75. GROßER PREIS VON MEHLINGEN
3. August 2024
Prolog
 
Vor genau einem Jahr wäre mein Mädel beinahe vor meinen Augen gestorben. Und ich hätte ihr nicht helfen können. Ein mutiertes Insekt hatte sie beim Laufen ins Nasenloch gestochen. Mit tausend Schutzgöttern und letzter Kraft nachhause geschleppt, erlitt sie einen allergischen Schock. Ein in letzter Sekunde angerückter Notarzt rettete Peanuts Leben. Damit war die geplante Reise zum Mehlinger Rennen am anderen Tag geplatzt. Statt Autobahn und Rennschlacht, Infusionen und Krankenhaus... 363 Morgen danach folgte die Neuauflage in der Pfalz. Diesmal feierte der Große Preis von Mehlingen, ein Kultrennen in der dortigen Radsportszene, sein 75. Jubiläum. Und wir waren dabei......
.:: DIE STRECKE ::.
Ein selektiver Rundkurs über 4,75 Kilometer mit 43 Höhenmetern, ein kurzer, knackiger Stich mit 18 Prozent, zwei 90-Grad-Kurven und drei schwierige, da nur mit geringer Geschwindigkeit passierbare Spitzkehren: So ließe sich die Charakteristik der Strecke kurz und bündig zusammenfassen. Vom Friedhof in der Dreihübelstraße ging es in die Ortsdurchfahrt mit der Hofstraße, von dort in die Amselstraße über die Niedermehlingerstraße zur Mittelstraße, dann über den Landwirtschaftsweg auf die Kreisstraße 42 Richtung Niedermehlingerhof, und von dort zurück zu Start und Ziel vorm Mehlinger Friedhof. Die Strecke war für angriffslustige Fahrer geradezu prädestiniert.
.:: DAS RENNEN ::.
Wegen den vielen Staus der letzten Zeit waren wir frühzeitig in Frankfurt aufgebrochen und zwei Stunden vorm Start im Wettkampfort vor den Toren von Kaiserslautern angekommen. Wir parkten in einer Straße mit dem lauschigen Namen „Im Hanfgarten“. Im Unterschied zu vielen anderen Veranstaltungen hatte die in einem Zelt am Friedhof untergebrachte Nummernausgabe schon geöffnet. Derweil der Gottesacker noch ein Weilchen auf uns warten darf - Fuck you!, Bienchen - ließ die Meldeliste mit einunddreißig üblichen Verdächtigen aus Nah und Fern ein turbulentes, hartes Ding befürchten. Hinzu kamen sieben von der U17 und zwanzig Amazonen...
Schlau, schnell und halsbrecherisch: Die Elite-Frauen stehen den Männern der Masters 4 bei der Jagd oft in nichts nach. Heute schienen manche mit den Genen des algerischen Boxers Khelif ausgestattet, der bei Olympia in Paris ganz legal echte Frauen verprügeln durfte. Und überhaupt: Frauen als Gegner? Dazu die wilde Fahrweise der männlichen Jugend... 13 Uhr 45 fiel der START-Peng. Fatalerweise hatte ich mich hinter der U17 und den Frauen in der letzten Reihe der Masters positioniert. Und schon nach der ersten von zehn zu bewältigenden Runden war alles weit auseinandergerissen, brannten meine Lungen, waren die Oberschenkel voller Laktat. So ging es in Runde zwei und auf die zweite Passage eines schmalen, mit hohem Tempo angesteuerten Wirtschaftsweges über weites Ackerland. Hier blies der Wind von vorn. Die Folge: harte Positionskämpfe, Gerangel um ein Hinterrad, und die Gefahr, sich an der Asphaltkante aufzuhängen. Löcher gingen auf, alles explodierte. Ein Dutzend fiel hinten raus. Es nahte die Mündung in die Kreisstraße 42, eine Spitzkehre und das Beschleunigen aus dem Stand heraus. Erschwerend schloß sich eine Steigung mit Windkante an. Mit letzter Kraft blieb ich dran... schoß hinunter in den Erdpfuhlgraben... und den steilen Gegenanstieg hinauf zum Mehlingerhof - der mir durch den Ziehharmonika-Effekt den Anschluß ans Feld rettete. Runde zwei war durchgestanden. Während nach einem Prämiensprint vier davonstürmten, verliefen die kommenden Runden wie in einer Kapitulation weitgehend ruhig. Ich rollte defensiv im Hänger mit. Ein Heißsporn ging in einer Kurve zu Boden. Und eine Fangemeinde am Ortsausgang versprühte mit Rauchfackeln, Fanfaren und lauten Anfeuerungen Tour-de-France-Flair. Nur gegen Ende hin wurde es wieder haarig - als die Spannung stetig stieg und sich die Meute in Position zum Massensprint brachte. So ging es in ein Wäldchen mit der Zielgeraden und den Schildern „500 Meter“... „300 Meter“... Bumm!: Drei Speed-Queens verhakten sich. Ich sah mich am harten Zement. Doch es ging gerade nochmal gut. Der Weg zur Spitze indes war versperrt. Damit blieb nur ein Rang im Mittelfeld. Die Meute ins ZIEL führte die für den RSC Nordsachsen startende deutsche Meisterin der Masters 2, Gaß aus Haßloch. Sieger wurde der Schweizer Eminger, der bei Olympia 1984, 1988 und 1994 für Österreich als Eisschnelläufer startete, und nach seiner Winterkarriere große Erfolge als semiprofessioneller Radsportler feierte, darunter eine Weltmeisterschaft der Masters.
Finale
 
Nach dem Rennen galt alles Interesse der Ergebnisliste. Angesichts der fehlenden Transponder, dreier gemischter Rennklassen, einiger Überrundeter, der Ankunft im Massensprint und eines lethargischen Kampfrichtergreises, waren Ungereimtheiten programmiert. Nach meiner Wahrnehmung war ich Neunter. Aber wie soll man das ohne Zeitmessung und Zielfoto beweisen? Anschließend verlagerte sich das Geschehen auf das von einem Bierzelt im Oktoberfestformat dominierte Festgelände - wo nette Begegnungen und die herzliche Pfälzer Lebensart für einen verschenkten Platz entschädigten. Einheimische gaben sich die Kante, und zu vorgerückter Stunde stand beim Sommernachtsfest die Partyband Black & White auf der Bühne. Bis dahin dröhnte den ganzen Tag lang Hardock und Metal von Motörhead bis Metallica aus den Speakern. Die Pfalz steht auf Hard 'n' Heavy!
 
 
Danke & Cheers
Meine Peanut, dem BESTEN MENSCH DER WELT
 
 
Vitus, 6. August 2024, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: bewölkt, 20ºC, mäßiger Wind aus Westsüdwest (13 km/h), 88% Luftfeuchtigkeit
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 48 km
 
Im Ziel: 135
Amateure: 39, Masters 2+3: 40, Masters 4: 20, U17: 7, U15: 7, U13: 5, Elite-Frauen: 17
 
Masters 4
Meldungen:
32
Am Start:
25
Im Ziel: 20
1. Christian Eminger (RB Brugg, Schweiz)
2. Walter Antoni (TSV Neupotz)
3. Ralf Weber (RSC Niddatal 1988)
4. Klaus Schmittgall (TSV Neupotz)
5. Harry Kühnelt (RSV Lutherstadt Wittenberg)
6. Peter Daicsak (RIG Vorderpfalz)
10. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
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