NOVEMBER´S DOOMSDAY II
 
GORILLA MONSOON, EARTH FLIGHT, VERSUS THE STILLBORN-MINDED
D-Langenzenn, Alte Post - 27. November 2004
Doomiger Sonnabend, 27. November (2. Tag)
 
Nach der langen Nacht schleppte ich einen dicken Kater mit Herzstolpern mit mir herum. Aber ich lebte - und Frühstück muß sein. Obwohl schon Mittagszeit, bekamen wir noch frische „Weggla“, wie der Franke zu Brötchen sagt. Gefolgt vom obligaten Weizen. Derweil Kalle und Micha sich im Anschluß bei widrigem Wetter und trotz Warnungen der Einheimischen vor ungeheuren Menschenaufläufen beim Christkindlesmarkt von „Nämberch“ ins Glühweindelirium schossen, verlustierte ich mich mit Frau Peanut in aller Ruhe auf dem Zimmer. Der Tag verging wie im Flug. Zum Abendessen versuchte ich mich an der Fränkischen Spezialität Aischgrund-Karpfen, die mir aber nach wenigen Bissen in der Kehle steckenblieb. Liebe geht eben durch den Magen - auch die zum Doom. Und der stand heute unter einem schlechten Stern. Gruppen wie Thee Plague Of Gentlemen, Officium Triste, Mirror of Deception, Well Of Souls und Dreaming mußten wegen Gagenforderungen, Weltruhm, Urlaubssperre oder Erkrankung passen, oder hatten aus anderweitigem Grund kalte Füsse bekommen. Jegliches Agitieren noch bis kurz vorm Doomsday - teils durch mich - lief ins Leere. „Huldigen wir eben nur drei Gruppen - und denen richtig“, befand Strippenzieher Schuch dann auch etwas deprimiert.
 
Der Beginn war für 19 Uhr bestimmt. EARTH FLIGHT standen auch schon in Stellung... brachen dann aber unvermittelt wieder ab... und stiegen von der Bühne. (Laut dem Sänger hatte die in Nürnberg gebliebene Freundin des Schlagzeugers ein psychisches Problem, und der Arme mußte dringend zu Hilfe eilen. Zu allem Übel ächzte der Sänger unter einer Bronchitis.) Der Start zögerte sich hinaus... Also Däumchen drehen und „Ammerndorfer Hell“-Höllenbier 666 trinken. Die Bardame hatte sich in ein besonders provokantes Dirndl gezwängt, und zeigte ihren wogenden Busen nabeltief dekolletiert - sodaß einem bei jedem Bier die Lust förmlich entgegenschwappte... Dresdens Gorilla Monsoon waren auch schon angekommen. Rumblödeln mit „Drumster“ Sandro. Und Bassist Barney von Condemned To Suffer hatte mich vom Vortag auch sofort wiedererkannt (ich ihn jedoch peinlicherweise nicht). Torsten von Versus The Stillborn-Minded stellte sich mir vor. Und Boris, der Sänger. Und Höhlenmensch Slayer... Küsschen hier, Stößchen da. Und bald schon hatte sich der Kater verduftet. Weil der Earth-Flight-Trommler nach wie vor verschollen blieb, wurde die Abfolge geändert: Die an zwei Gesetzten begannen.
VERSUS THE STILLBORN-MINDED drückten kurz vor neun vor wiederum 66 Leuten die ersten Dissonanzen durch die Lautsprecher. Hohes Schrillen links, tiefes Brummen rechts: Während Neu-Doomer Micha vermutete, die Gruppe wäre am Instrumentestimmen, äußerte Kalle, das könnte bereits Doom sein... „Psychope Sludge Doom“: So bezeichnen VTS-M ihre Musik selbst. Ich sah sie erstmals beim „Low Frequency Assault“ zu Nürnberg. Vor zehn Monaten türmten Breuer, Trautwein, Pürschel, Satt und Partheymüller ein extrem abstraktes, von endlosem Dröhnen geprägtes Monontoniegebilde auf. Und wirkten dabei etwas kalt und distanziert. Seitdem hat sich einiges geändert. Die Nürnberger kamen viel natürlicher und glaubhafter daher, ihr Auftritt wirkte eindringlich und gut. Vielleicht auch, weil Versus mit „Spirits Under Tutelage“, „Monuments of Failures“, „Vivamus ergo delebimur“ (Wir leben, also werden wir vernichtet) und „Across the River“ gleich vier neue Slowfucks im Programm hatten. Trotzdem dürfte der Stillbornsche Sludge bei 99 Prozent der Menschheit auf Abneigung stoßen. Diese Musik ist zu schwer, um sich der Masse zu erschließen. In mir lösten die fünf Zwerge mit den Herzen von Riesen und dieser faszinierende Mahlstrom aus Doomriffs, dem schweren Schlagzeug, Tiefsequenzer Torstens Knien im Staub der Kanzel und Boris´ grabestiefem Klagen unterdes innere Gänsehaut aus. Ehrensache, da von Anfang bis Ende in Ehrfurcht abzudoomen. Und final durften alle bestaunen, wie sich der schräge Boris vor „Across“ fein säuberlich die Glockenhose über die Docs zupfte. Versus doomten satte siebzig Minuten im alles zermalmenden Zeitlupentempo. DOOM ISST HOFFNUNG!
 
