3. RADRENNEN RSV HERBOLZHEIM
Herbolzheim, 12. Juli 2025
Prolog
 
Als Radrennfahrer sollte man im Südwesten leben. Während in weiten Teilen Deutschlands in puncto Rennen Ödnis herrscht, rollen in Baden, Württemberg und der Pfalz die Räder allwöchentlich. Und dies nicht im entseelten Rand der Stadt, sondern oft mitten in deren Herzen. So führten die wechselnden Einsatzorte Peanut und mich an immer neue Orte im Südwesten. Den Auftakt in unserem Jahr machte Kirrlach. danach ging es nach Keltern, Trier, Hatzenbühl und Rheinstetten, bevor es uns heute nach Herbolzheim im Breisgau verschlug. 2023 anläßlich des hundertjährigen Bestehens des Radsportvereins Wanderlust Herbolzheim ins Leben gerufen, führte das kurze, schnelle Ding am Schwarzwald als „Radrennen ums Rathaus“ durch die Straßen eines hübschen alten Städtchens gesäumt von heimatverbundenen Menschen und Seinesgleichen.
.:: DIE STRECKE ::.
Dreißig Runden je tausenddreihundert Meter mit vier Kurven und voller Adrenalin - Herbolzheim war ein weiteres typisches Radkriterium. Start und Ziel waren vorm Rathaus in der Hauptstraße. Von dort ging´s durch ältliche Straßenzüge über die Rheinhausenstraße, Friedrichstraße und Maria-Sand-Straße wieder zurück in die Hauptstraße. Gefahren wurde linksrum. Die teils ruckelige Fahrbahn, ein dicker Rüttelstreifen am Stadtgarten, ein Strohballen vor einem Eisenzaun, und die selektive, leicht ansteigende Zielgerade stellten die Herausforderungen.
.:: DAS RENNEN ::.
Die erste unangenehme Entdeckung vorm Aufbruch ins Ländle hatte ich am Donnerstag gemacht: Nach dem Rahmenbruch meines Trainingsrades in der Vorwoche hakte nun die Schaltung an meinem Wettkampfrad. Und ohne Rennrad kein Radrennen! Zum Glück half mir eine Werkstatt im benachbarten Oberursel mit einer außergewöhnlichen Sofortreparatur aus der Not. Doch ein Unheil kommt selten allein. Das nächste wartete in Form der Anreise. In weiser Voraussicht hatten wir uns über vier (!) Stunden vorm Start auf Achse gemacht. 240 Kilometer schnurstracks die A5 nach Süden. Stünde da nicht eine Endloslawine Blech im Wege. Erst neun Kilometer Stau vor Heidelberg (mit Umleitung durch die Stadt Heidelberg), dann acht Kilometer bei Karlsruhe (und als ob das nicht reicht: in Bullenhitze), dazu Stillstand auf einem Rastplatz (ebenfalls nichts für schwache Nerven) - und schon sah ich Herbolzheim entgleiten. Auf die wirklich allerletzte Rille (25 Minuten vorm Start) trafen wir beim Gasthaus Schützen an der Rennstrecke ein - wo sich die Gegner bereits warmfuhren. „Die Straße geradeaus, am Ende sind paar alte Männer“, wies mir ein Posten den Weg zur Anmeldung. 14 Uhr 45 (15 Minuten vorm Peng) hatte ich mein Rad zusammengebaut, den Transponder an der Gabel, pikste Peanut die Nummer 65 auf meinen Rücken, blieben drei Runden zum Einrollen. Das Adrenalin strömte wie verrückt...
Die Voraussetzungen waren also denkbar mies, doch davon wollte ich mich nun nicht mehr entmutigen lassen. Schließlich weckte die Startliste im Netz Hoffnung aufs Podium. Allerdings standen unter den 32 Mastersfahrern in Gestalt des Allgäuers Gericke und des Pfälzers Antoni zwei Nachmelder, gegen die heute nichts zu holen war. Favorit Nummer drei, Eminger aus der Schweiz, trug statt einem Anzug seines RB Brugg einen vom RV Stegen und fuhr damit unterm Radar. Wie in einem Déjà-vu zum letzten Sonntag brauchte ich nach dem Start aus der kalten Hose zehn Runden, um einen Fuß in die Tür zu kriegen. So pedalierte ich an der Spitze eines abgehängten Sextetts dahin. Niemand machte Anstalten, in die Führung zu gehen. Einer verweigerte sie mit der Behauptung, er sei „schon eine Runde mehr gefahren“. Bis es endlich soweit war, und wir vom Roschbacher Masters-2-Fahrer Manuel Christian geschluckt wurden. Nach der Überrundung flog alles auseinander. Als Einziger meiner Altersgruppe konnte Gericke Wertungspunkte ersprinten. Gericke, Antoni und Eminger hatten mich zudem überrundet. Damit rangelte ich mit Dreien aus dem Südwesten um die Holzmedaille. Bis fünf Runden vor Ultimo plötzlich mein Knie stumpf schmerzte, der Schmerz in die Achillessehne zog, und ich nach dem Rennen mit einer zum Zerreißen gespannten linken Wade kaum noch gehen konnte. In einem knüppelharten Finale blieb für mich mit hauchdünnen sieben Zehntelsekunden der vierte Platz. Ich hatte den Anschluß zur Spitze zu früh verloren, bin nochmal ins Rennen gekommen, und mehr als Vierter war heute nicht drin. Die Leute vor mir waren keine Schlechten. Damit war ich im Frieden.
Epilog
 
