DOOM SHALL RISE V
 
THE GATES OF SLUMBER, MIRROR OF DECEPTION, OFFICIUM TRISTE, DREAMING, FAITH, OUR SURVIVAL DEPENDS ON US, STEREOCHRIST, SERPENTCULT, CENTURIONS GHOST, THE LAST SUPPER
D-Göppingen, Chapel - 28. April 2007
Sonnabend, 28. April (2. Tag)
 
Schlafen bis die Sonne hoch am Himmel steht? Erotische Beglückung? Sex forever? Oder Austreten, Leergut wegbringen und neuen Stoff besorgen? Was tun, wenn man in der Walachei von Göppingen-Holzheim festgenagelt ist und der Doom erst nachmittags um drei in die nächste Runde geht? Irgendwie will die Zeit bei mehrtägigen Ereignissen ja versüßt sein... Die als Zuschauer angerückten Österreicher Vortigan hatten sich bis um acht in der Früh zusammen mit Irlands Mael Mórdha an der Hotelbar die Kante gegeben. Und durch die Blutbahnen unserer Kameraden aus Mitteldeutschland strömten am frühen Nachmittag schon (wieder) je acht Weizen und drei Ouzos, als ich mit Peanut die Treppe hinab zur Schenke stieg. Diesmal wollten wir pünktlich in der Chapel sein, um in aller Ruhe die Stände zu durchstöbern. Ein mit uns im Stern untergebrachter Spezl und FC-Bayern-Fan aus Nürnberg [sic!] fuhr uns hin - zur wie stets zu Beginn des zweiten Tags leeren Chapel of Doom......
Lässig und entspannt im Grunge-Gewand ging das Doom Shall Rise in die Fortsetzung. Ein Rudel aus dem Saarland machte bei wiederum frühsommerlichem Wetter den Anfang. THE LAST SUPPER ließen um drei Stoner Doom durch die Lüfte wehen. Aber nicht den vom Silberling mit dem dornenbekranzten Schädel auf schwarzem Grund. Vergiß ihn! Wenngleich etwas phlegmatisch, so kamen die Südwestdeutschen in echt auch ein gerüttet Maß kräftiger rüber. Intergalaktische Kifferklänge, verzerrte Doperocker und psychedelisch zerdehnte Endloswalzen mit schroffen Vokalen und exotischen Orgelgirlanden packten die Doomgilde und sog sie in die unendlichen Weiten des Unviversums. Es war keine Revolution, was die langhaarigen Stefan, Ian Supper, Christian, Joe Supper und Blumi da abzogen. Aber es hat die Kapelle verdammt ruckeln lassen!
Möglich, daß es an meiner jüngst erlangten geistigen Verbundenheit zum „Big Smoke“ lag - sechs Tage zuvor war London-Marathon -: Ich fand die Heavydoomer CENTURIONS GHOST heute wesentlich packender als vor einem halben Jahr auf der Abschiedstour für Reverend Bizarre. Am Grundmuster hatte sich nichts verändert: CG verströmten den Charme eines manchesterkapitalistischen Unortes, wirkten rauh, krätzig und häßlich. Und obwohl dieses Image obendrein von diesem allgewaltigen, neurotisch krächzenden Mark dominiert wurde, so hatten die langlodigen Tommys mit der unglaublich powernden Gitarren-Walküre Fed einen optischen Knaller an der Front. (Sage einer, Frauen können nicht headbangen...) Die Quinte aus London bestach mit martialischen Nummern wie „Let Sleeping Corpses Die“, „Only the Strong Can Survive“ und „I am God, You are Denied“... und insgheim gingen meine Gedanken zurück - an den Kampf in den Straßen des Big Smoke... Von da an ging es mir derart schlecht, daß ich das Fest beinahe verlassen hätte. Am Riemen reißen! Heldnische Momente sollten folgen!
