16. PONICKAUER DREIECKSRENNEN
Ponickau, 10. September 2022
Prolog
 
Das Straßenrennen in Ponickau stand für Ende und Anfang. Zum einen setzte es den Schlußpunkt unter die neun Wettkämpfe des Lausitz-Cups. Zum anderen war es das erste Rennen nach der langen Ära meines Klubchefs Manfred Deckert. Im Anschluß an den letzten Lauf des DSC-Cups 2022, einer Serie aus siebzehn Bahnrennen, hatte der Gründer und Chef des Dresdner SC 1898 in einem Vorausblick aufs neue Jahr Tacheles geredet und das Ende des DSC-Pokals unter seiner Regie erklärt. Seine letzten Worte bedeuteten eine Zeitenwende, womöglich das Ende des Dresdner SC in seiner bisherigen Form. Drei Gründe nannte „Decko“ für seinen Abschied:
 
1. Die Sanierung der Radrennbahn Heidenau 2023. Damit waren Bahnrennen im kommenden Jahr nicht möglich.
2. Die geringe Teilnehmerzahl: Statt 25 Gemeldeten erschienen bei manchen Läufen weniger als zehn Fahrer. Dabei hatte der neue Abteilungsleiter - der selbst nur bei den ersten drei Läufen anwesend war und sich danach nie wieder blicken ließ - seine Junioren abgezogen.
3. Die eigene Gesundheit: Der Chef war seit langem angeschlagen und feierte in diesem Jahr seinen 86. Geburtstag.
 
