15. ULTRAMARATHON DES RLT RODGAU, 25. Januar 2014
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AUFBAUKAMPF
Gießener Silvesterlauf (Halbmarathon), 29.12.13
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ KAMPF ¤ STATISTIK
Zäher Kampf für eine Handvoll, meditatives Leiden für manche, geselliges Kilometerbimsen für die Masse: Überdosis Ultra
 
 
Schon lange schlugen unsere Herzen nur noch für die Doom-Musik. In letzter Zeit hatten Peanut und ich wieder verschärft als Edelfans eine gute Figur gemacht. Die Performanz in Laufmontur fiel immer schwerer. Doch so ganz kalt ließ uns der Sport doch nicht... Zu viel Bauch meinerseits, zu wenige Kilometer bei Peanut: beide hatten wir den Zenit schon lange überschritten. Daß wir dennoch zu einem Wettkampf gefahren sind, hatte einen einfachen Grund: Damit ersparten wir uns einen zermürbend langen Ausdauerlauf allein an der Nidda, und durften uns anschließend zur Wiederherstellung sogar noch paar Tage ausruhen. Schließlich wollten wir die Körper noch mal für ROM in Schwung bringen. Der in der Silvesternacht 1999 geborene Ultra im hessischen Rodgau war unser erster Auftritt in der Ultra-Bewegung und der erste Lauf über die klassische Distanz (42,195 Kilometer) hinaus. Fünfzigtausend Meter. Zumindest so weit die Füße tragen...
 
.:: DIE STRECKE ::.
Der Ultra war ein Ringelpiez aus zehn nach internationalen Regeln vermessenen, flachen 5-Kilometer-Runden. Start und Ziel befanden sich beim Weiher „Gänsbrüh“ östlich vor Dudenhofen. Wald und Acker wechselten sich ab. Zwei Kilometer verliefen auf Asphalt, der Rest auf Feld- und Waldwegen. Zwischen dem zweiten und dritten Kilometer befand sich ein 250 Meter langer Wendepunktabschnitt, am vierten Kilometer ein kleines Hüglein, und 800 Meter nach Start und Ziel war eine Verpflegungsstation aufgebaut. Die Zeiten wurden durch eine Leiterbahn auf der Startnummer erfaßt (Run Sports Timing), die Anzahl der zurückgelegten Runden mußte jeder selbst mitzählen. Amtierender Streckenrekordler war der Ukrainer Jewgeni Glyva mit 3:02:31 Stunden aus dem Jahr 2012.
 
.:: DIE VORBEREITUNG ::.
Unsere Wochensummen vom 2. Dezember 2013 bis 26. Januar 2014:
 
01. Wo. (Bewegung): Vitus 089 km / Peanut 20 km
02. Wo. (Bewegung): Vitus 115 km / Peanut 59 km
03. Wo. (Training): Vitus 121 km / Peanut 51 km
04. Wo. (Halbmarathon): V.: 1:33:28, Training: 106 km / P.: 2:08:19, T.: 51 km
05. Wo. (Training): Vitus 120 km / Peanut 50 km
06. Wo. (Training): Vitus 100 km / Peanut 44 km
07. Wo. (Training): Vitus 115 km / Peanut 68 km
08. Wo. (Ultra): V.: 4:23:35 (50 km), T.: 120 km / P.: 3:45:36 (35 km), T.: 60 km
Gesamt: Vitus 886 km / Peanut 403 km
 
.:: DER ULTRA ::.
 