Fred Caure und Steven waren bis in den Sommer ´06 die Gitarre und der Bass der flämischen Heavydoomer Thee Plague of Gentlemen. Bis deren Frontmann eingekerkert wurde und es keine TPOG mehr gab. SERPENTCULT heißt die neue Gruppe. Frische Band, neues Glück, alte Stärken: Serpentcult führten den Gentlemen-Kult fort. Die Gruppe aus Gent setzte auf schwere Geschütze und schüttelte sich krachende Gitarren, wuchtig surrende Heavybässe und krawallige Sequenzen aus den Handgelenken. Immer mitten auf die Glocke. Kurzum: Serpentcult waren Bangmusic und Karachodoom vorm Herrn. Mit zwei Modifizierungen: Serpentcult besitzen einen nicht unerheblichen Groovefaktor; und sie haben mit Michelle eine zarte Mädelgestalt mit sirenenhaft hohem Gekiekse hinterm Mikro stehen. Sex sells!
Ab sechs wurde es leidenschaftlich und fetzig: mit STEREOCHRIST aus Ungarn. Samt eines Warnhinweises des Frontmanns: „Stop drinking now!“ Anfangs etwas stumpf wirkend, zockten die Stereochristen in der Folge einen mutigen und gut abgehenden Doom Rock. Einen Sound, der vom rauhen Gesang, dem herzigen Temperament seiner Musiker und einer gewissen Southern-Blues-Note lebte. Ein Sound, der die ganze Halle durchdrehen ließ, und dessen Finale fast schon schicksalshafte Realität erfuhr: In „Bury Me in Smoke“ gönnte sich Earthrides Mister „Hanfplantage“ Sherman einen zweifelhaften Kurzauftritt als Vokalist... um sich darauf treu dem Titel voller Todessehnsucht von der Kanzel zu stürzen - und sich, bäm, die Ferse zu brechen. (Vermutlich hat er sich beim Abtransport noch feiern lassen, die coole Sau.) Nach einer Dreiviertelstunde waren die Magyaren durch, und alles Sehnen galt den Nachbarn aus Österreich.
Seit ihrem sensationellen ersten Auftritt in Langenzenn 2005 (geritzt vom Heiligen Geist und begutachtet von Herrn Fopp), ist der Name OUR SURVIVAL DEPENDS ON US in der Szene ein Begfriff. Es ist weder der unaussprechliche Name noch sind´s die sehr speziellen Einlassungen im tiefsten Hintersalzburgerisch, welche die deutschen Brüder aus Österreich so einzigartig machen. Es ist die Tiefe der Figuren und ihr alles danieder walzender Sludge-Doom. Osdou, sprich die Siebensaiter Mucho und Thom, Trommler Mani und neuerdings Barth von Belphegor am Bass, sind wie eine unbegreifliche Kreatur. Es ist so, als ob sie anfangs nur ganz leicht atmet, als ob sich ihr Körper ganz vorsichtig, ganz ruhig bewegt, als ob sie murrte und stöhnte wie ein gewaltiges Tier. Vor uns standen vier Weltenfremde mit langen Haaren, eremitischen Bärten, in die Haut gestochenen Bildern, Patronengurten und schweren Stiefeln an den Füssen. Letzte Sonnenstrahlen fluteten in die Chapel und in Thoms Gesicht - wie zu einem Gottesgericht. Dann fuhren Töne über dieses Szenario, tiefe Töne, langsame Töne, hypnotische Töne. Klänge, denen man sich kaum entziehen kann. Trommelwirbel prasselte herab. Die Kreatur knurrte, die Kreatur brüllte auf, wurde still, flüsterte und brüllte abermals auf. Plötzlich riß diese Kreatur ihre Augen auf: blitzend und voller blanker Wut aufs Menschentum und seine Schandtaten an der Natur. Ein Sturm aus Gitarrenläufen und mit Urkraft herausgestoßenen Schreien blies nun über das Podium. Bis sich die Augen wieder schlossen. Müde Augen. Vom Leben. Vom Wahnsinn auf unserem Erdenball. In der achten Stunde war die Kreatur Osdou erwacht und fünfzig Minuten später war das Leben aus ihr gewichen. Was blieb, war ein gigantisches Etwas. Ein Fluidum und eine Spiritualität, die nicht verwischt werden konnten! „The Last Act of Bravery“ war für den Heiligen Geist - und mein ewiger Dank geht an Our Survival Depends On Us (für die Neudefinierung des Doom)!
 