Herbolzheim zählt für mich zu den stimmungsvollsten Rennen hierzulande. Großen Anteil daran hatte das volksfestartige Drumherum im Geiste der Fahrer - angefangen von liebevollen Programmheften, über herzige Streckenposten und den Chef der Orga, der an der Strecke patroullierte und die Leute frug, ob alles in Ordnung sei, bis hin zu einem Helfer, der den Fahrern im Ziel gekühlte Wasserflaschen reichte. Während die Männer auf dem Bierwagen mit vor Hitze geröteten Köpfen durstige Kehlen löschten. Versüßt wurde der Tag ferner von 30 Euro Preisgeld für einen vierten Platz! Seinen Umschlag für Rang vier bei den Masters 2 nahm auch der stets wild fahrende Elsässer Million in Empfang. Beim Aufbruch trafen wir Walter Antoni. Der supersympathische Pfälzer war der Autobahn mit einem Schlenker durch den Elsass entgangen. Nach einem langen Tag, der mit der Abfahrt 10 Uhr 45 begann, trafen wir abends kurz vor neun in Frankfurt ein. Von den über zehn Stunden waren mehr als sieben ein Martyrium zwischen fremdländischem Blech auf dem Asphalt der A5. Das Rennen im wärmsten Zipfel Deutschlands dauerte 56 Minuten.
 
 
Ein riesiges Dankeschön
Peanut
City Zweirad Oberursel
Den Machern von Herbolzheim
 
 
Vitus, 14. Juli 2025, Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 31ºC, leichte Brise aus Nord (7 km/h)
Typ: Kriterium
Länge: 39 km
 
Im Ziel: 54
Elite-Amateure: 10, Amateure: 12, Masters 2: 13, Masters 3: 10, Masters 4: 9
 
Masters 4
Am Start:
9
Im Ziel: 9
1. Heiko Gericke (RSC Kempten) 3 Pkt., 56:15
2. Walter Antoni (TSV Neupotz)
3. Christian Eminger (RB Brugg, Schweiz)
4. Mario Voland (Dresdner SC 1898) - 1 Rd.
5. Uwe Hahn (RV Pfeil Magstadt)
6. Peter Daicsak (RIG Vorderpfalz)
 
Ergebnisse
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