15. 50-KM-ULTRAMARATHON DES RLT RODGAU,
25. Januar 2014
Mit der Anreise per Schnellbahn nach Dudenhofen mußten wir die erste Strapaze bereits vor dem Ultra verkraften. Im Keller des Frankfurter Bahnhofs wurden neue Schienen verlegt. Manche Linien endeten dort, andere verkehrten völlig willkürlich zu einer unbestimmten Zeit. Mit der S1 in der Rhein-Main-Ebene südöstlich hinter Frankfurt angelangt, hatte plötzlich der am Vorabend bestellte Chauffeur keine Lust mehr. Die Seniorchefin persönlich beförderte uns zum Bestimmungsort, dem Klubhaus des TC Blau-Weiß. Dort hieß es, 25 Euro für den Umschlag mit der Startnummer zu entrichten, Wertsachen abzuliefern, und sich in der angrenzenden Turnhalle zack, bumm umzuziehen. In dem alten Saal stand eine Wolke aus Menschenmief. Viele hatten dort auf Matten übernachtet. Und dann war noch ein Kilometer zum Start beim Gänsbrüh-Teich unweit des Opel-Prüffelds zurückzulegen. 9.50 Uhr (zehn Minuten vorm Peng) enterten Peanut und ich die Aufstellung. Hier stieß ich auf zwei erfahrene Ultra-Männer vom LT Florstadt, mit denen ich letzten Herbst einen langen Lauf bestritt. Predki und Lamberz nahmen heute zum 13. Mal die 50 Kilometer von Rodgau in Angriff. Verglichen mit Biel (100 Kilometer) für sie ein Klacks. Von 1124 angemeldeten Läufern waren letztlich 835 aus 20 Nationen nach Südosthessen gepilgert, in der Hauptsache Wiederholungstäter. 586 sollten die 50 Kilometer bis zum Ende durchhalten - bisheriger Höhepunkt. Mit grauen Wolken, Werten knapp über Null und wenig Wind, waren die Wetterbedingungen fürs Laufen Ende Januar nahezu ideal. Von Schnee war keine Spur. Nur einige knöcheltief aufgeweichte Abschnitte und eine etwa zwei Meter hohe Rampe im Wald erschwerten die Sache. Hier hieß es: Augen auf! und sich keinen Dreck in die Schuhe laufen.
10 Uhr fiel der Schuß zum 15. ULTRAMARATHON IN RODGAU. Eigentlich wollte ich mit den Florstädtern laufen, aber deren Form war verletzungsbedingt noch miserabler als meine. Nach hundert Metern waren Dirk und Edgar hinter meinem Rücken verschwunden. Ich kam gut in Tritt, und nach zwei Kilometern schoben Lautsprecher mit „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin nach vorn! Nach 23 Minuten lag die erste Fünf-Kilometer-Runde hinter mir. Mit dem sechsten Kilometer in 4:19 Min. startete ich in Runde 2 durch, und mit den nächsten Kilometern im 4:30er-Schnitt setzte ich mich in der erweiterten Spitze fest. Mit 22:50 Min. beim zweiten Zieldurchlauf war ich fast so schnell wie bei einem Marathon unter drei Stunden unterwegs. Und nicht weniger kämpferisch verlief auch Runde Nummer drei. Andere waren unterdessen viel flinker: Bereits im vierten Durchlauf wurde ich vom Führenden überrundet. Ich konnte das überhaupt nicht fassen. Aber die Redakteure von „Laufreport“ bestätigten es: Der Muskelprotz sollte der erste Mann gewesen sein. Niemand konnte indes ahnen, daß der Müller aus Käshofen seinen vierten 5-Kilometer-Abschnitt in 4:55 Min. gespurtet war - Weltrekord! Leider mußte ich wenig später auch der eigenen Frau die Hacken zeigen. Diese Momente tun besonders weh. Wenigstens machte Peanut einen frischen Eindruck und hielt sich wacker im Mittelfeld. Nach fünf Runden glichen manche Wege im Wald bereits einer aufgewühlten Galopprennbahn. Eine klasse Idee hatte ein Blondschopf aus Karlsruhe, der sein Leibchen nicht nur mit Fähnlein aus Tibet bestückt hatte, sondern auch gegen Schlamm schützende Gamaschen trug. Ausgangs der fünften Runde stellte sich die erste Müdigkeit ein...
 
... und mit Beginn der zweiten Hälfte stiegen meine Kilometerzeiten über die Fünf-Minuten-Marke. Nach 30 Kilometern waren die Kräfte verbraucht. Im gleichen Maße fiel das Niveau der Beschallungsanlage ins Bodenlose. Nach Led Zeppelin und den Stones zum Auftakt, tönten ab Ringelpiez Nummer 6 der „Sunshine Reggae“ und die Rodgau Monotones durch den Wald: „Erbarme, zu spät, die Hesse komme“... Nach sieben Runden hatte ich mich doom gelaufen, und konnte nur dank meiner Glocke, die an der Gänsbrüh „Lap 35“ anzeigte, die Anzahl der zurückgelegten Runden rekapitulieren. Ab Runde 8 wünschte ich mir, das Hirn vollends ausschalten zu können - aber es ging nicht. Mittlerweile dümpelte ich wohl jenseits der ersten 100 rum. Ich ließ den lieben Gott endgültig einen guten Mann sein, legte erst eine Geh- und anschließend noch eine Pinkelpause ein. Heerscharen in bunten Kunstfaserklamotten und Strumpfhosen zogen vorüber. Sie schwadronierten über das, von dem sie gar nicht genug bekommen können. Derart gedemütigt und dem Schicksal gebeugt, bediente ich mich an der Verpflegungsstation an Fruchtschnittchen, Bananenhäppchen, Kräutertee und brauner Brause, redete mit einem Mädel über Sinn und Unsinn von Wettkämpfen und den Fez beim „Trail“, und verschwand zwei weitere Male im Gestrüpp. Nur ein Akt des Willens konnte mich über die neunte Runde retten. Die 42,195 Kilometer passierte ich nach 3:33 Stunden. Hinterm Marathon hallten „Viva Colonia“ und „Die Karawane zieht weiter“ aus dem Wald... das Endstadium. Doch mit dem zehnten und finalen Durchgang fielen alle Schmerzen ab, und der 50. Kilometer war mit 4:19 Min. gar mein schnellster auf der gesamten Strecke. Die Zeit für meinen ersten Ultra war nichtig. Was zählte, war die Distanz!
 