Bewegtbilder (Peeyakk):
...... Enter the Eye of the Cyclone Pt. I
...... Enter the Eye of the Cyclone Pt. II
...... Enter the Eye of the Cyclone Pt. III
...... I Will Not Obey
„Enjoy swedish folk music!“, lautete der wohlgemeinte Gruß an die Menge Schlag acht. Den volkstümlichen Gefilden des Prog Doom haben sich die fünf Schweden von FAITH verschrieben. Einer Musik, die bestimmt von Herzblut getrieben war - die meisten aber kalt ließ. Faith erinnerten mit ihren glatten und braven und nicht mehr ganz blutjungen Darstellern und ihren aus dem Holz skandinavischer Wälder geschnitzen, mittelalterlich anmutenden Streichinstrumenten sehr an ein Volksensemble. Mehr möchte ich zur Faitharmy eigentlich nicht sagen. Ich habe bei deren Vorstellung in der aprilgrünen Natur gesessen, habe OSDOU nachwirken lassen, auf die heilende Wirkung der letzten Sonnenstrahlen gehofft und mich auf Dreaming gefreut. Salvation lies within...
Wenngleich das Wörtchen „nu“ (ja) im Erzgebirge noch gelernt werden muß, machen die Kunden von DREAMING schon mit ihrem Dialekt mein Herz auf. Dreaming sind Blutsverwandte, ein Sachse vergißt seine Heimat nie! Dreaming sind von dem Schlag, der es nicht nötig hat, den Starken zu markieren. Sie müssen auch niemand mehr im Sturm erobern. Denn Dreaming sind schon ewig da - und gehen immer wieder steil. Es ist diese mechanische, natürliche Leistung, die Dreaming so in den Bauch gehen läßt, wie kaum eine andere Gruppe. Aber kommen wir zum Jetzt und Heute: Sandro, Tom und der einen Amisch-Bart tragende Thomas präsentierten das Beste aus ihren Doomrock-Kultnummern. Untergrundige Schneckenmusik kreuzte sich mit eingängigen Melodien und alles war gekrönt vom hymnisch lodernden Chorgesang der Saitenmänner, der Dreaming seinen unverwechselbaren Charme aufdrückt. Der Schwerpunkt lag eindeutig auf dem schlicht 'II' betitelten Neugewerk. Wobei das Prachtstück der mit finsteren Zeilen besetzte Klumpen „Birth Means Defeat“ war, dessen minutenlanger, schwarzer Ausklang nur von einem weißen Suchscheinwerfer untermalt war. Ein phantastisches, unglaublich unter die Haut gehendes Szenario! Dreaming waren fesselnd bis zum Ende und wurden gefeiert wie keine zweiten. Die Sachsen hätten auch gerne die vehement verlangte Zugabe gebracht - wurden aber von den Machern daran gehindert. Tja, Pech gehabt, Doom Shall Rise!
Die in der Vergangenheit so sensationell auftrumpfenden Death Doomer OFFICIUM TRISTE entrollten heute einen seltsam laschen Klangteppich. Zu verhalten die Melodien, zu flach die Instrumente, zu lustlos die Akteure. Die sagenhaft abgehenden Headbangorgien aus alten Tagen wurden von langsamem, bleiernem Gotenstahlgegrufte, einer Symphonie für die Untoten zu Grabe getragen. Vielleicht waren Herr Blankenstein und Komplizen heute auch nicht aus Rotterdoom sondern aus Rottergloom angereist. Oder die Holländer standen unter den weichen Drogen ihrer Heimat... Um ehrlich zu sein: Officium Triste waren die erste Gruppe meines Lebens, bei denen ich eingeschlummert bin. Mein Kumpel Kalle weilte schon länger im Reich der Träume.
Ab 23.20 Uhr galt es niederzuknien. Die Lichtgestalten des deutschen Doom seit 1990, die Unorthodox-Doomer MIRROR OF DECEPTION starteten in ihren Auftritt vor Heimkulisse. Schwer, nach zig Erlebnissen mit Fopp, Siffermann, Taller und Müller über Neuigkeiten zu berichten. Mirror sind nicht nur die altgedientesten Doomer in unserem Land, sondern auch die mit den sensibelsten Melodien und persönlichsten Inhalten. Was die Schwaben im Endeffekt bekannt wie bunte Hunde macht. Jedes Lied wurde fast gebetsmühlenartig mitgesungen, vor allem natürlich das auf Deutsch verfaßte, sterbensschöne „Entgleiten“. Hin- und hergerissen zwischen himmelhochjauchzend und todunglücklich spielten Mirror Doommetaller des neuen Albums (das mit ungewohnten, fast schon speedig daherbrausenden Gitarrenausbrüchen verblüfft), wie auch alte, folkig schwebende Epiker (wie das von Siffis Kehlkopf „Om“ unterlegte „Asylum“). Obendrein gab´s zwei sehr spezielle Schmankerl: Bei „Mirthless“ stürmte Trommler Jochen nach vorn, um den Gefährten mit seiner harschen Stimme ordentlich in den Hintern zu treten. Und „Bleak“ wurde - getreu der Platte - vom Ex-Mirror-of-Deception-Mitglied Baumhauer zelebriert, der sich eigens für diese eine Nummer noch mal ins Mikro litt und mit einer Herzung von Siffi verabschiedet wurde. Mirror of Deception haben wie immer überzeugt (mit dem Zusatz, daß ihre zerbrechlichen Inhalte in einem kleinen Klub ungleich berührender sind als in einer Halle wie der Chapel of Doom).
Den finalen Akt bestritten THE GATES OF SLUMBER aus Indianapolis. Die Eisernern Kreuzritter um Bandleader Karl Simon (der einem Kamerafritzen auf die Bitte „Karl, give me a grin“ schon vorm ersten Riff eine Teufelsgeste schenkte), um Basser Jason McCash sowie Bob Fouts an den Trommeln, lieferten weit nach Mitternacht alle Codes des Doom und bösen alten Heavy Metal in Perfektion. Räudige Vokale kreuzten sich mit vom Vorschlaghammer ausgeteilten Riffs, dazu wurden die Mähnen geschüttelt bis die Nackenwirbel krachten. Klar, daß bei den Amis von Anfang an die Luft brannte. Und ich wäre gerne bis zum Ende geblieben... unterdes die Pest in mir alles verdarb. Beim Rückzug um 1.15 Uhr erblickte ich noch Leo Stivala von Forsaken - mit Tränen in den Augen. Ich selber fieberte, mein Kopf glühte wie ein Feuerball. „Du siehst nicht gut aus“, sagte Micha später im Hotel. Dank Fahrservice Astalosch, der uns wieder einmal außer der Reihe im Bandbus heimchauffierte (Küsschen noch mal, Roman!), sanken wir nachts um zwei ins weiche Bett. Das war Doom Shall Rise Nummer fünf.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
THE LAST SUPPER
(15.00-15.42)
1. All That Remains
2. Low Sky
3. Walz
4. Ready to Crash
5. Working Man´s Doom
6. Further
7. Golgotha
8. Dead Sun
 