Wie immer wieder zu beobachten, hatte sich Frankens Jungvolk nach wenigen Takten verkrochen und erst mal zugelötet, statt Versus zu betrachten. Mitorganisator Sterni beschaffte mir eine der raren Tinituz-CDs; und auch Deathmetalbraut Steffiistcrazy huldigte dem Doom. Monsoon-Sandro mußte wegen Reichtum eine Papirossa schnorren, ich spendete das Bier dazu.
Halb elf hatte der Schlagzeuger der Heavyrocker EARTH FLIGHT seine Flamme beruhigt und war nach Langenzenn zurückgekehrt. Noch in Straßenkutten gekluftet, machten die vier Langhaarigen aus Schwabach eine flüchtige Probe - um unmittelbar zur Tat zu schreiten. Und das nicht schlecht - mit „Earth Flight“, einem Doomer mit Seventies-Fluidum, getragen von Gitarren mit viiiel Gefühl und veredelt von einer kraftvollen samtigen Singstimme wie ein Lüftchen Mariuhana. Huldigungen der Obskurdoomer Pentagram waren angebracht und gerne akzeptiert. Schließlich stammt der Gruppenname von einem Lied der Legende. Brunner, Blendinger, Stüllein und Engelhardt fesselten von Anfang an - bei ihrem dritter Auftritt überhaupt! Aber anscheinend wurde manchen der Spirit von Love & Peace mit in die Wiege gelegt... Sehr psychedelisch, sommerlich leicht geradezu, schwebte die Nostalgie „Awakening“ vorbei. Zwei blonde Elfen und diverse Fangirls honorierten ihre Helden mit exzessivem Wirbel der Mähnen. Weiterer Retrostoff quirlte durch die Lautsprecher: mal treibend rockig, mal verletzlich liedhaft. Mit Titeln wie „Ain´t My Deal“, „No Tear“ und Pentagrams „Starlady“. Der bittersüße Kosmos von Earth Flight fand sich im letzten Lied vereint. Dies begann sehr langsam, mit gepeinigtem Unterton, und gipfelte völlig entfesselt in glitzernden Farben. Aus Zeitnot mußten Earth Flight ihre Schau zu einer halben Stunde raffen.
Nach den Blumenkindern gab sich ein wildes Rudel die Ehre: Franken wurde von den Killeraffen aus dem fernen Sachsen gelaust. Die Heavy Stoner Doomer GORILLA MONSOON aus der schönsten Stadt der Welt bliesen zum Angriff. Wie gewohnt zeigten sich Saitenvergewaltiger und Stimmenhool Jack Sabbath, Sechssaitenpeiniger Phil, Tieftondrangsalierer Chris und Schlachzeuchtraktierer Drumster in gediegener Coolness. Oberste Gebote: Nicht reden, handeln!; Viva Marihuana!; und - treu den Bonobos -: Make Love Not War! Tattoos, lange Loden und Koteletten sind den Typen ohnehin angewachsen. Dazu trugen sie animalisches Leder und Bluejeans, Ozzy-Gürtel, Jack-Daniels- und Weed-In-The-Head-Nicki, sowie allerhand explizite und diabolische Symbolik auf ihren Instrumenten zur Schau. Nicht zu vergessen: der über allem thronende Mikroständer mit dem Schädel einer Kreatur mit meterlangen Hörnern, an denen sich Meister Jack Sabbath nicht nur einmal mit den Haaren verfing, sondern die auch leicht ins Auge gehen können... Also, Obacht!... Einnebeln... und dann donnerten zu „Pantera“ auch schon die ersten Trommelhiebe, bedrohlichen Riffs und höllendüsteren Keifvokale durch die Speaker. Dresden ließ die Saiten brennen, und der Postbunker geriet zu einem Meer schwitzender Leiber und rotierender Haare. Ziemlich weit vorn: der verdrogte Vitus. (Und wieder schlug meine Stirn auf harte Körperteile.) Einzig Steffiistcrazy hatte noch von der Nacht davor die Nase voll. „Hallo, wir sind Gorilla Monsoon from Planet Earth!“ so der feist feixende Gruß von Sabbath. Gefolgt von den düsteren Dampframmen „Don´t Give Me Love“, „Night of the Wolverine“ und „Crowbar“. Sabbath erklärte: „Es lebe der Codein-Hustensaft!“, und die „Death Revolution“ rumpelte durch die Botanik. So dröhnten und schleppten sie sich dahin, jene richtig fies knallenden Weltuntergangsdoomer, wie die „Black Sun“. Dann die doome Frage: „Wollt ihr noch einen Song über Ficken & Bluesen hören? Wir hätten einen: 'Born to lose'!“ Und obwohl der Zeiger schon lange über die genehmigte Mitternacht hinausgetickt war, gab Sabbath Zennas flehenden Rufen nach: „Okay, letzter Song! Dann gehen wir kiffen!“ Und nachdem er sich die Haare aus dem Mund geräumt hatte, gab´s sogar noch zwei. Zum Ausdoomen gewissermaßen. Um 0 Uhr 20 hatten die Gorillas aus dem Laden Hackepeter gemacht!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
VERSUS THE STILLBORN-MINDED
(20.55-22.05)
1. Spirits Under Tutelage
2. Monuments of Failure
3. Climax of Delusion
4. Vivamus ergo delibimur
5. No Land´s Man
6. Victims of Imperfection
7. Across the River
 
