3. MAINZ-MARATHON, 20. Mai 2002
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AUFBAUKAMPF
5. Königstein-Dresden-Marathon, 4.5.02
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ MARATHON ¤ STATISTIK
Mogontiacum 2 - Cobacabana-Wetter beim Fastnachts-Marathon am Rhein
 
 
Im Jahr 2000 erstmalig ausgetragen, katapultierte sich Mainz auf Anhieb in die Spitze der Straßenlaufveranstaltungen Deutschlands. Damals wurde in Mainz der 600. Geburtstag des großen Sohnes der Stadt, dem Erfinder des Buchdrucks Johannes Gutenberg, gefeiert. Eine Seite der Gutenbergbibel zählt so viel Zeilen wie ein Marathon Kilometer hat: 42! Was den Marathon so sympathisch macht, ist neben dem frenetischen Publikum und dem rheinhessischen Lokalkolorit die auf die Fastnachtszahl von 5555 begrenzte Starterzahl. In Mainz wird nicht nach Rekorden und Umsätzen gegiert. Nein, der Sportler soll sich wohl fühlen und frei bewegen können. Mainz ist in erster Linie Sport - untermalt von einer ganz wunderbaren Stimmung am Rande! Im April war das Starterfeld für den „Gutenberg“ 2002 komplett.
 
.:: DIE STRECKE ::.
Der Marathon durch die Hauptstadt von Kurmainz bestand aus zwei völlig ebenen Halbmaratonrunden. Nach dem Start am Rathaus ging es zunächst rheinabwärts zum Ortsbezirk Mombach. Dort bog die Strecke zur Neustadt weg. Es ging durch die malerische Altstadt von Mainz und über eine Pendelmagistrale nach Weisenau. Nach einem Wendepunkt an der östlichen Peripherie verlief der Marathon parallel zum Rhein zurück zum Ausgangspunkt Rathaus. In der Altstadt warteten enge Kopfsteinpflastergassen, der Rest war schneller Asphalt.
 
.:: DIE VORBEREITUNG ::.
Die Vorbereitung auf Mainz verlief holprig. Arzttermine prägten den Einstieg. Etwas Rätselhaftes hatte mein Herz ins Stolpern gebracht. Geschickt von Pontius zu Pilatus, von Internisten zu Kardiologen, blieb ich im Ungewissen. Die Ratlosen verarzteten mich mit einem Antibiotikum. Nach drei Wochen Chemokeule mit all ihren Nebenwirkungen war ein Marathon in weite Ferne gerückt. Darauf folgte ein Kopfproblem. Der Arbeitsplatz belastete mit personellen Umbrüchen und räumlichen Veränderungen. Ich war ausgebrannt. Monotonie hatte alle Euphorie zerstört. Vorboten des Frühlings und eine ansteigende Form lösten wieder gute Gefühle aus - die aber ein Strohfeuer blieben. Die Luft war raus, ich legte Gehpausen ein. Dank gebührt in erster Linie meinem Mädel Peanut, das mir als Radbegleitung auf den langen Kanten jenseits der 30 Kilometer die Moral gab.
 
Die Wochenübersicht vom 24. Februar bis 20. Mai:
 
01. Wo.: 078 km
02. Wo.: 082 km
03. Wo.: 090 km
04. Wo.: 100 km
05. Wo.: 099 km
06. Wo.: 110 km
07. Wo.: 115 km
08. Wo.: 110 km
09. Wo.: 085 km
10. Wo.:
076 km
11. Wo.:
033 km
12. Wo.:
056 km
Gesamt: 1034 km
 
.:: DAS RENNEN ::.
 
