkeit, der pünktlich um neun Uhr in den stickigen Keller unter der Konstablerwache hereinbrach. Valborg - komplett in edlem Schwarz - hämmerten ihren Stoff mit trockener, martialischer Radikalität in den Raum. Abgesehen von einem gnädigen Diener Buckards nach jedem Lied: ohne Mätzchen und frei von Ansagen. Nur am Ende stand die Erkenntnis „Wir spielen jetzt den letzten Song, dann gehen wir ins Bett. Fuck you!“ Dazwischen lag ein Stündlein mit 15 Liedern auf Deutsch, die zum Bersten eindringlich, oft zu zweit, und mit gefletschten Zähnen herausgeröchelt waren. Den Anfang machte der zähe Doomcoreler „Vampyr“. Weiter ging´s im Stile von Totenmonds „Tod ist Freude“ mit „Ich bin total“ und brachialen Mörsern im Geiste der Neuen Deutschen Härte und des Industrial der Neunziger. Bevor ein „Hail Satan“-Chor eine luziferische Version von „Ave Maria“ einleitete. Weitere Schlaglichter setzten der wuchtige Slowbanger „Ich fresse die alte Sommernacht“ (In Erinnerung an Diedrich Hünten, 1972-1991), und der von Kolf wie am Spieß herausgebellte Wahnsinn „Werwolf“. „Sakrale Vernichtung“ besiegelte eine bestens durchstrukturierte Darbietung mit super Akteuren. Die Zugaben „Blut am Eisen“ und „Exodus“ entfielen.
Mehr Haß und Dunkelheit als mit Agalloch wollte John Haughm mit seinem neuen Unternehmen PILLORIAN zelebrieren. Sich von einer Gruppe absetzen, in der zwei Menschen nicht mehr zu seinen Freunden zählten, und deren verfemte Wegbegleiter nun als Khôrada spiritueller Musik frönen. Mit ihrem Langeisen 'Obsidian Arc' erfanden Pillorian den Black Metal gewiß nicht neu. Aber Haughm, Parker, der Geist am Bass und Drummer Matthews zeigten Frankfurt überaus echt ihre Geschichten zum Metal, wie sie in der Abgeschiedenheit Oregons im pazifischen Nordwesten der USA sind. Wenngleich dem kleinen Haughm wie schon mit Agalloch die Aura abging, Nebel und Rotlicht die Optik verpanschten (red=hate), der Klang überladen, die Gitarren unscharf und das Schlagzeug schlecht ausgesteuert war, gewannen die Schau und die Figuren nach einer Viertelstunde an Kontur. Der Grundton hatte ein bißchen was von alten Burzum. Trossen im mittleren Tempo krachten auf heiser herausgekeifte Grimmigkeit. Doch wir erfuhren nichts von Haughms Vergangenheit mit Agalloch, in der es ziemlich gekracht haben muß. Dafür gab Parker als zweiter Vokalist und gleichgesinnter, unentwegt headbangender Sechssaiter neue Impulse. Und wo können in einer Gruppe gleich drei Langhaarige erlebt werden? Final wurde es noch halluzinierend schnell durch „The Vestige of Thorns“. Den Höhepunkt der Nacht setzte unterdes ganz am Ende der von einem Killerriff dominierte Zehnminüter „Dark is the River of Man“, eine hochgradig emotionale Parabel, überhaupt nicht amerikanisch verkitscht, sondern isoliert und herzig zugleich. Zum Heulen schön!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
VALBORG
(21.02-21.59)
1. Vampyr
2. Ich bin total
3. Plasmabrand
4. Battlefield of Souls
5. Eerie and Old
6. Stossfront
7. Orbitalwaffe
8. Ave Maria
9. Astral Kingdom
10. Ich fresse die alte Sommernacht
11. Whammygarden
12. Werwolf
13. Sakrale Vernichtung
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14. Blut am Eisen
15. Exodus
 
PILLORIAN
(22.25-23.15)
Ardor of Scorn Intro
1. By the Light of a Black Sun
2. Archaen Divinity
3. Forged Iron Crucible
4. A Stygian Pyre
5. The Vestige of Thorns
6. Dark Is the River of Man
So moralinsauer wie der Anfang geriet leider auch das Ende. Außer den beiden Frontmännern - Buckard zeigte sich kurz am Händlerstand und empfahl mir als Valborgs „doomigstes“ Album (mit Hang zu Totenmond) 'Nekrodepression'; Haughm posierte mit einem Fan für ein Foto - verschwanden alle Akteure direkt nach der Schau in einem nachtschwarzen Doppeldecker vorm Klub. Damit war das Größte am heutigen Tag der Sieg von Dynamo über Heidenheim. So blieb die Sportgemeinschaft im Aufstiegskampf nach ganz oben ins Licht.
 
 

Heiliger Vitus, 6. April 2017