Peanut hatte sich vor einer Woche eine höllisch schmerzende Ferse gelaufen. Sie wollte Runde für Runde sehen, wie es geht. Es war dann aber nicht die Ferse, sondern allgemeine Erschöpfung, die meine Partnerin am Ende der 7. Runde zum Abbruch zwang. Nach 35 Kilometern in 3:45 Stunden ging P. von der Strecke. Damit ging sie als 152. von 211 Frauen in die Wertung ein.
 
Den Sieg eroberte Florian Neuschwander, Vizeweltmeister im Ultra-Trail. Der kleine, tätowierte und gepiercte Bursche aus Trier brachte es fertig, die ukrainischen Weltklasse-Ultras und Seriensieger Glyva und Holovnytskyy erst aus dem Hintergrund zu verfolgen, dann einzufangen, und schließlich deutlich zu schlagen. „Run with the Flow“ verbesserte er nicht nur den Streckenrekord um fast vier Minuten, sondern lief zugleich die fünftschnellsten 50 Kilometer in Deutschland aller Zeiten. Die neue Bestmarke beim Ultra in Rodgau beträgt 2 Stunden, 58 Minuten und 42 Sekunden.
 
Ein besonderer persönlicher Dank geht an Dirk aus Florstadt, der uns im Auto zurück in die Wetterau brachte. Weiterhin danke ich dem Chef für die Zusendung eines Andenken-Trikots und eines funktionalen Schlauchtuchs. Rodgau war Geschichte, es rief Rom!
 
 

Schauläufer Vitus, 29. Januar 2014; Bilder: Go4it, Laufreport, Marathon4you und Vitus
 
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: wolkig, 0 bis 2ºC, schwacher Wind aus Ost
Zuschauer: ca. 100
 
Gemeldet:
1124 (M: 860 / W: 264 / Nationen: 20)
Am Start: 835 (M: 624 / W: 211)
Im Ziel: 586 (M: 459 / W: 127)
Abgebrochen: 249 (M: 165 / W: 84)
 
Männer
1. Florian Neuschwander (Trier) 2:58:42 (SR)
2. Oleksandr Holovnytskyy (SC Kowel/Ukraine) 3:05:59
3. Tobias Hegmann (TSG Kleinostheim) 3:08:58
4. Thomas Klingenberger (Freiburg) 3:15:46
5. Michael Sommer (EK Schwaikheim) 3:17:32
6. Jewgeni Glyva (SC Kowel/Ukraine) 3:19:45
 
Frauen
1. Astrid Staubach (LG Vogelsberg) 3:41:57
2. Gabriele Werthmüller (LG Derendingen/Schweiz) 3:53:04
3. Ricarda Bethke (LG Derendingen/Schweiz) 4:01:47
4. Silke Arendts-Konold (LT Herbrechtingen) 4:05:28
5. Carolin Engelke-Horn (SG Poseidon Eppelheim) 4:06:11
6. Simone Stöppler (SSC Hanau-Rodenbach) 4:06:48
 
Schauläufer Vitus (Spiridon Frankfurt)
Startnummer:
845
Zeit: 4:23:35
Platz:
124 von 624 bei den Männern
Platz: 29 von 137 in Klasse M50
Platz: 142 von 835 Gesamt
Zwischenzeiten
05 km: 0:23:12 (23:12)
10 km: 0:46:03 (22:50)
15 km: 1:09:10 (23:07)
20 km: 1:32:17 (23:07)
25 km: 1:55:33 (23:15)
30 km: 2:20:31 (24:57)
35 km: 2:47:20 (26:48)
40 km: 3:18:32 (31:11)
45 km: 3:53:08 (34:36)
50 km: 4:23:35 (30:27)
 
Peanut (Spiridon Frankfurt)
Startnummer:
846
Zeit: 3:45:36 (abg. 35 km)
Platz: 152 von 211 bei den Frauen
Platz: 34 von 47 in Klasse W50
Platz: 680 von 835 Gesamt
Zwischenzeiten
05 km: 0:30:59 (30:59)
10 km: 1:01:12 (30:13)
15 km: 1:32:02 (30:50)
20 km: 2:02:50 (30:47)
25 km: 2:35:22 (32:32)
30 km: 3:09:31 (34:08)
35 km: 3:45:36 (36:05)
40 km: -
45 km: -
50 km: -
 
Ergebnisse

RLT Rodgau