3. GUTENBERG-MARATHON MAINZ, 20. Mai 2002
Zwei Wochen zuvor war ich den KÖNIGSTEIN-DRESDEN-MARATHON gerannt. Einer wenig erquickenden Zeit von 3:25 Stunden auf anspruchsvollem Boden folgte eine Denkpause in Dresdens Biergärten und Rockklubs. Mein Mädel und ich haben die Tage und Nächte mit Lust und Völlerei verbracht. Von den beiden Wochen war ich eine Hälfte betrunken, die andere verkatert. Läuferische Aktionen beschränkten sich auf die zwei Kilometer zum Semmeln holen - mit keinem Gedanken an einen neuen Marathon. Aber ich hatte mich lange im Voraus für Mainz eingeschrieben - und der dritte Montag im Mai nahte... Damit packte mich der Ehrgeiz. Nun raten aber die Gelehrten, die 42,2 Kilometer wegen der großen Belastung für die Muskeln, den Bewegungsapparat und das Abwehrsystem nur aller halben Jahre zu laufen. Besonders wenn der Marathon an körperliche und psychische Grenzen ging. Zwei Monate Pause, danach drei Monate Neuaufbau: so die Regel. Der Kraftakt in Sachsen lag gerade mal 16 Tage zurück. Doch im Falle einer Aufgabe würde mich auch niemand lynchen. Damit lief mein Einsatz unter dem Motto „Dabei sein ist alles“.
Mainz vom Kostheimer Rheinufer (© Vitus)
Den energieraubenden Besuch der Marathonmesse und das Abholen der Startunterlagen am Vortag hatte ich mir erspart, und war mit meiner filmenden Betreuerin erst eine Stunde vorm Start in Mainz angerückt. Nach einem kurzen Fußmarsch ab Bahnhof Mainz-Süd waren wir am Schauplatz Rheingoldhalle angelangt. 1990 durfte ich hier den „Clash Of The Titans“ mit Slayer, Megadeth, Testament und Suicidal Tendencies erleben. Zwölf Jahre ist es her. Durchaus locker verlief die Sicherung der Nummer, sowie das Anbringen eines Plakates vom Bannewitzer Crosslauf „Eutschützer Mühlenlauf“. Damit war ein persönlicher Auftrag von Mühlenwirt Micha im Heimatdorf erfüllt. Nun zur Sache:
 
Ganz wichtig bei einem Marathon ist das Wetter! Mußten die Läufer im Vorjahr bei acht Grad frieren, so wurden sie am heutigen Pfingstmontag schon morgens von zwanzig Grad im Schatten erschlagen. Der 20. Mai ´02 sollte zu einer heißen Nummer werden. Sorge ergriff mich. Bin ich doch kein Mensch, der Wärme mag. Erst recht nicht beim Laufen! Voller dunkler Ahnungen, mit einigen Pfund zuviel, und Bier aus Sachsen statt schnellem Glykogen im Kessel, hatte ich mich in den vordersten Block geschmuggelt.
 
Kilometer 0 bis 10
 
Um 9.32 Uhr fiel der START-Böller. Mit dem Wunsch für „Einen guten Lauf!“ schickte der Sprecher von Mainz 05 die Läufer auf ihren Weg. 6311 bewegten sich unter den Akkorden von „Muß i denn....“ und einem prallgefüllten Wegesrand nun rheinabwärts in Richtung Nordwesten. Umringt von den Schnellen entkam ich allem Gerangel und war schnell in Tritt. Nach dem Lauf über die Rheinstraße vorbei am rostroten Deutschhaus und dem Kurfürstlichen Schloß durchquerte die Strecke aus Anlaß des 50jährigen Standortjubiläums des Mäzens Schott dessen - vorsichtig formuliert - nicht so ansehnliches Firmengelände. Der Werkstraße folgte die rauhe Industriekulisse von Mombach ganz im Norden. Schwefelgelbe Wolken vergifteten die Luft. Doch ich hatte eher die Uhr im Blick. Der fünfte Kilometer war nach 22 Minuten erreicht. Mit der Bahnunterführung in der Kreuzstraße folgte der tiefste Streckenpunkt und zugleich einzige Anstieg auf der Runde durch Mainz. Das alte Mombach schloß sich an. Nach dem unschicken Auftakt war dies nun ein hinreißender Abschnitt. Im Ortskern stand ein Spalier aus rasselnden, ratschenden und pfeifenden Jubelmädeln. Ich genoß es. Auch am zehnten Kilometer, in den Straßen der Neustadt, lag ich mit 44 Minuten noch gut im Rennen. Das waren nur zwei Minuten über dem Marschplan für eine Endzeit unter drei Stunden! Wegen der destruktiven Vorbereitung hatte ich mir das nicht im wildesten Traum ausgemalt.
 