EARTH FLIGHT
(22.30-23.02)
1. Earth Flight
2. Awakening
3. Ain´t My Deal
4. No Tear
5. Jam Äktschn
6. Starlady [Pentagram]
7. Till I Lie Below
8. Night Flight
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9. Groove-Song
10. Starstruck
 
GORILLA MONSOON
(23.20-0.20)
1. Intro
2. Pantera
3. Don´t Give Me Love
4. Night of the wolverine
5. Crowbar
6. Death Revolution
7. Lesson In Darkness
8. Black Sun
9. Shit Song
10. Hatebreed
11. Down Song
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12. God Save
13. Codeine Commander
14. Born to lose
v.o.n.u.:
Gorilla Monsoon,
Peanut & Vitus
Herr Schuch
 
Epilog
 
Trauriger Sonntag, 28. November
 
Hail Santa! Ein Lichtlein brannte zum Advent! Doomsday Nummer zwei war Geschichte. Nicht so doomig wie im Jahr zuvor - der Thrash-Tag war ein Abkommen mit dem ausrichtenden Klub -, doch mit Zukunft. Und in einen geilen Landstrich wie Mittelfranken kehrt man jederzeit gerne zurück. Nach einem besinnlichen Weizenfrühstück im „Rangau“ fuhren uns Kalle und Micha zum Bahnhof Veitsbronn-Siegelsdorf. Unter den Kastanien von „Edel´s Bohufsgärtla“ trennten sich unsere Wege.
 
 
Was sonst noch zu sagen wäre
Leider ging die Veranstaltung nicht spurlos an den Beteiligten vorbei. Doomkalle ereilte am Sonnabend chronischer Dünnschiß: Er mußte gleich sechsmal auf den Abort. Holy Vitus 666 würde noch am selben Abend unter Halskratzen und Atemnot leiden und zwei Nächte keinen Schlaf finden. Gleiches blühte Versus The Stillborn-Mindeds Boris. Peanut 333 wurde zwei Tage später von Übelkeit und Fieberschauern niedergestreckt.
 
 
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Heiliger Vitus, 30. November 2004; Bilder: Vitus und Doomkalle