GROßER WEINPREIS EBERSHEIM
Mainz, 1. September 2024
Prolog
 
Die Geschichte des Weinpreises reicht bis in die Nachkriegsjahre: Von 1947 bis 1997 lockte der Herbstklassiker Profis und große Rennfahrer zum Straßenrennen über 150 Kilometer durch Rheinhessen. Danach lag der Fokus des Veranstalters RV 1925 Ebersheim eher auf dem Hallenradsport mit der Abteilung Radball und mehreren Weltmeistertiteln im Kunstradfahren. 2015 kam es zu einer Wiederbelebung des Straßenrennens auf einem Rundkurs in Ebersheim. Das letzte stieg 2019, ehe Corona weitere Austragungen verdarb. Anschließend hatten die Macher die Lust verloren. Aber diesjahr sollten im „Tor nach Rheinhessen“ die Räder wieder rollen. Über hundert hatten gemeldet.
.:: DIE STRECKE ::.
Als Rennstrecke war eine Eintausend-Meter-Runde im Ortskern von Mainz-Ebersheim ausersehen worden. Aus der Vogelperspektive glich sie einem Rechteck mit je einem leichten Anstieg und einem Gefälle, verbunden durch zwei lange Geraden, das für die Masters dreißig Mal zu durchfahren war. Vom Start in der Töngesstraße ging es hinauf zur Neugasse, dann hinab durch In den Teilern, und von der Senefelder Straße mit Schwung zurück zu Start und Ziel vor der Römer-Apotheke in der Töngesstraße. Pro Durchfahrt waren sechs Höhenmeter zu überwinden. Mit ihrer breiten und weitgehend glatten Fahrbahn ließ sich sich Runde flüssig und mit Mut auch mit hohem Tempo fahren.
.:: DAS RENNEN ::.
Nach Trier, Kuhardt, Dahn, Hatzenbühl, Mehlingen und Queidersbach führten uns die Wege zum siebten und letzten Mal in diesem Jahr auf rheinland-pfälzischen Boden. Ein bißchen verhext war Ebersheim schon. Denn ausgerechnet die kürzeste Reise sollte aus sportlicher Sicht nicht die erquickendste werden. Nach einem Stündlein über verschlugene Autobahnen trafen wir auf dem von Weinhängen umrahmten, brettflachen, baum- und schattenlosen Ackerland südlich der pfälzischen Hauptstadt ein. Außer Autoraserpisten war da nichts. „Mit einem Fahrrad kommen sie da nicht hin“, spottete jemand auf die Frage eines Unbekannten nach dem Weg ins benachbarte Nieder-Olm. Eine am Ortsrand gemauste Weintraube schmeckte allerdings köstlich. Von vierzehn Gemeldeten waren nur zehn angereist, dafür hatten vier Namhafte nachgemeldet, darunter zwei vom obskuren Radroo-Team sowie der Schweizer Eminger, der als Eisschnelläufer dreimal bei Olympia war und später Masters-Weltmeister im Radsport wurde. Wegen Verwechslungen in der Startliste mußten die Fahrer ihre Anwesenheit wie bei einer Einschreibung nach Aufruf per Handzeichen bestätigen. Zu allem Überfluß wurde das Rennen von vierzig auf dreißig Kilometer verkürzt. Eine Kampfrichterin gab dies ohne Angabe von Gründen und mit viel Blah Blah erst am Start bekannt. Mancher schimpfte, und auch der pfälzische Mitfavorit Antoni war mit zwei Flaschen am Rahmen für ein längeres Ding gerüstet.
Im Grunde hatte ich das Rennen schon am Start verloren. Und dabei wollte ich mich diesmal zehn Minuten vorm Peng an der Linie positionieren. Doch dann zeigte sich die Aufstellung verwaist. Also fuhr ich mich zusammen mit den Radroo-Fahrern eine weitere Runde warm. Als wir zur Startlinie rollten, stand dort eine Schar aus zwei Dutzend Mastersfahrern und Elitefrauen - Ladies First: die Speed-Queens in vorderster Front. Mit etwas Verspätung ging´s 10 Uhr 50 los. Und zwar volle Lotte. Ausgangs der sich verengenden Töngesstraße war die Spitze schon hundert Meter enteilt - und keine Chance, an den Ladies vorbeizukommen und hinterherzuhetzen. Ausgangs Runde eins war ein Quintett weg. Die Verfolgungsjagd währte acht Runden. Vergebens. Stattdessen hatte ich im neunten Anstieg in der Töngesstraße das komplette Feld abgehängt und fuhr mit einer Straßenlänge Abstand als Solist zwischen der Spitze und dem Rest. Bog ich ums Eck, verschwand die Spitze; tauchte die Meute auf, entfleuchte ich aus dem Blick... Nach vierzehn unendlich langen und unvergesslichen Runden fuhr das Führungsduo Eminger und Antoni einen Teil des auseinandegerissenen Feldes wieder an mich ran - und ließ kurzerhand alle stehen. Die letzten acht Kilometer wollte niemand die Arbeit machen. Vorn schlug Eminger Antoni im Sprint. Mit etwas Abstand folgten die beiden Radroo-Akteure und das ausgedünnte Feld. Davon überspurteten mich Daicsak und Mohr wenige Meter vorm Ziel. Somit mußte ich mich mit Rang sieben begnügen. Die NADA war nicht vor Ort.
 
Finale
 
Im Ziel herrschte Verwirrung. Denn das vorläufige Ergebnis wies abgesehen von den ersten Drei nur Rückennummern aus. Die Namen wurden später zugeordnet. Eher süffisant fielen die Ehrungen aus. Während sich die Sprintprämien am Spendenaufkommen orientierten, erhielten die Schnellsten Weinprämien. Der Sieger aus der Schweiz durfte sich an drei Flaschen Wein erquicken, der Zweite und Dritte tröstete sich mit einer. Der Kannibale Antoni bekam zudem ein Kinderfahrrad. Ferner wurde Teflonschmiermittel verteilt. Pokale, Urkunden oder Blumen gab es nicht. Für mich war der Weinpreis einer zum Hinterhertrauern. Mit einem Scheinchen für die Mannschaftskasse kratzten Peanut und ich die Kurve. Die Ereignisse des Tages verarbeiteten wir auf unsere Weise in einem Biergarten am Ufer des Flüsschens Nidda in Frankfurt. Es wurde spät...
 
 
Vitus, 4. September 2024, Bild: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 24ºC, leichte Brise aus Ost (9 km/h)
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 30 km
 
Im Ziel: 108
CT+Elite-Amateure: 20, Amateure: 19, Masters 2: 17, Masters3: 12, Masters 4: 14, U19: 4, U17: 4, U15: 7, Weibliche Klassen: 11
 
Masters 4
Meldungen:
14
Am Start:
14
Im Ziel: 14
1. Christian Eminger (RB Brugg, Schweiz)
2. Walter Antoni (TSV Neupotz)
3. Rüdiger Conrad (Harburger RG)
4. Andreas Leschert (RC 07 Fulda)
5. Peter Daicsak (RIG Vorderpfalz)
6. Alexander Mohr (RSV Ellmendingen)
7. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
Rad-Net