Kilometer 11 bis 20
 
So ging´s hinein in die Altstadt, die Prachtallee Kaiserstraße und die malerischen Fachwerkgassen um den Dom herum, durch die Große Langgasse und über den Gutenbergplatz, durch den Leichhof und über die Augustinerstraße. Hier, mitten in Mainz, trillerten und tröteten Tausende mit allem, was Krach macht. Das waren sie, die begeisterten Anhänger, die jedes Jahr für den legendären Mainzer Flair sorgen! Hunderttausend sollen den Kampf verfolgt haben. An einem ruhigen Flecken stand mein Mädel bereit mit dem Wundertrank High5. Dieses Glucosegetränk hatte sich erstmals beim Königstein-Dresden-Marathon bewährt, es ersetzt jeglichen Proviant. Frisch gedopt und bei stetig steigenden Temperaturen ging es auf der Wormser Straße hin zum östlichsten Streckenpunkt, einer Kehrtwende am Zementwerk Weisenau. Drei Kilometer im schattenlosen Niemandsland hin - und drei wieder zurück. Den Wendepunkt bereits hinter sich, hatte die Spitzengruppe um die skelettierten Laufwunder aus Afrika. Im Gegenlicht des 15. Kilometer eilten sie mir entgegen, mit gazellenhaft raumgreifender Eleganz. Tief stand die Sonne und brannte in meine Augen. Rinnsäle von Schweiß schoßen in die Pupillen. Am 20. Kilometer wartete neben der Festung Fort Malakoff die zweite Stärkung aus den Händen meiner Frau. Eine Sambacombo unterhielt die Läufer mit heißen Tanzeinlagen.
 
Kilometer 21 bis 30
 
Bald darauf kam das Rathaus und mit ihm die Marathonweiche. Die Halbmarathonis, deren Endbeschleunigungen die klassischen Läufer stark verunsichert hatten, verließen den Wettkampf (darunter die Mainzer Profikicker Hock, Lieberknecht und Wache). Eine Vermischung der Kämpfe ist nicht gut! Aus der Traum auch für mein Ziel „2:59“. Mit 1:34 Stunden bei Halbmarathon und lähmenden 26 Grad ging es auf die zweite Runde. Sechsundzwanzig im Schatten wohlgemerkt - und einundzwanzig Kilometer bis zum Ziel. Auf dem Pflaster von Schott sollten Arbeiter und Benebelungsanlagen Linderung bringen. Ein zarter Versuch. Derweil das Rennen für einen im wahrsten Sinne des Wortes fürchterlich in die Hose ging - als Dünnschiß, der stinkend an seinen Beinen runterrann. Nach 25 Kilometern stand noch mal der Arsch der Welt mit der Industrieansammlung in Mombach an. Dafür war nach der Unterführung Kreuzstraße wieder die Anwohnerschaft „uff de Gass“, um die Marathonis mit unverdrossen mächtigem Rabatz anzuspornen. Ein Sprecher verlas Nummern mit Namen von Läufern, auch meinen. Ruhiger, einsam geradezu, wurde es hinterm Hartenbergpark und auf dem Barbarossaring. Darauf galt es, sich an der Verpflegungsstelle Kilometer 30 durch ein Trümmerfeld aus den zertrampelten Bechern des ersten Durchlaufs zu pflügen - über flügelverklebende Energiegebrause durch die „Mauer“......
 
Kilometer 31 bis 40
 
Die Neustadt kam und eine klasse Stimmung brauste auf. Und dann wartete die Altstadt. In den engen, winkligen Gassen entfachten Schaulustige ein Remmidemmi wie beim Radrennen „Rund um den Henninger-Turm“. Bauchnabelfreie Mädeln zogen ihre Schau ab und stachelten und schrien mich hautnah an. Das war keine Laufveranstaltung mehr - das war Rosenmontagszug im Mai, ein Volksfest, ein innerer Reichsparteitag! Vierzigtausend sollen es allein um den Dom herum gewesen sein. Und die Läufer mittendurch (ich mit meterdicker Gänsehaut)! Nach dem rustikalen Pflaster schmerzte erneut ein Ermüdungsbruch im Mittelfuß. In der gleichen Rennphase wie schon in Dresden. Und wieder rannte die Angst vor Schlimmerem mit. Einige Straßen weiter steckte mir Peanut die letzte schnelle Pulle zu. Der war zu hoch dosiert. Ich mußte mit Wasser verdünnen, kam aus dem Schritt, verlor Zeit, und der gefürchtete „Mann mit dem Hammer“ kam sowieso. Er lauerte in der sengenden Hitze der zweiten, zermürbenden Raus-Rein-Geraden nach Weisenau und wieder zurück nach Mainz. Mit Gliedern steif und schwer wie Blei büßte ich nun für die überschwängliche erste Runde. High noon auf dem brennenden Asphalt von Mainz! Kirmesvereine, Spielmannszüge und Jubelmädels versuchten mit allerlei Tamtam den Weg ins Ziel zu erleichtern. Am 40. Kilometer war mir klar, daß es eng wird, zumindest unter 3:20 Stunden zu bleiben.
 