CENTURIONS GHOST
(15.55-16.37/ohne Gewähr)
1. The Supreme Moment.
2. Let Sleeping Corpses Die
3. In Defiance
4. I Am God, You Are Denied
5. Bedbound (In the House of Doom)
 
SERPENTCULT
(16.55-17.40)
1. Hammer of Hell
2. The Harvest
3. Alumbrados
4. Red Dawn
5. Breathing Garlic
6. Screams from the Deep
7. No Name
8. The Lake [Bathory]
 
STEREOCHRIST
(17.57-18.40)
Intro
1. Destroying Ruins
2. Hologram Man
3. Smack the Sun
4. Ghosts of a Culture´s Pride
5. Eyes Burnt Out
6. Live Like a Man (Die as a God)
7. Getting Over 7 Years
8. Ride Blind
9. Bury Me in Smoke
 
OUR SURVIAL DEPENDS ON US
(19.00-19.47)
1. Enter the Eye of the Cyclone
2. The Last Act of Bravery
3. Washing Hands in Innocence
4. A Stream that Wont Run Dry
5. Breathe
6. I Will Not Obey
 
FAITH
(20.00-20.42)
Titel unbekannt
 
DREAMING
(20.55-21.38)
1. The Other
2. Creeping Forward
3. Treadmill
4. Hello
5. Orgies of Sorrow
6. Way Home
7. Blurred Truth
8. Birth Means Defeat
 
OFFICIUM TRISTE
(22.02-23.00)
1. This Inner Twist
2. Your Eyes
3. On The Crossroad of Souls
4. In Pouring Rain
5. My Charcoal Heart
6. Signals
7. This is Goodbye
 
MIRROR OF DECEPTION
(23.20-00.22)
1. Haunted
2. Ghost
3. Entgleiten
4. Mirthless
5. The Eruption
6. Asylum
7. The Ship of Fools
8. Bleak
9. Insomnia
10. Vanished
******
11. To Be Kept in Suspense
 
THE GATES OF SLUMBER
(00.50-02.00)
Intro
1. Iron Hammer
2. Slay the Weak
3. The Judge
4. Broken on the Wheel
5. Feast of the Dead
6. The Executioner
7. Riders of Doom
8. The Riddle Master [Manilla Road]
9. The Jury
10. Angel of Death
11. Suffer No Guilt
Outro
Epilog
 
Sonntag, 29. April
 
Trotz zwei Tagen Doom mit hektoliterweise kaiserlichen Getränken aus dem Stauferland war die Hasseröder-Crew bereits seit sieben in der Früh auf Sender. Keine Spur von Substanzverlust bei denen, im Gegensatz zu mir: Die vom London-Marathon eingeleitete und durch Doom Shall Rise endende Woche war eine der erschöpfendsten in meinem Leben. Mit einem bösen Post-Marathon-Bazillus und einem Schädel schwer wie tausend Laster bin ich nach Frankfurt gefahren - und erlitt dort am späten Abend einen kleinen Hörsturz aufgrund eines völlig zusammengekrachten Abwehrsystems. In die „Fünfte Offenbarung“ mischten sich auch andere Zwischentöne: So wurde ein Besucher auf der Wiese von einer Kreuzotter gebissen. Ein anderer verbrannte aus Protest gegen die Kommerzialisierung rituell seine Eintrittskarte.
 
Kuß und Schluß, Vitus.
 
 

Heiliger Vitus, 10. Mai 2007

 
 
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