Mit dem Abschied von Decko waren die Mastersfahrer dem Untergang geweiht. Niemand verkörperte den DSC 1898 wie Decko. Decko war ein Mann der ersten Stunde, der Letzte einer Heldenepoche. Dreißig Jahre lang hatte er den Klub geführt. Er war eine Respektsperson weit über den Klub hinaus. Niemand besaß dessen Authorität und Seriosität. Über all die Jahre hatte der Chef seine Hände schützend über die alte Garde gehalten. Mach´s gut, Decko! ...... Unter neuer, junger, sehr viel freier orientierter Leitung ohne feste Strukturen, war das letzte halbe Dutzend der Masters auf sich allein gestellt. Ich sehe keinen Nachfolger! Zudem entfiel mit dem Ende des DSC-Cups eine qualitativ entscheidende Trainingseinheit. Ohne Bahntraining kein Grundspeed. Ohne Grundspeed keine Erfolgsaussichten. Jeder spürte es, jeder fühlte es, jeder wußte es in jeder Faser seines Körpers!
.:: DIE STRECKE ::.
Mit seinem leicht welligen Profil und der abwechslungsreichen Strecke durch Dorf, Feld und Waldgebiete im Grenzland von Sachsen und Brandenburg, hatte das Triangel zwischen Ponickau, Böhla und Kraußnitz einiges zu bieten, und wurde durch hohe Geschwindigkeiten überdies zu einer Krafttprobe für jeden Rennfahrer. Der Rundkurs maß 6,5 Kilometer, pro Runde waren es 36 Höhenmeter, die meisten davon am 128 Meter hohen Weißen Berg und dem 146 Meter hohen Birkenberg. Zwei kurze, knallharte Kopfsteinpflasterabschnitte bewirkten zudem eine echte Probe fürs Material. Für die Mastersklassen standen zehn Runden, sprich 65 Kilometer, auf dem Programm.
.:: DAS RENNEN ::.
Nach einer kurzen Nacht und einem Katzensprung über die Autobahn hatte ich mit meiner Frau bei sonnigem Herbstwetter um halb zehn die Fünfhundert-Seelen-Gemeinde Ponickau erreicht. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf einer Lichtung einen weitgereisten Jedermannstarter vom Fichtelberg im Erzgebirge, der in Ponickau eins seiner ersten Radrennen überhaupt bestritt. Das Startgeld betrug 26 Euro, Nachmelder zahlten zehn mehr. Als Gegenleistung wurden alle Runden- und Endzeiten per Peilsender erfasst. Im Ziel lockten gegen freiwillige Spende Kuchen und Bier. Ab 10 Uhr 20 begann auf der Ortrander Straße die Startaufstellung aller Rennklassen. Aus Lautsprechern hallte eine Ansprache...
10 Uhr 30 erfolgte der START des Hauptrennens der Männer und Masters 2. Nach endlos langen sechs Minuten folgten um 10 Uhr 36 die Masterklassen 3 und 4, und um 10 Uhr 38 schließlich die Frauen. Zu der Zeit näherte sich das Hauptrennen bereits dessen erster Zieldurchfahrt in Ponickau an... Alle Rennen begannen am Festplatz von Ponickau, auf dem an diesem Wochenende das Erntedankfest mit DDR-Oldtimern, Motocross und anderen Erquickungen stieg. So war entlang der Bordsteine einiges los. Schon auf dem ersten Kilometer ging es auf schmalem Asphalt durch ein kribbeliges Zickzack-Geschlängel vorbei an der alten Kirche von Ponickau. Ausgangs des Dörfchens durchquerte die Strecke Ackerland und sofort begannen die ersten Attacken. Man mußte sich die Kräfte aber gut einteilen, schließlich führte das Rennen über zehn Runden. Nach einer schnellen Linkskurve in Böhla lauerte ein wilder Ritt über Knüppelpflaster und offenes Feld. Hier wehte Kantenwind. Gleich an der ersten Steigung zum Weißen Berg begann der unerbittliche Schlagabtausch. Insgesamt zwanzig Mal ging es für die Masters 4 über kurze, knackige Anstiege, auf denen sich das Rennen entschied. Das war ein Gelände für Puncheure, die Jungs mit der Kraft, Hügel schnell und aggressiv hochzudrücken. Vor der Landesgrenze zu Brandenburg knickte die Route nach links weg und führte über drei Rampen hinauf zum Birkenberg. In der zweiten Runde wußten alle, wo die Stellen zur Flucht waren. Ausgangs der Runde, am Birkenberg, begannen die Kämpfe um die Ausreißergruppe. Das Feld zerriß. Ich wollte keinesfalls von der Spitze abgehängt werden, konnte die jMasters 3 um Ex-Profi Jörn Reuß aber nicht halten. Mitte der dritten Runde wurde unsere Gruppe vom Feld der Männer überrundet. Ich klemmte mich in den Windschatten, mußte jedoch reißen lassen. Runde vier und fünf fuhr ich in einem Sextett - bis uns Versprengte aus allen möglichen Altersklassen abfingen. Mittlerweile waren alle Wettkämpfe durcheinandergewirbelt und über die Sechseinhalb-Kilometer-Runde verstreut. Es wurde nur noch auf die Rückennummern geschaut, wo sich die Rivalen bewegten. Mein von hinten aufgerückter Mannschaftskamerad Rübling frug mich, wie viele Masters 4 vorn in der Spitze fuhren. Es waren zwei, die sich festbeißen konnten und damit bereits auf dem Podium standen. So ging es in die letzten Runden. Alle meine Versuche, am Weißen oder Birkenberg wegzukommen, wurden vereitelt. Der letzte Anstieg zum Werbrigsberg verhinderte, daß sich das etwa zwanzigköpfige Feld zu einem Sprintfinale formieren konnte. Zudem versetzte auf der letzten Kuppe ein heranrückendes Führungsfahrzeug die Fahrer in zusätzlichen Streß. Auf den letzten eintausenddreihundert Metern vom Waldrand leicht abschüssig über windigen Acker fehlte mir das Stehvermögen. Ich wurde eingefangen, überollt und landete auf Platz sechs. Im ZIEL erkundigte sich jemand angesichts des Z-Symbols auf meinem Leibchen: „Seid ihr die Vorhut der russsichen Armee?“ Das Sponsoren-Symbol war das einzig Heitere an diesem Tag für mich. Dopingkontrollen wurden nicht durchgeführt.
 
 
Vitus, 11. September 2022; Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: teilweise bewölkt, 18ºC, schwache Brise aus West (13 km/h)
Typ: Straßenrennen (Jedermann)
Länge: 65 km
 
Am Start: 114 (Männer: 52, Masters 2: 19, Masters 3: 20, Masters 4: 9, Frauen: 14)
Im Ziel: 102 (Männer: 46, Masters 2: 18, Masters 3: 17, Masters 4: 8, Frauen: 13)
 
Masters 4
Am Start:
9
Im Ziel: 8
1. Frank Mirbach (RTS Luckenwalde) 1:42:35
2. Henry Schwarz (Picardellics Velo Team Dresden)
3. Uwe Rübling (Dresdner SC 1898) + 2:29
4. Hartmut Stenzel (RSV Peiz) + 2:30
5. Andreas Kluge (PSV Chemnitz) + 2:32
6. Mario Voland (Dresdner SC 1898) + 2:36
 
Ergebnisse

Picardellics Velo Team Dresden