Kilometer 41 bis 42,195
 
Die Zielgerade Rheinstraße glich einem Hexenkessel. Zuschauer hatten im engen Schlauch aus Barrieren die Strecke gestürmt. Es war einfach irre. Losgelöst vom Hier und Jetzt hab ich noch mal alles rausgequetscht, sah die Uhr, und rannte nach 3:19 Stunden über die Linie. Die Barriere der „3:20“ war geknackt! Nur um Sekunden - und doch eine kleine Ewigkeit. Vergessen war das Vierteljahr der Entbehrung, all die Schufterei und das Debakel von Dresden. Heute gab´s Honig für die Seele! Erste Gratulantin war Peanut, die mich im ZIEL glücklich umarmte. - Als Erster war nach 2:16:22 Stunden Mutnadiro aus Simbabwe über die Zielgerade gegangen. Damit war er Gewinner eines Schecks über 3000 Euro (2500 Euro für den Sieg, dazu 500 für die Leistung unter 2:18 Stunden).
Bange Minuten beim Ausdruck der Vorab-Urkunde folgten. Die elektronischen Welten von Mika Timing hatten meine Zeiten nicht erfaßt. Nach zehn Minuten das Aufatmen: 3:19:51 Stunden! Das bedeutete den 238. Platz in der Gesamtwertung. Was wäre da mit einer professionellen Regeneration in Dresden dringewesen?! - Zu viel auf einmal! Total erschöpft und ausgetrocknet sah ich Sterne, alles ringsherum flimmerte, das Herz raste, die Knie schlotterten, mir wurde schwarz vor Augen. Völlig benommen schaffte ich es mit meinem Mädel weg von Lärm und Licht in eine schattige Gasse, wo sich alles beruhigte. Eine warmherzige Südländerin brachte später mit Mandelkuchen und Bier in der portugiesischen Pinte „O Galo“ die Lebensgeister zurück. - Mit Erinnerungsmedaille um den Hals, drei, vier Bier im Bauch und Freundin zur Rechten, habe ich mich am frühen Nachmittag per pedes zum Bahnhof aufgemacht. Auf dem Weg dahin, schleppten sich noch immer ganze Kohorten von Nachzüglern ins Ziel - die wahren Helden des Marathons!
 
 
FAZIT
 
Wirkung: Trotz sengender Hitze ein unbeschreiblich prickelndes Fluidum, eine schnelle flache Strecke, tadellose Organisation, und eine heitere, ausgelassene Ausstrahlung wie zur Fastnacht. Mainz versteht es, zu feiern und hat das gewisse Etwas. Für die Materialinteressierten noch diese Auskunft: Ich lief mit asics Gel Kayano VII.
 
Herzlichen Dank
meiner zur Wasserträgerin degradierten Freundin
der portugiesischen Frau und
den frenetischen „Rhoihesse“
 
 
Kampfläufer Vitus, Mai 2002
 
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 26ºC, schwacher Wind
Zuschauer:
ca. 100
 000
 
Teilnehmer im Ziel:
6352 (Marathon, Halbmarathon, Handradfahrer)
Marathonläufer im Ziel: 2617 (M: 2248 / W: 367)
 
Männer
1. Elijah Mutnadiro (Simbabwe) 2:16:22
2. Witaly Melzajew (Ukraine) 2:17:42
3. Samuel Okemwa (Kenia) 2:19:08
4. John Beikong (Kenia) 2:22:59
5. Francis Mbiu (Kenia) 2:24:11
6. Frank Hahn (Deutschland) 2:27:24
 
Frauen
1. Elena Fadejewa (Ukraine) 2:39:25
2. Tabitha Tsatsa (Simbabwe) 2:45:09
3. Ledysha Biwott (Kenia) 2:48:15
4. Margret Ruppert (Deutschland) 2:49:16
5. Michaela Schedler (Deutschland) 2:52:40
6. Constanze Wagner (Deutschland) 2:53:23
 
Kampfläufer Vitus (Deutschland)
Startnummer: 245
Nation: GER
Zeit:
3:19:51
Platz:
245 von 2617 Gesamt
Platz: 238 von 2248 bei den Männern
Platz:
53 von 503 in Klasse M40
Zwischenzeiten
HM 1: 1:35:16
HM 2: 1:45:35
 
Ergebnisse

Championchip